(aus dem Jazzinstitut Darmstadt)
21. Juli bis 3. August 2022 | Ausgabe 14/2022 (deutsch)

Wir lesen die Morgenzeitung für Sie!

Liebe Jazzfreunde,

Die Jazz News des Jazzinstituts versorgen Sie regelmäßig (zurzeit ca. alle zwei Wochen) mit Nachrichten, die wir aus der Online-Tagespresse für Sie zusammenfassen. Diese Rubrik wird auf unserer Website (www.jazzinstitut.de) täglich aktuell gehalten.

Wenn Sie an Literaturlisten zu den hier genannten Musiker:innen interessiert sind, so finden Sie etliche auf unserer Jazz-Index-Website. Der Jazz-Index ist eine bibliographische Datenbank, die kostenlos im Jazzinstitut abrufbar ist. Kontaktieren Sie uns, wenn Sie ähnliche Auszüge zu noch nicht gelisteten Musiker:innen wünschen.

Viel Vergnügen bei Ihrer Lektüre zum Jazz in der/n vergangenen Woche/n.

... in aller Kürze ...

Jens Uthoff spricht mit der in Berlin lebenden ukrainischen Sängerin Ganna Gryniva über ihre Entscheidung, die Sprache des Jazz mit traditionellen ukrainischen Gesangspraktiken zu verbinden, und darüber, wie einige der von ihr vorgetragenen Lieder ukrainischen Flüchtlingen helfen, ihren Schmerz angesichts des Krieges zu lindern. Gryniva hatte ihr Repertoire lange vor dem Krieg erweitert, indem sie durch kleine Städte und Dörfer in ihrem Land reiste, alte Melodien recherchierte und verschiedene Versionen derselben Lieder sammelte (die tageszeitung). --- Ben Sisario reist nach Englewood Cliffs, New Jersey, um das historische Studio von Rudy van Gelder zu besuchen, in dem seit den 1960er Jahren viele historische Jazzaufnahmen entstanden. Er spricht mit Maureen Sickler, Van Gelders langjähriger Assistentin, der er sein Anwesen vermacht hat und die zusammen mit ihrem Mann, dem Trompeter Don Sickler, und dem Tontechniker Perry Margouleff plant, es wieder zu einem vollwertigen Aufnahmestudio zu machen. Sisario erfährt etwas über das Gebäude selbst, das von einem Schüler Frank Lloyd Wrights entworfen wurde, über einige der Instrumente, die im Laufe der Jahre von Jazzlegenden gespielt wurden, und er erzählt einige der Geschichten, die über Van Gelder kursieren. Außerdem spricht er mit dem Pianisten Jon Batiste, der dort kürzlich Aufnahmen machte und die neuen Besitzer darin bestärkt, sich bei der Studioarbeit auch weiterhin auf akustischen Jazz zu beschränken (New York Times).

Uli Fricker spricht mit dem Saxophonisten und Komponisten Bernd Konrad anlässlich seines 75. Geburtstages über seine musikalische Ästhetik und über das Standardrepertoire des Jazz, das er, wie er sagt, vor allem in der Karnevalszeit spielt, über seinen Werdegang zwischen Bebop und Jazz-Rock, über seine langjährige Lehrtätigkeit sowie über sein Leben rund um den Jazz, eine Musik, von der er überzeugt ist, dass sie auch in 100 Jahren noch lebendig sein wird (Südkurier). Hans Kumpf gratuliert Bernd Konrad ebenfalls (JazzPages). --- Phil Freeman spricht mit der Dichterin und Musikerin Moor Mother über ihr jüngstes Album "Jazz Codes", über ihre Herangehensweise an die Vertonung ihrer Songs, über einige der elektronischen Tools, Samples und Software, die sie verwendet, über die Begegnung mit Musikern, mit denen sie dann zusammenarbeitet, wie Jason Moran, über den Track "Woody Shaw" und wie sie zu den Pionieren dieser Musik aufschaut, über Amina Claudine Myers, der ein weiterer Track gewidmet ist, über ihre Band Irreversible Entanglements, über das viele Reisen, das automatisch dazu führt, dass sie in unzählige Projekte involviert ist, sowie über ihre Wahrnehmung in verschiedenen Communities, die ihre Arbeit berührt (Stereogum).

