Jazz News
(aus dem Jazzinstitut Darmstadt)

22. Juli bis 4. August 2021 | Ausgabe 15/2021 (deutsch)

Wir lesen die Morgenzeitung für Sie!

Liebe Jazzfreunde,

Die Jazz News des Jazzinstituts versorgen Sie regelmäßig (zurzeit ca. alle zwei Wochen) mit Nachrichten, die wir aus der Online-Tagespresse für Sie zusammenfassen. Diese Rubrik wird auf unserer Website (www.jazzinstitut.de) täglich aktuell gehalten.

Wenn Sie an Literaturlisten zu den hier genannten Musiker:innen interessiert sind, so finden Sie etliche auf unserer Jazz-Index-Website. Der Jazz-Index ist eine bibliographische Datenbank, die kostenlos im Jazzinstitut abrufbar ist. Kontaktieren Sie uns, wenn Sie ähnliche Auszüge zu noch nicht gelisteten Musiker:innen wünschen.

Viel Vergnügen bei Ihrer Lektüre zum Jazz in der/n vergangenen Woche/n.

... in aller Kürze ...

Das US-amerikanische National Endowment for the Arts hat die 2022 NEA Jazz Masters bekanntgegeben: den Bassisten Stanley Clarke, den Schlagzeuger Billy Hart, die Sängerin Cassandra Wilson und den Saxophonisten / Kulturaktivisten Donald Harrison (National Endowment for the Arts, NPR, New York Times). --- Salahmishah Tillet spricht mit der Sängerin Ledisi darüber, wie sie erstmals eine Aufnahme über "Trouble in Mind" von Nina Simone im Radio hörte, von der sie inzwischen mehr und mehr Lieder ins eigene Repertoire übernommen hat, dokumentiert etwa in ihrem jüngsten Album "Ledisi sings Nina" (New York Times).

Ted Gioia erinnert an den Komponisten Raymond Scott, der vielleicht am bekanntesten für die Musik ist, die er für Cartoons wie Bugs Bunny, Duffy Duck oder Schweinchen Schlau geschrieben hat, der aber auch eine Bigband leitete, in der Musiker wie Ben Webster, Charlie Shavers und Cozy Cole mitwirkten, und der schließlich ein Pionier der elektronischen Musik war, die neuesten elektronischen Instrumente verwandte und einige davon sogar selbst entwickelt hatte (The Honest Broker). --- Matthew Strauss berichtet über Pläne für ein Thelonious Monk-Biopic mit Yasiin Bey (Mos' Def) in der Rolle des Pianisten und Komponisten. Die Monk-Erben haben den Film allerdings nicht freigegeben (Pitchfork), und Yasiin Bey hat klargestellt, dass er die Rolle ohne die Zustimmung der Monk-Familie nicht übernehmen will (New Music Express).

John Staton spricht mit dem Schlagzeuger Joe Chambers über sein jüngstes Album "Samba de Maracatu", über seinen Umzug nach New York im Jahr 1963, wo er schnell mit namhaften Jazzmusikern ins Studio ging, über ein Angebot des Labels Blue Note für ein eigenes Album, das er Ende der 1960er Jahre ablehnte, über einige der Stücke auf seinem jüngsten Album, über seine Vorfreude auf endlich wieder anstehende Konzerte, sowie über die Gründe, warum er sich in Wilmington, North Carolina, niederließ (Herald-Sun). --- Stephan Eppinger spricht mit dem Posaunisten Janning Trumann über ein neues Festival in Köln, über die Notwendigkeit, dass die Szene immer wieder für ihre eigene Präsenz sorgt, sowie über Gründe, warum Köln eine so besondere Jazzstadt ist (Report Köln).

