(aus dem Jazzinstitut Darmstadt)
13. bis 26. Januar 2022 | Ausgabe 02/2022 (deutsch)

Wir lesen die Morgenzeitung für Sie!

Liebe Jazzfreunde,

Die Jazz News des Jazzinstituts versorgen Sie regelmäßig (zurzeit ca. alle zwei Wochen) mit Nachrichten, die wir aus der Online-Tagespresse für Sie zusammenfassen. Diese Rubrik wird auf unserer Website (www.jazzinstitut.de) täglich aktuell gehalten.

Wenn Sie an Literaturlisten zu den hier genannten Musiker:innen interessiert sind, so finden Sie etliche auf unserer Jazz-Index-Website. Der Jazz-Index ist eine bibliographische Datenbank, die kostenlos im Jazzinstitut abrufbar ist. Kontaktieren Sie uns, wenn Sie ähnliche Auszüge zu noch nicht gelisteten Musiker:innen wünschen.

Viel Vergnügen bei Ihrer Lektüre zum Jazz in der/n vergangenen Woche/n.

... in aller Kürze ...

John Fordham spricht mit dem Saxophonisten Sonny Rollins über einige der Gründe, warum er sich zurückzog und zwischen Sommer 1959 und Herbst 1961 regelmäßig auf der New Yorker Williamsburg Bridge übte: zum einen die Unzufriedenheit mit seiner musikalischen Entwicklung, zum anderen eine werdende Mutter in der Nachbarwohnung, die er nicht stören wollte. Rollins spricht davon, dass er bei jedem Wetter 14 bis 15 Stunden am Stück spielte, und er berichtet von der spirituellen Erfahrung, "dem Himmel dort oben so nahe zu sein, egal zu welcher Jahreszeit". Fordham beschreibt die Veränderungen in Rollins' Spiel nach seiner Rückkehr in die Jazzszene und spricht mit Rollins darüber, dass er aus gesundheitlichen Gründen mit dem Saxophonspiel aufhören musste, sowie über die spirituelle Kraft, die er in vielen Musikern sah, ungeachtet der menschlichen Fehler, die sie vielleicht gehabt haben mögen (The Guardian). --- Nate Chinen spricht mit dem Saxophonisten Tony Malaby über die Auswirkungen seiner Covid-Infektion im März 2020 und darüber, wie er seine Lungenkraft wiedererlangte, indem er unter einer Überführung des New Jersey Turnpike übte (nicht unähnlich dem berühmten Übungsplatz von Sonny Rollins), was schließlich zu fünf Bandcamp-Veröffentlichungen führte, den "Turnpike Diaries" (NPR).

Tammy La Gorce spricht mit Alina Bloomgarden, die die gemeinnützige Organisation "Music on the Inside" ins Leben gerufen hat, die Jazzkünstler mit inhaftierten Menschen für Unterricht, Konzerte und Mentoring zusammenbringt, über die Quelle ihrer Idee (Louis Armstrong), über den Erfolg ihres Programms und darüber, wie sie ihre Sonntage in New York City verbringt (New York Times). --- Dean Van Nguyen blickt auf die Jazzgeschichte Japans zurück und spricht mit Tony Higgins, dem Ko-Kurator der J Jazz-Reihe, mit den Saxophonisten Koichi Matsukaze und Kohsuke Mine sowie der Witwe des Pianisten Ryo Fukui. Er erinnert an die Pianistin Toshiko Akiyoshi, die Japan in Richtung USA verließ, nachdem sie 1952 von Oscar Peterson entdeckt worden war, und erfährt, wie das Internet dazu beigetragen hat, ein neues Interesse an der japanischen Jazzgeschichte zu wecken (The Guardian).

Abbey Maclure spricht mit der britischen Trompeterin Emma Jean Thackray darüber, wie sie zur Musik kam, über ihr Studium am Royal Welsh College of Music and Drama, über den Versuch, sich in ihrer Musik auszudrücken und über ihr Mantra "move the body, move the mind, move the soul". Thackray spricht auch darüber, dass sie sich während der Pandemie früh mit Covid infizierte und sechs Monate lang nicht singen konnte (Yorkshire Evening Post). --- Chris Searle spricht mit dem Saxophonisten Javon Jackson über sein neuestes Album "The Gospel According to Nikki Giovanni", eine Sammlung von Spirituals, die die Dichterin und Bürgerrechtlerin ausgewählt hat, sowie über die Bedeutung von Spirituals für Afroamerikaner heute (Morning Star for Peace and Socialism)

Ted Gioia erzählt die Geschichte des 1959 erschienenen Albums "The Discovery of Buck Hammer", das sich als Hoax entpuppte, den der TV-Star und Jazzfan/Pianist Steve Allen inszeniert hatte (The Honest Broker). --- Jeff Tamarkin spricht mit dem Schlagzeuger Makaya McCraven über seine Neugier, die ihn zu seiner Arbeit inspiriert, sowie über sein jüngstes Projekt "Deciphering the Message", das mit Samples aus dem Katalog des Blue-Note-Labels arbeitet und mit dem er deutlich machen will, "dass diese Musik von jungen Menschen gemacht wurde" (Relix).

