(aus dem Jazzinstitut Darmstadt)
8. bis 21. September 2022 | Ausgabe 17/2022 (deutsch)

Wir lesen die Morgenzeitung für Sie!

Liebe Jazzfreunde,

Die Jazz News des Jazzinstituts versorgen Sie regelmäßig (zurzeit ca. alle zwei Wochen) mit Nachrichten, die wir aus der Online-Tagespresse für Sie zusammenfassen. Diese Rubrik wird auf unserer Website (www.jazzinstitut.de) täglich aktuell gehalten.

Wenn Sie an Literaturlisten zu den hier genannten Musiker:innen interessiert sind, so finden Sie etliche auf unserer Jazz-Index-Website. Der Jazz-Index ist eine bibliographische Datenbank, die kostenlos im Jazzinstitut abrufbar ist. Kontaktieren Sie uns, wenn Sie ähnliche Auszüge zu noch nicht gelisteten Musiker:innen wünschen.

Viel Vergnügen bei Ihrer Lektüre zum Jazz in der/n vergangenen Woche/n.

... in aller Kürze ...

Bob Krasner spricht mit dem Gitarristen und Komponisten Elliott Sharp darüber, wie seine Musik auf den Hörer wirkt ("mir zuzuhören ist ein Prozess psycho-akustischer chemischer Veränderung"), über die ersten Einflüsse, als er anfing, Musik zu machen, über einige seiner selbstentwickelten Instrumente sowie darüber, wie er bei Spaziergängen am East River Ideen für neue Kompositionen erhält (The Villager). --- Marcus J. Moore spricht mit dem Dichter Morgan Parker, dem Schriftsteller John Morrison, der Forscherin Tammy Kernodle, dem Kritiker Giovanni Russonello, dem Komponisten Courtney Bryan und den Musikern Taja Cheek, Lakecia Benjamin, Meshell Ndegeocello, Surya Botofasina, Brandee Younger, Georgia Anne Muldrow und Angel Bat Dawid darüber, welche Aufnahme aus dem Werk von Alice Coltrane sie besonders bewegt (New York Times).

Lewis Porter spekuliert über den Grund für Miles Davis' heisere Stimme, die möglicherweise von Stimmbandpolypen herrührte, die er mindestens seit 1955 hatte, ein Leiden, mit dem er bis zum Ende seines Lebens kämpfte und das ihn 1957 sogar dazu brachte, darüber nachzudenken, seine Karriere als Musiker aufzugeben (Playback with Lewis Porter). --- Ted Gioia erinnert sich, wie die Plattenfirma Columbia versuchte, Thelonious Monk neu zu vermarkten, zunächst als Underground Hero, dann durch Pläne für eine Platte mit der Rockband Blood, Sweat & Tears. Die Gruppe hatte Konzertveranstalter gebeten, Monk für gemeinsame Konzerte zu buchen und zitiert Monks "I Mean You" in ihrer Aufnahme "40.000 Headmen" (The Honest Broker). Lewis Porter befasst sich unterdessen mit der oft erzählten Geschichte, dass, als Thelonious Monk und Bud Powell wegen Drogenbesitzes verhaftet wurden, Monk für Powell "den Kopf hinhielt" (also die Strafe auf sich nahm). Porter fasst die Erkenntnisse des Powell-Biographen Peter Pullman und des Monk-Biographen Robin Kelley über den Vorfall zusammen und erklärt dann, wie die Geschichte (die nicht wahr ist) wahrscheinlich von Monks Frau Nellie lanciert wurde, und wie sie durch deren Freundin Maely Dufty in die Zeitungen gelangte (Playback with Lewis Porter). Außerdem entdeckt Lewis Porter just den Moment, in dem Monk bei einer Aufnahme mit Miles Davis ein Glas Bier umstieß (Playback with Lewis Porter).