Allen Morrison spricht mit dem Pianisten Emmet Cohen über "Live from Emmet's Place", eine wöchentliche Konzertreihe, die live aus seinem Wohnzimmer in Harlem übertragen wird. Die Reihe begann während der Covid-19-Lockdowns und hat sich seitdem "von einer zusammengewürfelten Live-Aufnahme mit nur einem iPhone zu einer Hightech-Produktion mit mehreren Kameras und makellosem Sound" entwickelt. Cohen spricht über die Idee für den Webcast, über die finanzielle Unterstützung, die er von seinen Zuschauern erhielt, über die internationale Wirkung für der Sichtbarkeit seines Trios, sowie darüber, dass die Konzerte vielen Fans während der einsamen, für viele deprimierenden Lockdown-Phase der Pandemie halfen (The Guardian). --- Ted Gioias Versuch, das Pulitzer-Komitee dazu zu bringen, Duke Ellington den Pulitzer-Preis für Musik zu verleihen, der ihm 1965 verweigert worden war, macht Fortschritte (The Honest Broker). John McWhorter schließt sich Gioias Forderung in einem Meinungsartikel in der New York Times an, in dem er die Qualität von Ellingtons Schaffen von den 1920er bis zu den 1960er Jahren diskutiert und findet, dass, wenn auch das Pulitzer-Komitee Ellington 1999 anlässlich seines hundertsten Jahrestages eine besondere Ehrung zuerkannt habe, "die Brüskierung [von 1965] so ungeheuerlich war, dass sie weit deutlicher rückgängig gemacht werden muss" (New York Times).

Rob Taylor Jr. spricht mit Alyce Claerbaut, der Nichte des Pianisten/Komponisten Billy Strayhorn, über die Weltpremiere von "Sugar Hill - The Ellington/Strayhorn Nutcracker", einer Show, die die Zusammenarbeit zwischen Strayhorn und Duke Ellington neu interpretiert, und er erfährt mehr über Strayhorns Persönlichkeit und seinen politischen Aktivismus durch Musik. Claerbaut erinnert sich auch daran, wie ihr Onkel zu einer Probe ihrer Highschool-Jazzband kam, und sie erklärt, dass eine ganz neue Generation seine Musik kennenlernte, als Lady Gaga "Lush Life" sang (New Pittsburgh Courier). --- Alan Sherstuhl besucht den New Yorker Jazzclub Smoke, der erst kürzlich wiedereröffnet wurde, nachdem er mehr als zwei Jahre lang geschlossen war. Er spricht mit dem Clubbesitzer Paul Stache über den 1999 eröffneten Club und das von ihm 2014 mitgegründete Label Smoke Sessions, sowie über den Saxophonisten George Coleman, der den Club 1999 eröffnete, 2001 die ersten Smoke-Sets nach dem 11. September spielte und auch beim Wiedereröffnungskonzert zu hören war (New York Times).

Rob Baker berichtet über den Boxer Jack Johnson, der mehrere Clubs besaß, von denen er einen, den Club Deluxe in Harlem, 1922 an den Gangster Owney Madden verkaufte, der das Lokal in "The Cotton Club" umbenannte; der Rest ist Jazzgeschichte (Flashbak). --- Linda Laban unterhält sich mit T.J. English, dem Autor eines neuen Buches über "Jazz und die Unterwelt", und erfährt dabei, dass es Kontakte zwischen Jazz und der Gangsterszene im Chicago der Prohibition genauso gab wie im New York der Nachkriegszeit (New York Post).

Bruce Handy spricht mit dem 84-jährigen Saxophonisten Charles Lloyd über seine lange Karriere, über sein "Sabbatical" in Big Sur in den 1970er und 1980er Jahren, über sein Elternhaus in Memphis, wo seine Mutter oft "Künstler beherbergte, die in den segregierten Hotels in Memphis nicht übernachten durften, darunter auch [Duke] Ellington", der seiner Mutter riet, ihren Sohn nicht Musiker werden zu lassen, darüber, dass er immer noch dazulernt, dass aber Tourneen in seinem Alter doch etwas lästig seien, sowie über einen der Gründe, warum er nie aufgehört hat, Musik zu machen: "Ich war einfach nie so gut, um aufzuhören" (The New Yorker). --- Shaun Brady spricht mit dem Schlagzeuger Kevin Diehl darüber, wie er die Loft-Jazz-Szene und das afro-kubanische Schlagzeugspiel im New York der 1970er Jahre entdeckte, die beide die von ihm im Jahr 2000 gegründete Band Sonic Liberation Front beeinflussten (The Philadelphia Inquirer).

