(aus dem Jazzinstitut Darmstadt)
22. September bis 12. Oktober 2022 | Ausgabe 18/2022 (deutsch)

 

Wir lesen die Morgenzeitung für Sie!

Liebe Jazzfreunde,

Die Jazz News des Jazzinstituts versorgen Sie regelmäßig (zurzeit ca. alle zwei Wochen) mit Nachrichten, die wir aus der Online-Tagespresse für Sie zusammenfassen. Diese Rubrik wird auf unserer Website (www.jazzinstitut.de) täglich aktuell gehalten.

Wenn Sie an Literaturlisten zu den hier genannten Musiker:innen interessiert sind, so finden Sie etliche auf unserer Jazz-Index-Website. Der Jazz-Index ist eine bibliographische Datenbank, die kostenlos im Jazzinstitut abrufbar ist. Kontaktieren Sie uns, wenn Sie ähnliche Auszüge zu noch nicht gelisteten Musiker:innen wünschen.

Viel Vergnügen bei Ihrer Lektüre zum Jazz in der/n vergangenen Woche/n.

... in aller Kürze ...

Anlässlich seines 60. Geburtstags spricht Ulrich Habersetzer mit Christian Muthspiel darüber, dass er im November 2019 nach einem Duo-Konzert mit Steve Swallow die Posaune an den Nagel gehängt hat, um sich auf seine anderen künstlerischen Aktivitäten als Komponist und Dirigent zu konzentrieren (BR Klassik). --- Isabel Herzfeld hört eine Aufführung von Charles Mingus' "Epitaph" in Berlin (Tagesspiegel).

Phil Freeman spricht mit der Schlagzeugerin Terri Lyne Carrington über ein von ihr herausgegebenes Buch mit Kompositionen von Jazzmusikerinnen, über die Ermutigung ihrer eigenen Student:innen zum Komponieren, weil das hilft, die eigene Stimme zu entwickeln, über einige der Stücke auf ihrem jüngsten Album "New Standards", das auf ihrem Buch basiert, über ihre eigene Herangehensweise an freie Musik als Schlagzeugerin, über den Einfluss von Funk mehr als Rock in ihrer Musik, über ihre Zusammenarbeit mit dem Saxophonisten Wayne Shorter, über die Auswirkungen ihrer Arbeit in Berklee und anderswo, um das Gleichgewicht der Geschlechter im Jazz zu korrigieren, sowie über ihre eigene Vorstellung davon, wie es aussehen würde, wenn Geschlechtergerechtigkeit im Jazz kein Thema mehr wäre (Stereogum). Juana Summers (NPR) und Larry Blumenfeld (Tidal) sprechen ebenfalls mit Terri Lyne Carrington. --- Wolfgang Sandner erinnert aus Anlass seines 90sten Geburtstags an den Pianisten Don Preston (Frankfurter Allgemeine Zeitung).

Nic North berichtet über den britischen Oberrabbiner Ephraim Mirvis, der Keith Jarretts Köln Concert von 1975 als Beispiel dafür anführt, wie man mit Schwierigkeiten oder Krisen umgehen kann (The Jewish Chronicle). --- Ashley Winters spricht mit dem Saxophonisten Victor Goines über sein Engagement für den Club und die Initiative Jazz St. Louis und über seine Pläne für eine lebendige Jazzszene in St. Louis, die auf seinen Erfahrungen mit Wynton Marsalis im New Yorker Jazz at Lincoln Center aufbaut (St. Louis American).

Hank Shteamer spricht mit der 22-jährigen Saxophonistin Zoh Amba über ihr Interesse an der Hindu-Philosophie und ihre Leidenschaft für den Free Jazz, über ihre Kindheit in Kingsport, Tennessee, und darüber, wie sie durch eine Aufnahme (ein Video?) von Charlie Parker zum Jazz kam, über ihr Studium in San Francisco, das sie mit ihren Lehrern in Konflikt brachte, über Unterricht beim Saxophonisten David Murray und ihre Zugehörigkeit zur New Yorker Szene sowie über die Verbindungen zwischen ihren beiden Hauptinteressen, Religion und Musik (New York Times). --- Norbert Krampf hört die japanisch-deutsche Pianistin Aki Takase im Konzert mit ihrer neuen Band Japanic (Frankfurter Allgemeine Zeitung).