Jennifer Gould berichtet über ein Stadthaus an der Upper West Side in New York, das für 14 Millionen Dollar zum Verkauf steht und eine besondere Geschichte hat: Billie Holiday lebte hier bis zu ihrem Tod im Jahr 1959 (New York Post). --- Das Ableben von Königin Elizabeth II. lässt Ted Gioia an "The Queen's Suite" denken, die von Duke Ellington und Billy Strayhorn komponiert wurde. "Es wurde eine einzige goldene Schallplatte hergestellt", erklärt Gioia, "und an den Buckingham-Palast geschickt. Um sicherzustellen, dass keine weiteren Exemplare veröffentlicht wurden, erstattete Ellington seinem Label Columbia rund 2.500 Dollar an Produktionskosten und behielt so das persönliche Eigentum an den Masterbändern." Nach Ellingtons Tod wurde das Stück zusammen mit anderen Ellington-Suiten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Reaktion der Queen ist nicht bekannt, aber in einem Interview von 2019 erwähnte sie Ellington als einen Musiker, den sie sehr bewunderte (The Honest Broker). Will Friedwald berichtet ebenfalls über Duke Ellingtons "The Queen's Suite" und beschreibt insbesondere die Naturzusammenhänge der einzelner Sätze (Wall Street Journal). Und, um die Monarchie wieder zu verlassen und sich auf eher republikanische Themen zu fokussieren, spekuliert Lewis Porter darüber, warum The Pres, also der Saxofonist Lester Young, 1942 nicht Mitglied in Duke Ellingtons Band wurde, wie damals im Down Beat berichtet wurde (Playback with Lewis Porter).

Im Gespräch mit Ayana Contreras erinnert sich die Schlagzeugerin Terri Lyne Carrington daran, wie sie eine Veranstaltung mit Stücken von Komponistinnen plante und dabei feststellte, wie schwierig es war, überhaupt Noten zu finden, was sie letztendlich dazu veranlasste, die Sammlung "New Standards. 101 Lead Sheets by Women Composers" zu veröffentlichen sowie ein Album mit 11 ausgewählten Stücke daraus. Unter den Titeln des Notenbandes sind Kompositionen von Lil Hardin Armstrong, Mary Lou Williams, Alice Coltrane, Abbey Lincoln, Geri Allen, Dorothy Ashby, Toshiko Akiyoshi, Nicole Mitchell, Cassandra Wilson (und von der deutschen Pianistin Anke Helfrich), aber auch eine grafische Partitur der verstorbenen Jaimie Branch (New York Times). Crystal B. Shepeard  (Billboard) und Kate Hutchinson (The Guardian) sprechen ebenfalls mit Terri Lyne Carrington. --- Anlässlich des Todes von Jean-Luc Godard untersucht Olivier Lamm die Verwendung von Musik in den Filmen des französischen Filmemachers, die von der Klassik über den Jazz bis hin zum Pop reichte, und kommt zum Schluss, dass Godard, wenn es um Jazz ging, vor allem Free Jazz bevorzugte (Libération).

Michael Paulson berichtet über die Schwierigkeiten, ein Musical wie "Hamilton" ins Deutsche zu übersetzen und dabei Sinn, die inneren Rhythmen sowie die Hip-Hop-Anklänge rüber zu bringen (New York Times). --- Stefan Hochgesand spricht mit dem Sänger Erik Leuthäuser über die Zusammenhänge zwischen der Freiheit im Jazz und der Freiheit im Sex, über seine eigenen Erfahrungen mit verschiedenen Sexdrogen und wie sich diese auf sein Leben und seine Musik auswirkten, über sein "anderes" Geschäft, nämlich schwule Pornovideos zu drehen, mit denen er im Monat etwa so viel verdient wie mit zwei oder drei Konzerten, sowie über die Reaktion der Jazzwelt auf seine "Sexarbeit", die irgendwo zwischen Respekt und Kritik liegt (Berliner Zeitung).

Nachrufe

Wir erfuhren vom Ableben des britischen Schlagzeugers Trevor Tomkins im Alter von 81 Jahren (London Jazz News), des Schlagzeugers Frank Katz im Alter von 55 Jahren (Facebook), der Sängerin Mable John im Alter von 91 Jahren (New York Times), des Pianisten Ramsey Lewis im Alter von 87 Jahren (New York Times), des musikalischen Leiters der Fisk Jubilee Singers Paul T. Kwami im Alter von 70 Jahren (New York Times), des Radiomachers Eric Jackson im Alter von 70 Jahren (WGBH, Arts Fuse), des Saxophonisten Brian Horton im Alter von 46 Jahren (NCCU, The News & Observer), sowie des holländischen Saxophonisten Dick Vennik im Alter von 82 Jahren (Jazzism).

Aus der Welt der Jazzforschung

The Routledge Companion to Jazz and Gender
Der neue "Routledge Companion to Jazz and Gender" ist erschienen, herausgegeben von James Reddan, Monika Herzig und Michael Kahr. Auf über 500 Seiten und in 38 Kapiteln erörtern die Autorinnen und Autoren - darunter Wolfram Knauer vom Jazzinstitut Darmstadt - verschiedene Aspekte des Konstrukts Geschlecht in allen Formen des Jazz, der Jazzkultur und -pädagogik in thematischen Blöcken, die sich auf historische Perspektiven, Identität und Kultur, Gesellschaft und Bildung sowie Politik und Interessenvertretung fokussieren (Routledge). Unser eigenes Buch zu diesem Thema wurde übrigens bereits 2016 veröffentlicht und ist nach wie vor erhältlich: "Gender and Identity in Jazz" (Wolke Verlag).