J.R. Nelson und Leor Galil sprechen mit dem Posaunisten Jeb Bishop über seine Rückkehr nach Chicago nach zehnjähriger Abwesenheit (Chicago Reader). --- Hans-Jürgen Linke hört sich das jüngste Album des Saxophonisten Daniel Guggenheim an (Frankfurter Rundschau). --- David Daniel spricht mit dem Veranstalter Alex Lemski (Arts Fuse).

Am Beispiel der Blue-Note-Gründer Alfred Lion und Francis Wolff hält Harry Nutt den aktuellen Diskussionen über kulturelle Aneignung entgegen, dass kulturübergreifende Inspirationen schon immer eine wichtige Quelle für kulturelle Kreativität gewesen seien (Berliner Zeitung). --- Die in Oregon geborene und seit den 1970er Jahren in Deutschland lebende Sängerin Lauren Newton ist mit dem Jazz-Preis Baden-Württemberg für ihr Lebenswerk ausgezeichnet worden (Baden-Württemberg).

Meaghan Kacmarcik erinnert sich an den Radiomann Felix Grant, der in Washington, D.C., eine viel gehörte Radiosendung moderierte und dessen Sammlung sich heute in der University of the District of Columbia befindet (Boundary Stones). --- Ted Gioia zollt der Kunst der Straßenmusiker Tribut und stellt Gene Palma in den Mittelpunkt, der in den Straßen New Yorks Schlagzeug spielte, dabei aber auch immer auf einige der großen Jazztrommler hinwies, ein Act, der es sogar in Martin Scorseses Film "Taxi Driver" von 1976 schaffte (The Honest Broker).

Nachrufe

Wir erfuhren vom Ableben des Bassisten Michael Henderson im Alter von 71 Jahren (Stereogum, Soul Tracks, New York Times), des Pianisten Tony Gulizia im Alter von 72 Jahren (Omaha World-Herald), des Pianisten Sidney Kirk im Alter von 78 Jahren (Memphis Commercial Appeal), des Pianisten und Arrangeurs Sy Johnson im Alter von 92 Jahren (Facebook), der Schauspielerin und Sängerin Nichelle Nichols im Alter von 89 Jahren (New York Times), sowie des Komponisten Hans-Werner Hespos im Alter von 84 Jahren (JazzPages).

Aus der Welt der Jazzforschung

Joachim Ernst Berendt @ 100
Kritiker, Produzent, Veranstalter, "Jazz-Papst": Am 20. Juli wäre einer der einflussreichsten deutschen Jazz-Autoren 100 Jahre alt geworden, und vor allem das Radio hat an ihn erinnert. Für ein einstündiges Deutschlandfunk-Feature sprach Michael Kuhlmann mit Michael Rüsenberg, Martin Pfleiderer, Günter Huesmann, Friedhelm Schulz und Wolfram Knauer, aber er lässt auch Berendt selbst zu Wort kommen, in Ausschnitten aus seinen zahlreichen Radiosendungen. Berendts Sammlung bildete den Grundstock für das Archiv des Jazzinstituts Darmstadt. Der im Jahr 2000 verstorbene Berendt schätzte die Arbeit des Jazzinstituts, er war stolz darauf, dass seine Sammlung durch unsere verschiedenen Services und Aktivitäten lebendig wurde. Kuhlmann zeigt die vielen Facetten des Autors, des Produzenten, des Veranstalters Berendt und betont dabei sowohl seine Bedeutung für den Jazz in Deutschland als auch sein Bewusstsein für die eigene Bedeutung. Hört man Berendts Stimme, hört man einige seiner zahlreichen Produktionen und Radiosendungen wieder, so vermisst man ihn, seine kritischen, durchaus auch selbstkritischen Meinungen, sein großes Wissen und seine Fähigkeit, auch Komplexes einem breiten Publikum zu erklären (Deutschlandfunk). Auch der Filmregisseur Frederik Steiner, der einen Film über Berendts und William Claxtons "Jazz Life"-USA-Reise von 1960 plant, erinnert an Berendt (Zeit Online).

