Wochenreport aus dem Jazzinstitut #4

Was geschieht während des jazzmusikalischen Shutdowns in Darmstadt? +++ Wie nutzen Jazzmusikerinnen und -musiker ihre erzwungene, meist unbezahlte, freie Zeit? +++ Wie ergeht es verwaisten Veranstaltungsorten? +++ Welche Ideen entstehen, um die veranstaltungslose Phase produktiv zu nutzen?

Liebe Freundinnen und Freunde des Jazzinstituts,

Weil der von uns alle zwei Monate erstellte Darmstädter Jazzkalender nach wie vor nichts anzukündigen hat, möchten wir diesen Newsletter nutzen, um Ihnen regelmäßig und exklusiv davon zu berichten, wie bekannte Darmstädter Kulturschaffende, die Sie möglicherweise aus vielen Jazzkonzerten kennen, mit der Corona-Krise umgehen.

Einmal die Woche werden wir kurz auf neue Initiativen in Darmstadt hinweisen, erzählen wie Jazzmusiker*innen kreativ über die Runden kommen oder einfach nur deren musikalischen Grüße an Sie weiterleiten.

Was im Jazzinstitut selbst und in der großen weiten Welt passiert, darüber informieren wir übrigens alle vierzehn Tage weiterhin in unseren JazzNews (www.jazzinstitut.de/jazznews).

Friederike Frenzel

Friederike Frenzel – Musikerin, Musikpädagogin und Musiktherapeutin – leitet das interkulturelle Projekt "Heimat durch Musik", das sich seit rund zwei Jahren einmal die Woche im Gewölbekeller unterm Jazzinstitut trifft. Was macht frau als kreative Künstlerin, wenn durch Corona alle Auftritte, Proben, Kurse und Aufträge wegbrechen? "Das Gute am kreativ sein, ist das kreativ sein – auch in Situationen, die so nicht geplant waren, wie plötzliches Herunterfahren aller bisherigen Aktivitäten." Es kämen dann schon Ideen.

Zum Beispiel wurde die Idee „Postkartenmusik“ geboren (zu finden auf Instagram/postkartenmusik oder mailto:info@postkartenmusik.de). Zu unterschiedlichsten Anlässen (Geburtstage, Liebes- oder Dankeswünsche) werden musikalischen Botschaften nach Hause überbracht – in Form eines Lieblingssongs („Heroes“ von David Bowie als Dank für befreundete Ärzte etwa oder „Guten Tag, liebes Glück“ von Max Raabe). "Das Lied wird von mir gesungen – am Fenster, unterm Balkon oder vor der Haustür – wegen social distancing." Diese originelle Idee habe ihr schon etliche Tränen der Rührung und ein riesengroßes Lächeln im Gesicht der Beschenkten beschert.

Auch im Netz gebe es derzeit eine Menge zu tun für Friederike Frenzel. So gingen ihre Eltern-Kind-Kurse für musikalische Früherziehung bald online unter tonlinge.de. Entspannte Familienmusik für Zuhause während und sicher auch noch nach der Corona-Zeit. Nicht nur Kinder hätten was von den Kursen; selbst für große Menschen, fände sich etwas bei den Tonlingen, z.B. Musikunterricht für „hoffnungslos Unmusikalische“ oder einen Kurs zu „Singen während der Schwangerschaft“. Die Idee zu den Onlinekursen sei schon vor Corona da gewesen und habe sich nun aufgrund des Wegfallens aller Auftritte und Proben auf der Prioritätenliste ganz nach oben geschoben.

Die Frauen von „Heimat durch Musik“ treffen sich derweil auf Zoom, anstatt im Jazzinstitut zu proben. "Wir planen dort die ersten Schritte unseres Vereins" (www.musik-kunst-verein.de). Auch die Proben gingen online weiter, mit Hilfe von Videos und WhatsApp-Tonaufnahmen – immer zu zweit in Tandems. "Damit bleiben wir musikalisch am Ball und im Kontakt. Mal sehen, was uns noch so Kreatives einfällt, um die Wartezeit zu überbrücken – wir freuen uns drauf!" Schließlich müsse auch das Ende April im Jazzinstitut geplante Konzert der Frauen ja irgendwann nachgeholt werden.