Tom Peeters spricht mit dem französisch-libanesischen Trompeter Ibrahim Maalouf darüber, wie sein Vater 1960 nach Frankreich kam, von einer Karriere als professioneller Trompeter träumte, bei Maurice André Unterricht nahm und dann eine Trompete mit einem vierten Ventil entwickelte, auf dem man die Vierteltöne spielen konnte, die die arabische Musik prägen, darüber, über den vehemente Einspruch, den sein Vater anfangs gegen die Crossover-Projekte seines Sohns erhob, sowie darüber, dass er selbst sich nie wirklich als Jazzmusiker sah, bis ihn Wynton Marsalis während eines Konzerts in Marciac quasi als einen solchen adoptierte (Tijd). --- Andreas Schäfler erinnert an Louis Sclavis und die französische Musikerinitiative ARFI und ihr Konzept einer folklore imaginaire (imaginären Folklore), eine, wie er findet, immer noch spannende Idee, die sich in etlichen aktuellen Projekten wiederfindet, etwa der "Musik für Flugräder" von Micha Acher (Neue Zürcher Zeitung).

Lewis Porter entdeckt faktische Fehler im Film "The United States vs. Billie Holiday" (Jazz Times). --- Julia Martin berichtet über die Schließung des Trumpets Jazzclub in Montclair, New Jersey (North Jersey). --- Scott Haas spricht mit dem Sänger Allan Harris (Bay State Banner). --- Kailyn Brown spricht mit der Sängerin Nnenna Freelon (Essence). --- Pamela Espeland spricht mit dem Trompeter Steve Kenny über die Panemie, die ihn nicht zerstört, sondern nur noch stärker gemacht habe (MinnPost). --- Daniel Henschke spricht mit der Musikwissenschaftlerin Ilse Storb (Stadtspiegel Essen). --- Keith Spera berichtet über das Satchmo Summerfest in New Orleans (New Orleans Times-Picayune). --- Ted Gioia erinnert an die verstorbene Schlagzeugerin und Historikerin Layne Richmond (The Honest Broker). --- Jakob Buhre spricht mit dem Pianisten Uri Caine (Concerti).

Nachrufe

Wir erfuhren vom Ableben des Schlagzeugers Jerry Granelli im Alter von 80 Jahren (Saltwire, Seattle Times), des britischen Pianisten Nicolas Cottis im Alter von 87 Jahren (The Guardian), des früheren Down-Beat-Chefredakteurs Don Gold im Alter von 90 Jahren (Down Beat), des Gitarristen John Hutchinson (New Music Express), des Saxophonisten Jimmy Ellis im Alter von 91 Jahren (Facebook: Lauren Deutsch), des Organisten Klaus Göbel im Alter von 79 Jahren (Trauer Rhein-Main), des schottischen Pianisten Tom Finlay im Alter von 82 Jahren (The Scotsman), des Sängers Johnny Ventura im Alter von 81 Jahren (Rolling Stone), des Sängers und Trompeters Richard Merlo im Alter von 79 Jahren (The Buffalo News), des Jazzhistorikers Don Marquis im Alter von 88 Jahren (New Orleans Times-Picayune, OffBeat), des Spoken-Word-Künstlers Calvin Gantt (Facebook: Nicole Mitchell), des Trompeters Joey Morant im Alter von 82 Jahren (Charleston Post and Courier), des polnischen Saxophonisten Jerzy Matuszkiewicz im Alter von 93 Jahren (Kultura Gazeta), des Schlagzeugers Charles Connor im Alter von 86 Jahren (AP News), des Schlagzeugers Chuck E. Weiss im Alter von 76 Jahren (New York Times), sowie des Schlagzeugers Michael Stamm im Alter von 73 Jahren (DarieNite).

Letzte Woche im Jazzinstitut

Neue Bücher, die wir gelesen haben
Zu den Büchern, die wir in den vergangenen Wochen lasen, gehörte: "John Tchicai. A Chaos with Some Kind of Order", von Margriet Naber (siehe die Rubrik "Neue Bücher" auf der Website des Jazzinstituts).