Identitäten im Jazz
Die 43. Tagung des Vereins Radio Jazz Research (Lübeck, 8. bis 10. September 2022) befasst sich mit den aktuellen Identitätsdiskussionen in Kultur und Gesellschaft. Die Themenpalette der Tagung reicht von Nachwuchsförderung über Fragen der Geschlechterdisparität und nach dem Ausschlussfaktor Queerness, bis hin zu allgemeineren Diskussionen des Begriffs Identität und seiner Ausweitung im Anschluss an das Konzept der Transkulturalität, den der Philosoph Wolfgang Welsch zur Debatte stellte. Eine besondere Rolle spielt schließlich der Pianist Sebastian Sternal mit seinem Versuch, am Flügel ganz praktisch die Komplexität seiner Arbeit an einer Bestimmung einer Identität zu demonstrieren. Mehr Info: Radio Jazz Research.

Letzte Woche im Jazzinstitut

Neue Bücher, die wir gelesen haben
Zu den Büchern, die wir in den vergangenen Wochen lasen, gehören: "1.000 Tage Savoy. Eine Dokumentation. Drei Jahre geballter Kulturbetrieb in Braunschweig – 1986 bis 1989", von Bärbel Mäkeler; "Barrelhouse Jazzband. The Untold Story 1953-2023", von Rainer Erd, sowie "Was ist damit nur gemeint? 'Geheimnisse' und Geschichten zu populären Musiktiteln aus dem Jazz- und Unterhaltungsbereich", von Gerhard Klußmeier (siehe die Rubrik
"Neue Bücher" auf der Website des Jazzinstituts).

Darmstadt Jazz Conceptions
Vergangene Woche fanden die 31. Darmstädter Jazz Conceptions statt, der jährliche, 1992 vom Bassisten Jürgen Wuchner ins Leben gerufene Ensemble-Workshop, der auf der Idee basiert, dass Jazzmusiker:innen in der Regel einen ganz persönlichen musikalischen Ansatz entwickeln. Die diesjährigen Dozent:innen waren der Bratschist Rabie Azar, der während der Woche sowohl arabische Skalen als auch Originalkompositionen seiner Schüler probte, die Trompeterin Heidi Bayer, die zusammen mit ihrer Gruppe zwei längere Kompositionen von Grund auf erarbeitete, der Vibraphonist Christopher Dell, dessen Band Teile seines Kompositionsprojekts "The Working Concert" aufführte, die Schlagzeugerin Angela Frontera, deren Ensemble lateinamerikanisch inspirierte Stücke spielte, der Kontrabassist Christian Ramond, der Kompositionen von Ornette Coleman und Charles Mingus in den Mittelpunkt seiner Ensemblearbeit stellte, sowie der Pianist (und künstlerische Leiter der Jazz Conceptions) Uli Partheil, der einige seiner eigenen Stücke zum Workshop mitgebracht hatte. Am Freitag und Samstag führten alle Ensembles die Ergebnisse der Woche vor, der Workshop endete schließlich mit einem Auftritt der Dozent:innen. Auch nach 32 Jahren ist es überwältigend zu erleben, wie die Ensembles der Teilnehmenden (meist Amateurmusiker) während nur einer Woche ein solches Bandgefühl entwickeln und ihren eigenen Platz im Ensemble finden, und wie das Konzert der Teilnehmerensembles dem abschließenden Dozent:innenkonzert fast die Show stiehlt. Aber nur fast, denn die multikulturelle Combo der Lehrenden beendete den letzten Abend auch 2022 mit einer spannenden Mischung, diesmal aus arabischen Klängen, Latin Percussion, freier Improvisation, einem Jürgen Wuchner-"Ohrwurm" sowie dem Blues (Mehr Infos: Darmstadt Jazz Conceptions, Darmstädter Echo)

Aktuelle Öffnungszeiten des Jazzinstituts
Das Archiv des Jazzinstituts ist für Besucher und Nutzer nach Anmeldung geöffnet. Daneben können Sie uns weiterhin per Telefon, E-Mail oder Video-Call erreichen. Sollten Sie einen Video-Call wünschen, bitten wir Sie, dafür per e-mail einen Termin abzumachen und uns dabei bereits mitzuteilen, worum es in dem Gespräch gehen soll. Wir werden Ihnen dann einen Link für eine Webex Videosession für unser Treffen zusenden.

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