Lewis Porter spekuliert darüber, warum Jelly Roll Morton behauptete, älter zu sein als er tatsächlich war (Playback with Lewis Porter). Porter spekuliert auch über andere Einflüsse auf Eric Dolphys Stil als Charlie Parker, wobei er besonders Willie Smith und Rudy Williams hervorhebt (Playback with Lewis Porter). Und Porter vergleicht den Anfang eines Buster-Keaton-Kurzfilms aus dem Jahr 1923 mit dem Anfang von "Jammin' the Blues", dem gefeierten Film von Gijon Mili aus dem Jahr 1944, wobei er sich auf den Kamerablick auf Keatons und Lester Youngs Hut in der Anfangssequenz konzentriert (Playback with Lewis Porter). Schließlich setzt Lewis Porter seine Beschäftigung mit Miles Davis fort und konzentriert sich auf Miles' Angewohnheit, "sich über seine Pianisten zu beugen und sie um die Schultern herum von hinten zu 'umarmen', um ihnen Akkordfolgen zu zeigen". Er veranschaulicht seine Erkenntnisse mit Fotos (Gil Coggins, Horace Silver, Red Garland, Bill Evans), einem Interviewausschnitt (Chick Corea) sowie einem Tonbeispiel (John Lewis) (Playback with Lewis Porter).

Nicky Schrire setzt ihre Serie zu "Müttern im Jazz" mit Interviews fort, konkret mit der Saxophonistin Nicole Johänntgen (London Jazz News), der Sängerin Janis Siegel (London Jazz News), der chilenischen Sängerin Claudia Acuña (London Jazz News), und der schwedischen Posaunistin Karin Hammar (London Jazz News). --- Tim Nelson erinnert anlässlich seines 100sten Geburstags an Oscar Pettiford und den Einfluss des Bassisten in Minneapolis (Sahan Journal). --- Ethan Iverson ist von einem Buch fasziniert, das Partituren und Lead Sheets des kanadischen Trompeters und Komponisten Kenny Wheeler enthält (Doing the Math).

John Edward Hasse feiert den hundertsten Jahrestag der Ankunft des Jazz in Russland in einer Zeit, in der "die Bedeutung gerade dieser Musik, die von Freiheit und Individualität  handelt, wichtiger ist denn je". (Wall Street Journal). --- Cody Keenan, der als Redenschreiber unter US-Präsident Barack Obama diente, erinnert sich an den Vorschlag seines Chefs, John Coltrane als Beispiel für Flow und Miles Davis für den Einsatz von Stille zu hören (Esquire).

In einem ausführlichen Feature spricht Brett Martin mit Ben Jaffe, Tuba-Spieler, Bassist und Besitzer der Preservation Hall in New Orleans, über das Erbe des vor 60 Jahren von seinen Eltern gegründeten Clubs, über die Frage nach Privilegien und Repräsentation in der Kunst und über das Gefühl, sich als Weißer "zunehmend unwohl mit seiner Rolle als Gesicht der Preservation Hall" zu fühlen. Martin erzählt die Geschichte des legendären Spielortes, den Allan und Sandra Jaffe 1961 eröffneten, und er untersucht den anschließenden Erfolg des Clubs aus der Sicht von 2022 ("dies liest sich wie ein unausweichliches Beispiel für das, was wir heute als 'white saviorship' bezeichnen würden"). Jaffe weist darauf hin, dass er, als er den Club 1993 übernahm, feststellte, dass die Preservation Hall eher ein Museum war, dem die Verbindung zur "lebendigen Kultur von New Orleans" fehlte, und er reagiert auf Kritik sowohl an der Repräsentation als auch an der Bezahlung von Musiker:innen und Personal (New York Times). --- Eine neue Studie definiert die Schlüsselkomponenten des Swing im Jazz (Nature), und Nikk Ogasa (Science News), Evrim Yazgin (Cosmos) und Fiona Jackson (Daily Mail) fassen die Ergebnisse für Laien zusammen.