Sun Ra Archiv
Das Jazzinstitut Darmstadt hat das Sun Ra-Archiv des Schriftstellers, Musikers, Kulturkoordinators und Forschers Hartmut Geerken übernommen. Es handelt sich um das weltweit umfassendste Privatarchiv zu Leben und Werk des US-amerikanischen Free-Jazz-Pioniers und Vordenkers des Afrofuturismus. Die Sammlung umfasst Bandmitschnitte von knapp 500 bislang unveröffentlichten Konzerten, Interviews und Proben des Sun Ra Arkestra, Filmaufnahmen auf über 70 Videobändern bzw. DVDs, das gesamte dichterische Œuvre Sun Ras, zum Teil mit eigenhändigen Korrekturen, 1.200 Fotos, ein umfassendes Archiv an Sekundärliteratur, Korrespondenz mit führenden Sun Ra-Forschern sowie mit Sun Ra selbst, die Geerken für seine umfangreichen Bücher "Omniverse Sun Ra" und "The Immeasurable Equation" verwandte, und vieles mehr. "Hartmut Geerkens Sun Ra-Archiv ist eine großartige und wichtige Ergänzung der Sammlung des Jazzinstituts", erklärt Oberbürgermeister und Kulturdezernent Jochen Partsch. "Sun Ra war ein Vorreiter des Black Power-Movement der 1960er Jahre und damit auch der Black Lives Matter-Bewegung unserer Zeit. Die Sammlung Geerkens, der Sun Ra persönlich kannte und mit vielen Musikern seines Arkestra befreundet war, dokumentiert, wie Sun Ra den Afrofuturismus vorausgedacht hat, der in den 1970er Jahren in der Musik George Clintons nachhallte und ab den 1980er Jahren Teil des internationalen kulturkritischen Diskurses wurde." Das Sun Ra-Archiv wird andere Spezialsammlungen des Jazzinstituts ergänzen, etwa jene des Berliner Free-Jazz-Labels FMP. Geerken selbst zeigt sich beglückt, dass seine Sammlung ausgerechnet in Darmstadt ihren Platz gefunden hat. Eine Rundfunksendung des Jazzexperten Joachim Ernst Berendts, dessen Nachlass den Grundstock des Archivs im Jazzinstitut bildet, habe ihn Anfang der 1960er Jahre auf Sun Ra aufmerksam gemacht, erzählt er. Im historischen Bessunger Kavaliershaus wird die Sammlung nun Kiste für Kiste gesichtet. Sun Ra interessiert nicht nur Musikhistoriker:innen, betont Wolfram Knauer, Direktor des Jazzinstituts, sondern insbesondere auch junge Musiker:innen, die von den gelebten Visionen des Bandleaders und Komponisten fasziniert sind. "Schon in den 1950er Jahren gelang es ihm Tradition und Avantgarde miteinander zu verbinden", erklärt Knauer. Seine Wurzeln hatte Ra in der Bigbandmusik der Swingära, wurde aber schnell zu einem der Vordenker freierer Wege im Jazz. Die teilweise stundenlangen Konzerte seines Arkestra und die Besinnung auf alte afrikanische Rituale lebten von den bunten Kostümen, von der Performance, in die immer auch das Publikum mit eingebunden wurde, und von den mitreißenden Hymnen, die zwischen freien Improvisationen und swingenden Arrangements erklangen. Nicht zuletzt war Ra auch ein Pionier der elektronischen Musik, setzte als einer der ersten Musiker den Moog-Synthesizer für Live-Konzerte ein. Und 1986 traf er – noch ein Darmstadt-Bezug – bei einem gemeinsamen Konzert in New York auf den Vordenker Neuer Musik John Cage. "Space is the Place" hieß eine der nachhallenden Hymnen, die das Arkestra in seinen Konzerten sang. Das Darmstädter Jazzinstitut hat nun "space" freigeräumt in seinen Regalen, um Platz zu schaffen für die Dokumente über eine der schillerndsten und herausragendsten Figuren afro-amerikanischer Musik.

30. Darmstädter Jazz Conceptions + Openair-Konzerte
Endlich wieder Livemusik! Wie alle anderen Veranstalter mussten auch wir die meisten der Konzerte seit Beginn der Pandemie absagen, darunter unseren jährlichen Sommerworkshop, die Jazz Conceptions. Der Neubeginn in diesem Sommer wurde sorgfältig geplant, mit weniger Teilnehmer:innen, größeren Proberäumen, Openair-Sessions, und es wurde eine fröhliche und musikalisch äußerst befriedigende Angelegenheit. Glücklicherweise spielte auch das Wetter mit: Alle Sessions konnten wie geplant draußen stattfinden, und die beiden Abschlusskonzerte im Hof der Bessunger Knabenschule fanden ein gut gelauntes Publikum, das glücklich war, endlich wieder Livemusik hören zu können. Zugleich hat auch der Förderverein Jazz in Darmstadt seine Freiluftkonzerte direkt vor dem Jazzinstitut begonnen, wo erst eine Allstar-Band aus den Reihen des Vereins auftrat (Outline '21) und dann das Quintett Quinsch der Querflötistin Stephanie Wagner. Ach, wie wir die wunderbaren Klänge der Livemusik vermisst haben!

