(aus dem Jazzinstitut Darmstadt)

4. bis 17. November 2021 | Ausgabe 21/2021 (deutsch)

Wir lesen die Morgenzeitung für Sie!

Liebe Jazzfreunde,

Die Jazz News des Jazzinstituts versorgen Sie regelmäßig (zurzeit ca. alle zwei Wochen) mit Nachrichten, die wir aus der Online-Tagespresse für Sie zusammenfassen. Diese Rubrik wird auf unserer Website (www.jazzinstitut.de) täglich aktuell gehalten.

Wenn Sie an Literaturlisten zu den hier genannten Musiker:innen interessiert sind, so finden Sie etliche auf unserer Jazz-Index-Website. Der Jazz-Index ist eine bibliographische Datenbank, die kostenlos im Jazzinstitut abrufbar ist. Kontaktieren Sie uns, wenn Sie ähnliche Auszüge zu noch nicht gelisteten Musiker:innen wünschen.

Viel Vergnügen bei Ihrer Lektüre zum Jazz in der/n vergangenen Woche/n.

... in aller Kürze ...

Giovanni Russonello spricht mit der Bassistin, Sängerin und Komponistin Esperanza Spalding und dem Saxophonisten und Komponisten Wayne Shorter über ihre Oper "Iphigenia", über die Zusammenarbeit, für die sich Spalding ein ganzes Jahr von ihrer Lehrtätigkeit an der Harvard University frei nahm, sowie über die Entscheidung, für das Projekt eine eigene Operntruppe zu gründen, die unter anderem vom Architekten Frank Gehry unterstützt wird, der auch das Bühnenbild entwarf. Shorter war kurzfristig in Gehrys leerstehendes Haus gezogen, nachdem bei seinem eigenen Schimmelbefall festgestellt worden war, weiß Russonello und erfährt außerdem, dass der ganze Kompositionsprozess Shorters angeschlagener Gesundheit gut getan habe. "Iphigenia" wird dieser Tage in Boston uraufgeführt; weitere Vorstellungen sind in Washington, Berkeley und Los Angeles geplant (New York Times). Jay N. Miller (The Patriot-Ledger) und Andrea Shea (NPR) berichten ebenfalls über Wayne Shorters und Esperanza Spaldings neue Oper.

Oliver Hochkeppel spricht mit dem Schlagzeuger Wolfgang Haffner über einige der Projekte, bei denen er mitwirkt, über sein Trio und die Auswahl der Musiker (Randy Brecker, Bill Evans, Christopher Dell) für die Dream Band, mit der er gerade auf Tournee ist, über seine Entscheidung, nach acht Jahren auf Ibiza wieder zurück nach Deutschland zu ziehen, sowie über die Anfänge seiner Karriere in den frühen 1980er Jahren in München (Süddeutsche Zeitung). Michael Schleicher spricht ebenfalls mit Wolfgang Haffner (Münchner Merkur). --- Maxi Broecking spricht mit dem Schlagzeuger Han Bennink über seine Abneigung gegen den Begriff "Free Jazz" (er bevorzugt "improvisierte Musik"), darüber, wie viel angenehmer es sei, nur mit Stöcken und einer Snare-Drum zu reisen, über das ICP Orchestra, das er 1967 als Kollektiv mitgründete, über nationale Unterschiede in der improvisierten Musik der 1960er und 1970er Jahre, sowie über seine Verbundenheit zur Neo-Dada- und Fluxus-Bewegung jener Zeit (die tageszeitung).