Jason Fraley spricht mit dem Saxophonisten Branford Marsalis über sein Stammpublikum, über Musik in der Familie, darüber, dass er als Kind Trompete spielen wollte wie sein Bruder Wynton, sein Vater ihm stattdessen aber eine Klarinette in die Hand drückte, über Tourneen mit einigen der großen Namen des Jazz in den 1980er Jahren, die ihm bei seiner Entwicklung als Musiker halfen, über die Arbeit mit Sting und Public Enemy, über die Band der "Tonight Show" in den frühen 1990er Jahren sowie über einen Jazz Master Award, den er 2011 zusammen mit Wynton und seinem Vater Ellis erhielt (WTOP News). --- Anlässlich des 100. Geburtstags des Bassisten Charles Mingus spricht Peter Larsen mit Eric Mingus über die Wurzeln seines Vaters in Los Angeles, seinen Einfluss auf Eric als Musiker und darüber, wie er ihm im Alter von 7 oder 8 Jahren sein erstes Cello kaufte, sowie darüber, dass er mit am Tisch saß, als sein Vater und Joni Mitchell das Album "Mingus" diskutierten. Larsen spricht außerdem mit dem Saxophonisten Charles McPherson darüber, wie er von Mingus angeheuert wurde und wie er den Bassisten als eine Mischung sieht aus "Jimmy Blanton, einer Menge Duke Ellington, einer wirklich guten Dosis Charlie Parker und den Beboppern und natürlich der westlichen klassischen Musik und Tradition" (Orange County Register).

David Hammer berichtet über den Trompeter Irvin Mayfield, der sich in Florida in ein Bundesgefängnis zur Verbüßung einer 18-monatigen Haftstrafe begab, zu der er wegen Diebstahls von 1,3 Millionen Dollar von der New Orleans Public Library Foundation verurteilt wurde (New Orleans Times-Picayune). --- Ted Gioia liest Bill Milkowskis neues Buch über den Saxophonisten Michael Brecker und fragt sich, warum Brecker, der unter Musikerkollegen als Held gilt, von den Kritikern weitgehend vernachlässigt wurde (The Honest Broker). --- Rich Tupica spricht mit dem Gitarristen Elden Kelly über den Einfluss von Keith Jarretts Soloalbum "La Scala" von 1997 auf seinen Stil (Lansing City Pulse). --- Jürgen Helfricht spricht mit dem Pianisten Manfred Kugler über seine Notensammlung, die er verschenken will (Bild). --- Michael Brüning feiert den Tonmeister Wolfgang Hirschmann anlässlich seines 85. Geburtstags (JazzZeitung). --- John Edward Hasse erinnert 50 Jahre nach der Aufnahme an Aretha Franklins Album "Amazing Grace". (Wall Street Journal). --- Rich Pelley spricht mit dem Sänger Gregory Porter darüber, wie er seine Sonntage verbringt (The Guardian)­. --- Jon Solomon spricht mit dem Pianisten Marcus Roberts (Westword). --- Melanie Nagy und Tom Yun berichten über eine von der kanadischen Post herausgegebene Briefmarke zu Ehren der 102-jährigen Sängerin Eleanor Collins (News Channel 3).

Nachrufe

Wir erfuhren vom Ableben des Vibraphonisten Khan Jamal im Alter von 75 Jahren (WBGO), des belgischen Pianisten Fred van Hove im Alter von 84 Jahren (Taylor Daily Press), des Saxophonisten Rev. Willis Hickerson Jr. im Alter von 89 Jahren (Charlotte Observer), des Veranstalters Charlie Herschbach im Alter von 62 Jahren (Kris 6 News), des Sängers Marty Roberts im Alter von 89 Jahren (Los Angeles Times), des Perkussionisten Badal Roy im Alter von 77 Jahren (Scroll.In, NPR, New York Times) der brasilianischen Sängerin Elza Soares im Alter von 91 Jahren (Deutschlandfunk), des Schlagzeugers Montez Coleman im Alter von 48 Jahren (St. Louis Post-Dispatch), des Plattenladen-Betreibers Ezell Cooper im Alter von 89 Jahren (Chicago Sun-Times), der Pianistin Beegie Adair im Alter von 84 Jahren (WHU Herald), des Saxophonisten Emil Mangelsdorff im Alter von 96 Jahren (Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurter Rundschau, Süddeutsche Zeitung, Journal Frankfurt), sowie des Kritikers und Autors Terry Teachout im Alter von 65 Jahren (Wall Street Journal, Do the Math, The Honest Broker, NPR, JazzWax, Jazz Journalists Association).

Aus der Welt der Jazzforschung

Der Komponist, Posaunist und Musikwissenschaftler George E. Lewis ist zum Mitglied der Akademie der Künste Berlin gewählt worden (Akademie der Künste); seine jüngste Komposition wird Anfang Februar im Sprengel Museum in Hannover uraufgeführt (Das Neue Ensemble).