Giovanni Russonello fragt zehn Expert:innen nach ihrer Lieblingsaufnahme, wenn es darum geht, andere von ihrer Begeisterung über den Bebop zu überzeugen. Jon Faddis empfiehlt "Dizzy Atmosphere" (Charlie Parker/Dizzy Gillespie); Camille Thurman "Just Friends" (Parker); Gary Giddins "Cherokee" (Bud Powell); Natalie Weiner "You're Driving Me Crazy" (Betty Carter); Sean Jones "Evidence" (Thelonious Monk); Charles McPherson "Shaw 'Nuff" (Parker/Gillespie); Marcus J. Moore "Space Track" (Freddie Hubbard); Kenny Barron "Celia" (Powell); Melissa Aldana "April in Paris" (Parker), und Giovanni Russonello selbst "Good Bait" (Miles Davis/Tadd Dameron) (New York Times). --- Michel Schultheiss berichtet über den Club Bird's Eye in Basel, der sich in einem möglichen Urheberrechtsstreit mit seinem Gründer, dem Bassisten Stephan Kurmann, über das Logo des Clubs befindet (Telebasel).

Nachrufe

Wir erfuhren vom Ableben des Saxophonisten Pharoah Sanders im Alter von 81 Jahren (New York Times, The Guardian (1), The Guardian (2), NPR, Los Angeles Times, Vulture, NZZ, FAZ, BR Klassik), der Veranstalterin und Witwe von Charles Mingus Sue Mingus im Alter von 92 Jahren (Charles Mingus, New York Times), des Sammlers und Forschers Joe Bussard im Alter von 86 Jahren (NPR), des Bassisten Kelly Sill im Alter von 70 Jahren (The Strad), des Schlagzeugers und Jazzforschers Maurice Martinez im Alter von 88 Jahren (New Orleans Times-Picayune), des Trompeters Charlie DeVore im Alter von 89 Jahren (Star-Tribune), des ungarischen Pianisten und Komponisten Béla Szakcsi Lakatos im Alter von 79 Jahren (Budapester Zeitung), des Journalisten Arnold Jay Smith im Alter von 83 Jahren (Facebook), des Baritonsaxophonisten Ronnie Cuber im Alter von 80 Jahren (JazzWax), des Schlagzeugers Anton Fier im Alter von 66 Jahren (New York Times), sowie des Trompeters Ted Butterman im Alter von 87 Jahren (Jazz Lives, Dignity Memorial).

Aus der Welt der Jazzforschung

Columbia University Center for Jazz Studies
Kevin Fellezs wurde zum neuen Direktor des Center for Jazz Studies an der Columbia University ernannt. Eva Glasberg spricht mit Fellezs über seine Pläne für das Zentrum, darunter ein von ihm Mitte Oktober organisiertes Symposium mit dem Titel "Fusion: Remixing Jazz, Rethinking Genre in the 21st Century", ein Schwerpunkt auf asiatisch- und lateinamerikanische Beiträge zum Jazz und die Katalogisierung einer kürzlich erhaltenen Sammlung von 15.000 LPs. Fellezs spricht über seine eigene Herangehensweise an die Musikwissenschaft, über Angela Davis als akademische Beraterin und über seinen derzeitigen Forschungsschwerpunkt (Columbia University). Fellezs folgt dem Gründer des Zentrums Robert O'Meally, George E. Lewis und John Szwed als Direktor des Center for Jazz Studies. Das Jazzinstitut Darmstadt ist eng mit dem Center verbunden, seit Wolfram Knauer 2008 die Louis Armstrong Professur für Jazz Studies innehatte.

Letzte Woche im Jazzinstitut

Neue Bücher, die wir gelesen haben
Zu den Büchern, die wir in den vergangenen Wochen lasen, gehören "Steve Lacy (unfinished)", edited by
Guillaume Tarche; and "Made in Germany. Mein Leben für die Musik", by Klaus Doldinger (siehe die Rubrik "Neue Bücher" auf der Website des Jazzinstituts).

Kathrin Preis: ... and the winner is ...
Der Kathrin-Preis 2023 geht an den Bassisten Robert Lucaciu aus Leipzig. Lucaciu war und ist an zahlreichen musikalischen Projekten beteiligt, setzt sich aber auch abseits der Musik kritisch mit seiner Umwelt, mit politischen und patriarchalen Strukturen auseinander und hinterfragt dabei immer wieder seine eigene Position darin. Während seiner Residenz in Darmstadt will er mit seiner Band "Fallen Crooner" mit Humor und Ironie politische Themen wie toxische Männlichkeit, Heteronormativität oder Alltagsrassismus aufgreifen und mit einer Kulturwissenschaftlerin darüber diskutieren, welche Rolle Humor und Ironie bei der Selbstwahrnehmung der gesellschaftlichen Realität spielen können. Die Jury hob besonders hervor, wie sehr Lucaciu die von ihm vorgeschlagene Projektidee selbst lebt, sowohl in seinen musikalischen Aktivitäten als auch in seinem eigenen sozialen Engagement. Lucacius Darmstadt-Residenz findet vom 15. bis 20. Mai 2023 statt; am Abend des 20. Mai 2023 wird er den Preis im Rahmen eines Konzerts mit seiner Band "Fallen Crooner" offiziell entgegennehmen (Kathrin-Preis).