Ben Ratliff hört sich die Liveaufnahmen des Saxophonisten John Coltrane an, die dieser zwischen 4. Oktober und 5. November 1961 im Village Vanguard gemacht hatte, und sieht sie als Beleg, dass Tranes Musik "die Arbeit einer Band ist, in der der Prozess das Produkt verwischt und die Kraft des Bandleaders hinter jener des Ensembles verschwindet", dann setzt er das alles in Verbindung zu anderen musikalischen wie nicht-musikalischen Ereignissen des Jahres 1961, und schlussfolgert, dass vielleicht Jazzmusiker "diese ambivalenten Möglichkeiten jener Zeit besser ausloten konnten als jeder sonst. (...) Es war nicht klar, wohin die Musik sich entwickeln würde, aber gewisse Musiker wussten, dass diese Situation eher ein Vorhandensein [von Möglichkeiten] darstellte als einen Mangel solcher" (Washington Post). --- Jem Aswad berichtet über John Coltranes Album "A Love Supreme", das gerade Platin-Status erlangt hat; eine Plakette wurde Tranes Sohn und Tochter, Ravi und Michelle Coltrane bei einer Feier im John & Alice Coltrane Home in Dix Hills, Long Island, überreicht (Variety).

Der Trompeter Irvin Mayfield und sein früherer Geschäftspartner Ronald Markham wurden zu jeweils 18 Monaten Gefängnis verurteilt, weil sie "mehr als 1,3 Millionen Dollar aus der New Orleans Public Library Foundation in ihr eigenes Konto umlenkten, größtenteils auf dem Umweg über das New Orleans Jazz Orchestra, das Mayfield gegründet hatte" (NPR). --- Reinhard Köchl spricht mit dem Bassisten Eberhard Weber über dessen jüngstes Album mit dem Titel "Once Upon a Time",  das er ursprünglich "Last Stroke" nennen und damit auf den Schlaganfall verweisen wollte, den er 2007 erlitt und nach dem er nicht mehr spielen konnte, darüber, dass er jetzt keine weiteren Releases bislang unveröffentlichter Aufnahmen mehr plane, darüber, dass er nicht wirklich nach einem eigenen Sound gesucht, diesen stattdessen eher durch Zufall und Experimentieren gefunden habe, sowie über die Probleme, die seine Behinderung im Alltag mit sich bringt (Die Zeit).

Mike Hobart spricht mit dem britischen Pianisten und Komponisten Mike Westbrook über Gedichte William Blakes, die er gerade vertont hat, über seine Entwicklung als Komponist, sowie darüber, dass er "immer besser darin [werde], mit wenigen Ressourcen kreativ zu arbeiten" (Financial Times). --- Elizabeth Aubrey spricht mit dem Sänger Gregory Porter darüber, dass er vom Gesangstalent seines Vaters erst bei dessen Begräbnis erfuhr, über die Ermutigung seiner Mutter für die von ihm eingeschlagene Karriere, über den Verlust seines Bruders und mehrerer engen Freunde durch Covid-19, über den Rassismus damals und heute, sowie über seine Fähigkeit, das Negative in Positives zu verwandeln, die daher komme, dass er "Lösungen für all die Dunkelheit, Lösungen für die Einsamkeit, die ich erfahren und durchgestanden habe", erinnere (The Independent).

Concord Records hat in einer Pressemeldung eine virtuelle Kooperation zwischen den Saxophonisten Stan Getz und Kenny G angekündigt. Ted Gioia ist perplex, erinnert sich daran, den 1991 verstorbenen Getz regelmäßig getroffen zu haben, als sie sich an der Stanford University ein Büro teilten, und bezweifelt, dass Getz mit dem Projekt einverstanden gewesen wäre. Was wir zu erwarten haben, erklärt er, ist nicht weniger als ein Duett zwischen Kenny G und Stan Getz, bei dem "wie die Ankündigung betont, der Track auf einem 'Sample an Tönen basiere, aus denen eine neue Melodie zusammengebastelt wurde, die Stan zuvor nie gespielt hatte". Gioia nennt das alles "wahrlich eine Art Frankenstein-Konzept, zusammengenäht aus diesem und jenem" (The Honest Broker). Auch Andrian Kreye berichtet über die Geschichte und findet, es handle sich dabei um einen Fall von "Störung der Totenruhe" (Süddeutsche Zeitung). --- Brian Blueskye spricht mit dem Saxophonisten Kamasi Washington darüber, wie wichtig es ist gerade diese Art von Musik live zu spielen, über einige seiner Vorbilder, über seinen kreativen Prozess, über Wandel in Technologie und Musik, sowie über Genre-Labels, die vielleicht "gut sind, um Playlists zusammenzustellen", die er für sich selbst aber ablehnt, weil er nicht "in irgendeine Schublade gesteckt werden" wolle (The Desert Sun).