Thomas Heldmann

Der vielbeschäftigte Bassist Thomas Heldmann (Swinging Tuxedos, En Haufe Leit, Papa Legba's Blues Lounge, Marianne et les Garcons) legt Wert auf die Feststellung, dass er als Rentner von seinen Gagen nicht finanziell abhängig sei und ihn die Corona-Krise daher nicht annähernd so hart treffe, wie mache Kolleginnen und Kollegen, die um ihre Existenzgrundlage fürchten müssten. Aber:  "Am 14. März hatte ich meinen letzten Auftritt, alle folgenden Veranstaltungen bis Ende August, Festivals, Messen, Feiern oder Konzerte, wurden abgesagt." Damit bleibe Zeit, die Auftritte fürs kommende Jahr zu organisieren, endlich die unentdeckten Möglichkeiten seines digitalen Mischpults zu erforschen ("das ich nun seit mehr als einem Jahr im Einsatz habe.") oder mit Klängen und Instrumenten zu experimentieren. So habe er sich ein Bass-Banjo zugelegt, um auszuprobieren, was man damit anfangen kann. "Derzeit bin ich noch auf dem Stand: nicht viel."

Einen regen musikalischen Austausch pflegt Heldmann mit seinem Freund Rainer Lind, der im Vogelsberg wohnt. Der schicke ihm ab und an ein Video, auf dem er die wunderbarsten Klänge und Klangkollagen mit seiner Gitarre produziere. "Ich versuche dann mit dem Bass dazu zu spielen, nehme das auf und mische es zu seiner Aufnahme dazu. Das fertige Produkt schicke ich dann in den Vogelsberg und wir unterhalten uns anschließend darüber." Irgendwann, planen die beiden, noch weitere Musiker einzubeziehen. Ob bei diesem "Corona-Projekt" überhaupt etwas rauskomme, wisse er noch nicht, aber es mache ihm viel Spaß.

Heldmann kocht gerne. Und weil seine Frau bislang auch häufiger zu Hause sei als sonst, koche er fast jeden Tag für beide. Auch beim Kochen werde experimentiert, mit Rezepten und Zutaten. "Wenn das so weiter geht, werde ich aus dieser Krise gestärkt herausgehen ... zumindest um die Hüften."

Aus aktuellem Anlass, dem Tod seines langjährigen Freundes Jürgen Wuchner, reicht Heldmann noch eine Geschichte nach. Wuchner hatte die Idee das Papa Legba's Blues Lounge etwas von  der LP "Jivin' With The Refugees From Hastings Street" von Major Holley spielen könnte, weil das so gut zum Trio passen würde. "Der Link (auf dem Foto oben) führt zu einem Lied, das wir auf Jürgens Anregung hin in unser Programm aufgenommen haben. Wenn ich daran denke, kommen mir die Tränen."

Verschobene Konzerte:

ursprünglich 8.5.2020
Eskelin / Weber / Griener
verschoben auf Freitag, 14. Mai 2021

Freitag, 15.5.2020
JazzTalk 139: Krisch / Höfler / Elgart feat. Lauren Newton
abgesagt, wird 2021 nachgeholt

ursprünglich 22.5.2020
Richard Koch Quartett
verschoben auf Freitag, 7. Mai 2021

In Planung:

Freitag, 12. Juni 2020
Sven Decker's JULI Quartet

Freitag, 21. August 2020
JazzTalk 141: Sebastian Gramss' Underkarl

Freitag, 4. September 2020
Klima Kalima

Freitag, 11. September 2020
JazzTalk 142: Eva Kruse Quintett

Freitag, 6. November 2020
CL Hübschs "Langfristige Entwicklung des Universums"

Das gesamte Programm im Jazzinstitut Darmstadt auch unter
www.jazzinstitut.de/jazz-im-institut

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