Destination Unknown: Die Zukunft des Jazz
Wir entwickeln zurzeit die Ideen für unser nächstes Darmstädter Jazzforum weiter, das vom 28. bis 30. September 2023 stattfinden wird. Inspiriert von Hartmut Geerkens Sun-Ra-Archiv, das wir letztes Jahr übernahmen, haben wir einen Sun-Ra-Titel gewählt, um sowohl die Ungewissheit als auch die Kühnheit der Musik, mit der wir uns beschäftigen, zu verdeutlichen, und die Konferenz betitelt: "Destination Unknown. Die Zukunft des Jazz".

Ein Call for Papers findet sich auf unserer Website (Destination Unknown), außerdem haben wir einen Blog begonnen, in dem wir eigene Gedanken und Diskussionen über das Thema festhalten.

Die ersten Einträge des Blogs sind überschrieben:

(1) The devil you (don't) know
(2) Spökenkiekerei

(3) Wer Visionen hat...
(4) ... unendliche Weiten ...

Wenn Sie aktiv oder passiv an der Konferenz teilnehmen möchten, lassen Sie es uns wissen. Wenn Sie Ideen für einen Vortrag oder ein Panel haben, schreiben Sie uns. Wenn Sie wissen wollen, was im Laufe der Jahre auf der Jazzforum-Konferenz passiert ist, besuchen Sie die Website unseres Verlags (Wolke Verlag, Jazz).

Briefe aus der Vergangenheit

Mit Hilfe unserer ehrenamtlichen Mitarbeiter sowie eines neuen Praktikanten digitalisieren wir zurzeit Korrespondenz aus ganz unterschiedlichen Quellen: Briefe vom und an den Hot Club Frankfurt aus dem Ende der 1940er Jahre; Briefe von und an die Deutsche Jazz Föderation aus den frühen bis Mitt-1950er Jahren; Briefe von Jazzlegenden wie Doc Cheatham, Rudy Powell, Detlev Lais, Ernst-Ludwig Petrowsky und anderen an den Jazzhistoriker Gerhard Conrad aus den frühen bis mittleren 1960er Jahren; Material, das die Arbeit des Dichters und Kritikers Wilhelm Liefland dokumentiert. Die HCF-Briefe dokumentieren eine Jazzszene von Musikern und Enthusiasten, die versuchten, sich über die aktuellen Entwicklungen in den USA auf dem Laufenden zu halten und gleichzeitig ein lebendiges Club- und Konzertleben in Frankfurt zu pflegen. Die DJF-Briefe geben Auskunft über die wirtschaftliche Situation bundesdeutscher Jazzclubs in den 1950er Jahren sowie über den ständigen Kampf mit den Finanzbehörden um die Einstufung von Jazzkonzerten als "Unterhaltung" oder "Kunst" mit entsprechenden steuerlichen Konsequenzen. Die Conrad-Briefe erzählen vom Leben und von den Sorgen der Musiker in einer Zeit, in der Jazz scheinbar seine Popularität verloren hatte. Sie geben auch einen Einblick in die Gedankenwelt eines der wichtigsten ostdeutschen Musiker (Petrowsky), als er sich stilistisch noch in der Entwicklung befand. Und das Material von Liefland dokumentiert einen Wandel im Schreiben über Jazz, das die Musik spätestens in den 1970er Jahren als Teil eines breiteren kulturellen und gesellschaftlichen Diskurses sieht. All dieses Material kann zurzeit nur im Archiv des Jazzinstituts eingesehen werden.

Aktuelle Öffnungszeiten des Jazzinstituts
Das Archiv des Jazzinstituts ist für Besucher und Nutzer nach Anmeldung geöffnet. Daneben können Sie uns weiterhin per Telefon, E-Mail oder Video-Call erreichen. Sollten Sie einen Video-Call wünschen, bitten wir Sie, dafür per e-mail einen Termin abzumachen und uns dabei bereits mitzuteilen, worum es in dem Gespräch gehen soll. Wir werden Ihnen dann einen Link für eine Webex Videosession für unser Treffen zusenden.

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