Amanda Kuyper spricht mit Trompeter Theo Croker (NRC). --- Eric Volmers spricht mit der in Nigeria geborenen Saxophonistin Perpetual Awele Nwaefido alias Perpie (Calgary Herald). --- Marc Myers spricht mit dem Schlagzeuger  Joe LaBarbera über seine Zeit im letzten Bill Evans Trio der späten 1970er Jahre (JazzWax). --- Sandy Kenyon berichtet über das Haus in New Jersey, in dem der Sänger Paul Robeson seine Kindheit verbrachte, und das jetzt restauriert werden soll (ABC Eyewitness News). --- Sam Kemp erinnert an die Sängerin und Tänzerin Josephine Baker (Far Out Magazine). --- Kathya Alexander erinnert an die Sängerin Ernestine Anderson (South Seattle Emerald). --- Peter Hum spricht mit der kanadischen Klarinettistin Virginia MacDonald (Ottawa Citizen). --- Raquel Rodriguez spricht mit der indischen Pianistin Charu Suri (Scroll In).

Nachrufe

Wir erfuhren vom Ableben des französischen Pianisten Hubert Degex im Alter von 92 Jahren (Courrier Picard), der Sängerin/Songwriterin Margo Guryan im Alter von 84 Jahren (Buzzbands), des Pianisten Friedbert Diels im Alter von 85 Jahren (Kölner Stadt-Anzeiger), des Banjospielers Ken Salvo im Alter von 74 Jahren (The Syncopated Times), des Trompeters Dan Zeilinger (The Syncopated Times), der Publizistin Judy Bell (New York Times), sowie des Flötisten Lloyd McNeil im Alter von 86 Jahren (New York Times).

Aus der Welt der Jazzforschung

Henry Grimes-Papiere
Die New York Public Library hat eine Suchhilfe online gestellt, mithilfe derer man einen Überblick über die Sammlung des Kontrabassisten Henry Grimes erhält, die dieser 2019 der Archives & Manuscripts-Abteilung der NYPL vermacht hatte (Henry Grimes papers).

Letzte Woche im Jazzinstitut

Sun Ra Archive (Forschungssammlung)
Neben der täglichen Arbeit widmen wir uns dieser Tage besonders dem Sun Ra Archive, das wir im Sommer aus den Händen des kürzlich verstorbenen Sun Ra-Experten Hartmut Geerken erhielten. Geerken war sehr genau bei der Sortierung seines Materials; wir planen daher die sinnvolle physische Ordnung seines Archivs zu erhalten. Bislang haben wir eine Kiste voller Kompositionen und Leadsheets gesichtet und digitalisiert; eine weiter Kiste mit Korrespondenz zwischen Geerken und anderen Ra-Experten, mit Kopien der Korrespondenz, die Sonny Blount 1942-43 aus dem Gefängnis führte, sowie mit allen Ausgaben des "Sun Ra Research"-Newsletters; eine Kiste mit wissenschaftlichen Arbeiten über Sun Ra; sowie eine ganze Reihe an Plakaten und großformatigen Flyern. Aktuell arbeitet einer unserer ehrenamtlichen Mitarbeiter, der zugleich Videofachmann ist, an der Digitalisierung der Filme in Geerkens Besitz; zugleich scannen wir Teile seiner Fotosammlung und zahlreiche von Sun Ra verfasste Gedichte. Vier Kisten sind fertig, drei in Arbeit, noch 36 vor uns. Wir hoffen vielleicht Mitte nächsten Jahres eine Suchhilfe online zu setzen. Einsehen können Sie das Material übrigens nur vor Ort; wir digitalisieren für eine vereinfachte Nutzung, werden das Archiv aber nicht online veröffentlichen.