Letzte Woche im Jazzinstitut

Ronny Graupe + Nicole Schneider: heimat@jazzinstitut (@ dazz Festival)
Mit einem faszinierenden "duo-log", einem ungewöhnlichen improvisierten Dialog zwischen dem Gitarristen Ronny Graupe (Berlin) und der Grafikerin Nicole Schneider (Darmstadt), starteten wir in der vergangenen Woche "heimat@jazzinstitut", unsere neue Reihe von Kurzresidenzen im Jazzinstitut. Das Konzert vor einem begrenzten Publikum wurde live gestreamt und kann weiterhin auf YouTube betrachtet werden. "Duo-log" wird in eine Ausstellung in der Galerie des Jazzinstituts münden, die von Mitte Februar bis Ende April einige Ergebnisse der Residenz zeigen und technische Erfahrungen aus der Begegnung beleuchten wird.

R.I.P. Emil Mangelsdorff
Er war ein wunderbarer Musiker und ein Menschenfreund. Emil Mangelsdorff, der am 21. Januar 2022 im Alter von 96 Jahren starb, stand für die legendäre Kreativität der Frankfurter Nachkriegs-Jazzszene. Sein größter Held war Charlie Parker, er spielte den Blues wie kaum ein anderer, seine Interpretationen von Standard-Jazzkompositionen waren immer ungemein persönlich und hoch emotional zugleich. Emil, wie er von allen genannt wurde, hatte eine klare Vorstellung davon, was Jazz für ihn bedeutete, musikalisch sowie als ästhetisches und politisches Statement. Der 1925 Geborene hatte die Verfolgung Andersdenkender im Dritten Reich selbst miterlebt, als er wegen seiner Zugehörigkeit zur subversiven Frankfurter Jazz-Clique verhaftet und kurz darauf zur Wehrmacht eingezogen wurde. Nach dem Krieg verbrachte er mehrere Jahre in einem russischen Lager; die Strapazen überstand er unter anderem durch die Erinnerung an den Jazz, etwa, als er zufällig einige Takte einer Lionel-Hampton-Platte aus den Lautsprechern eines nahegelegenen Schiffes hörte. Nach seiner Rückkehr gliederte sich Mangelsdorff schnell wieder in die lebendige Frankfurter Jazzszene ein und spielte in verschiedenen Bands wie den traditionellen Two Beat Stompers, dem Cool Jazz-Quintett der Pianistin Jutta Hipp oder dem Jazzensemble des Hessischen Rundfunks. Oft arbeitete er mit seinem Bruder, dem Posaunisten Albert Mangelsdorff, zusammen, gründete daneben bald seine eigene Band und ging regelmäßig für Aufnahmen ins Studio. Außerdem war er für die Musik einer erfolgreichen Jazz- und Lyrik-Reihe verantwortlich. In den späten 1980er Jahren begann Emil Schulvorträge zu halten, in denen er von seinen Erinnerungen an die Zeit des Nationalsozialismus erzählte und erklärte, wie der Jazz für ihn persönlich zu einer Stimme der Freiheit und Demokratie wurde. Im Frankfurter Holzhausenschlösschen hatte Emil 25 Jahre lang eine monatliche Konzertreihe mit seinem Quartett und regelmäßigen Gästen. Im Jazzinstitut trat er mehrfach auf, zuletzt im Rahmen unseres Jazz Conceptions-Workshops, wo er speziell über seinen musikalischen Ansatz berichtete. Emil Mangelsdorff wurde durch zahlreiche Ehrungen ausgezeichnet, die Goethe-Plakette seiner Heimatstadt Frankfurt etwa, den Hessischen Jazzpreis, die Wilhelm-Leuschner-Medaille des Landes Hessen, den ebenfalls vom Land verliehenen Titel eines Honorarprofessors. Trotz aller Ehren war und blieb er bescheiden, liebte das Zusammensein mit Freunden und Kollegen, hörte Jazz und Klassik, war belesen, aber genauso über die aktuellen politischen Diskurse informiert. Er übte und spielte bis zum Schluss, obwohl er sein Publikum und vor allem die Gesprächskonzerte an Schulen während der Pandemie schrecklich vermisst haben muss. Wir werden ihn als großen Musiker, als Philanthropen und als Freund in Erinnerung behalten.

Aktuelle Öffnungszeiten des Jazzinstituts
Das Archiv des Jazzinstituts ist für Besucher und Nutzer nur auf Anmeldung geöffnet. Dafür werden wir Recherche-Slots mit genauen zeitlichen Vorgaben für jeweils immer nur eine/n Besucher/in zur Zeit vergeben. Bitte beachten Sie, dass wir für Ihren Besuch einen Nachweis über Ihren Impf- oder Genesenen-Status bzw. einen aktuellen offiziellen Test benötigen (3G-Regel). Daneben können Sie uns weiterhin per Telefon, E-Mail oder Video-Call erreichen. Sollten Sie einen Video-Call wünschen, bitten wir Sie, dafür per e-mail einen Termin abzumachen und uns dabei bereits mitzuteilen, worum es in dem Gespräch gehen soll. Wir werden Ihnen dann einen Link für eine Webex Videosession für unser Treffen zusenden.

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