17. Darmstädter Jazzforum
Unser alle zwei Jahre stattfindendes Darmstädter Jazzforum ist inzwischen fest geplant. Pandemiebedingt weichen wir für die Konferenz diesmal ins HoffART Theater in Darmstadt aus, wo Sie entweder persönlich vorbeischauen oder sich online einwählen können. Sollten Sie einen Besuch beim Jazzforum planen, bitten wir Sie allerdings vorab um Nachricht – dieses Mal müssen sich alle Besucher vor der Veranstaltung registrieren. Die Konferenz findet vom 30. September (nachmittags) bis zum 2. Oktober 2021 statt und wird die Kluft zwischen Offenheit und Marginalisierung insbesondere in der deutschen Jazzszene zum Thema haben. Auf unserer Website findet sich ein kurzer Überblick über die drei Tage, aber auch die ausführlicheren Abstracts der Vorträge und Themen der Panel-Diskussionen. Musik gibt's natürlich auch: Die Saxophonistin Luise Volkmann wird am 1. Oktober in der Bessunger Knabenschule den Kathrin-Preis entgegennehmen und mit ihrer neuen LEONEsauvage-Besetzung auftreten, die sich im April in Darmstadt gebildet hat. Ab dem 4. September ist außerdem in der Galerie des Jazzinstituts eine Ausstellung mit Plakaten des Schweizer Grafikers und Konzertveranstalters Niklaus Troxler zu sehen - der übrigens bei der Konferenz mit dabei sein und über den Zusammenhang seiner Kunst mit der erlebten Musik berichten wird.

Ferienkurse für Neue Musik
Darmstadt ist natürlich eine Jazzstadt, daneben aber seit langem genauso eine Stadt der zeitgenössischen Komposition. Was dieser Tage während der Ferienkurse für Neue Musik zu erleben ist, die von letztem Jahr auf dieses verlegt wurden und am vergangenen Samstag mit Musik von Malin Bång, Brigitta Muntendorf, Olga Neuwirth und Alvin Singleton begannen (Ferienkurse für Neue Musik).

Weltkulturerbe
Neben der Musik ist Darmstadt bekannt als Zentrum des Jugendstils, der insbesondere auf der Mathildenhöhe präsent ist, wo zwischen 1901 und 1914 mehrere Bauausstellungen die Architektur- und Designgeschichte prägten und eine Art Brücke zwischen der Kunst des 19. Und der Moderne des 20sten Jahrhunderts schufen. Die Mathildenhöhe wurde jetzt zum UNESCO Weltkulturerbe ernannt (UNESCO). Wenn Sie also das nächste Mal das Jazzinstitut besuchen, planen Sie ein paar zusätzliche Tage für die Mathildenhöhe mit ein.

Aktuelle Öffnungszeiten des Jazzinstituts
Das Archiv des Jazzinstituts ist für Besucher und Nutzer nur auf Anmeldung geöffnet. Dafür werden wir Recherche-Slots mit genauen zeitlichen Vorgaben für jeweils immer nur eine/n Besucher/in zur Zeit vergeben. Daneben können Sie uns weiterhin per Telefon, E-Mail oder Video-Call erreichen. Sollten Sie einen Video-Call wünschen, bitten wir Sie, dafür per e-mail einen Termin abzumachen und uns dabei bereits mitzuteilen, worum es in dem Gespräch gehen soll. Wir werden Ihnen dann einen Link für eine Webex Videosession für unser Treffen zusenden.

Urlaub!
Der Autor dieses Newsletters nimmt sich ein paar Wochen frei, so dass die nächste Ausgabe der JazzNews erst Anfang bis Mitte September erscheinen wird.

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