Konzerte
Vor etwas über einen Monat hat der Förderverein Jazz begonnen wieder Konzerte im Gewölbekeller unterm Jazzinstitut zu organisieren. Der aktuellen Situation angemessen müssen Besucher einen Nachweis der vollständigen Impfung oder Genesung von Covid-19 vorlegen (2G-Regel). An diesem Sonntag ist das Jazzinstitut Mitveranstalter eines Konzerts des israelischen Pianisten Itay Dvori in der Centralstation Darmstadt. Dieser verbindet in seiner Performance Musik mit Graphic Novels. Sein Darmstädter Programm ist Teil der Feierlichkeiten zu "1700 Jahre jüdisches Leben" in Deutschland (Centralstation Darmstadt). Ende November werden im Gewölbekeller des Jazzinstituts der Kontrabassist Matthias Bauer und der Klarinettist Floros Floridis zu Gast sein (Jazzkalender Darmstadt)

Jazz und Politik
Wolfram Knauer wird am kommenden Mittwoch, den 24. November, an der Hochschule für Musik der Johannes Gutenberg Universität das Mainzer Jazzgespräch unter dem Titel "RechtsRock, LinksJazz – Wie politisch ist Musik?" moderieren. Auf dem Podium sitzen Thorsten Hindrichs, Musikwissenschaftler aus Mainz, der sich neben vielen anderen Themen intensiv mit dem Phänomen des RechtsRock auseinandergesetzt hat, der Kölner Kontrabassist Sebastian Gramss, dessen jüngste Projekte vermehrt politische Diskurse aufgreifen und das Publikum im Anschluss an die Konzerte auch zur Diskussion auffordern, und die Saxophonistin Sofia Will, die in an der Mainzer Hochschule studiert und sich dabei sehr bewusst mit politischen Belangen befasst, die sie als Musikerin selbst betreffen. Die beiden Musiker:innen werden zusammen mit Studierenden der Hochschule auch live zu erleben sein. Die Veranstaltung ist öffentlich und findet unter 3G-Regeln statt: geimpft, genesen oder getestet (Hochschule für Musik Mainz).

Niklaus Troxler: Jazzgeschichten in Rot und Blau
Das Gespräch mit dem Schweizer Grafiker und Veranstalter Niklaus Troxler beim Darmstädter Jazzforum Anfang Oktober ist mittlerweile Teil der Ausstellung in der Galerie des Jazzinstituts, in der darüber hinaus zahlreiche Plakate des Künstlers zu sehen sind. Kommen Sie selbst und schauen Sie sich die Ausstellung während unserer regulären Öffnungszeiten an, stellen Sie aber sicher, sich vorab anzumelden (siehe unten).

Aktuelle Öffnungszeiten des Jazzinstituts
Das Archiv des Jazzinstituts ist für Besucher und Nutzer nur auf Anmeldung geöffnet. Dafür werden wir Recherche-Slots mit genauen zeitlichen Vorgaben für jeweils immer nur eine/n Besucher/in zur Zeit vergeben. Bitte beachten Sie, dass wir für Ihren Besuch einen Nachweis über Ihren Impf- oder Genesenen-Status benötigen (2G-Regel). Daneben können Sie uns weiterhin per Telefon, E-Mail oder Video-Call erreichen. Sollten Sie einen Video-Call wünschen, bitten wir Sie, dafür per e-mail einen Termin abzumachen und uns dabei bereits mitzuteilen, worum es in dem Gespräch gehen soll. Wir werden Ihnen dann einen Link für eine Webex Videosession für unser Treffen zusenden.

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