Letzte Woche im Jazzinstitut

Neue Bücher, die wir gelesen haben
Zu den Büchern, die wir in den vergangenen Wochen lasen, gehören "Komeda. A Private Life in Jazz" von Magdalena Grzebałkowska; sowie "Komeda on Records" von Dionizy Piątkowski (siehe die Rubrik
"Neue Bücher" auf der Website des Jazzinstituts).

Kathrin Preis
Der Kathrin Preis ist eine alle zwei Jahre vergebene Auszeichnung, die mit einem einwöchigen Aufenthalt und einem Konzert im Jazzinstitut Darmstadt verbunden ist. Die nominierten Kandidat:innen schlagen konkrete Projekte für ihre Residenz vor, aus denen eine Jury aus Musiker:innen und Jazzexpert:innen dann eins auswählt. Der Preis ist nach der deutschen Saxophonistin Kathrin Lemke benannt, die 2016 im Alter von 44 Jahren verstarb. Bisherige Preisträger waren der Schlagzeuger Joss Turnbull und die Saxophonistin Luise Volkmann. Anfang September hat die Jury nun den bzw. die nächsten Preisträger/in ausgewählt, der oder die am 27. September, dem Geburtstag von Kathrin Lemke, öffentlich bekannt gegeben wird. Mehr dazu in den nächsten JazzNews oder auf der Website des Preises: Kathrin-Preis.

Jazz and Improvised Music to School
Wir sind seit dem Start vor zehn Jahren im Beirat von "Jazz und improvisierte Musik in die Schule", einem Bildungsprojekt der Stiftung Polytechnische Gesellschaft in Frankfurt. In der letzten Beiratssitzung Anfang September erläuterte Sascha Wild, der Leiter des Programms, welche Schritte JIMS unternommen hat, um Schüler:innen während des Lockdowns Musik nahe zu bringen, und welche Pläne es für die Zukunft des Projekts gibt (SchuljazzFFM).

Destination Unknown: Die Zukunft des Jazz
Apropos "Zukunft": Wir haben soeben den Tagungsband unseres letzten Darmstädter Jazzforums veröffentlicht ("Roots | Heimat. Diversity in Jazz", Wolke Verlag). Das bedeutet traditionell, dass wir jetzt mit der Vorbereitung unseres nächsten Jazzforums begonnen haben, das vom 28. bis 30. September 2023 stattfinden wird. Inspiriert von Hartmut Geerkens Sun Ra-Archiv, das wir im letzten Jahr übernahmen, haben wir einen Sun-Ra-Titel gewählt, um sowohl die Ungewissheit als auch die Risikobereitschaft der Musik, mit der wir uns tagein, tagaus beschäftigen, zu verdeutlichen: "Destination Unknown. Die Zukunft des Jazz". Ein vorläufiger Call for Papers findet sich auf unserer Website (Destination Unknown); in einem entsprechenden Blog werden wir in den nächsten Monaten einige unserer eigenen Ideen zu diesem Thema ausbreiten.

Wenn Sie als aktiv oder passiv an der Konferenz teilnehmen möchten, lassen Sie es uns wissen. Wenn Sie Ideen für einen Vortrag oder ein Panel haben, schreiben Sie uns. Wenn Sie wissen wollen, was im Laufe der Jahre auf der Jazzforum-Konferenz passiert ist, besuchen Sie die Website unseres Verlags (Wolke Verlag, Jazz).

Aktuelle Öffnungszeiten des Jazzinstituts
Das Archiv des Jazzinstituts ist für Besucher und Nutzer nach Anmeldung geöffnet. Daneben können Sie uns weiterhin per Telefon, E-Mail oder Video-Call erreichen. Sollten Sie einen Video-Call wünschen, bitten wir Sie, dafür per e-mail einen Termin abzumachen und uns dabei bereits mitzuteilen, worum es in dem Gespräch gehen soll. Wir werden Ihnen dann einen Link für eine Webex Videosession für unser Treffen zusenden.

Unsubscribe   |   Manage your subscription   |   View online
facebook  youtube  soundcloud  instagram  vimeo 
Jazzinstitut Darmstadt
Bessunger Strasse 88d | 64285 Darmstadt | Germany
The Jazzinstitut is an institution of the City of Sciences Darmstadt | Das Jazzinstitut ist eine Einrichtung der Wissenschaftsstadt Darmstadt