Letzte Woche im Jazzinstitut
Wir stellen ein: Direktor:in des Jazzinstituts Darmstadt Wenn Sie dies lesen, haben Sie nur noch ein paar Stunden Zeit, um sich für den Posten des Direktors des Jazzinstituts Darmstadt zu bewerben. Als Abonnent:in dieses Newsletters wissen Sie um die Bandbreite unserer Arbeit als Archiv, als Dokumentations- und Informationszentrum, als Lobbyorganisation für Jazz und improvisierte Musik in Deutschland und darüber hinaus, als Partner für regionale Aktivitäten, als Veranstalter von Tagungen, Workshops und Konzerten, als Herausgeber von Büchern und Artikeln, als Impulsgeber und Förderer für Forschung und andere Aktivitäten rund um den Jazz. Dabei sind wir zwar nur zu dritt (plus einige ehrenamtliche Kolleg:innen), aber mit der Unterstützung der Stadt können wir eine Menge erreichen. Die Stellenausschreibung für die Leitung des Jazzinstituts Darmstadt ist seit dem 7. Juni online, die Bewerbungsfrist endet am 12. Juli 2023. Weitere Informationen über die Aufgaben finden Sie in der Ausschreibung; bei inhaltlichen Fragen können Sie sich gern an uns wenden, bei Verfahrensfragen zur Bewerbung an die Personalabteilung der Stadt.(https://karriere.darmstadt.de/stellenangebot.html?yid=1637)
Jazzpects Nr. 6: "To Erwin and Margie". Über eine besondere Brieffreundschaft Als William Engelleitner Mitte der 1950er Jahre in die USA auswanderte, blieb er in Kontakt mit seinen Freunden, einem Darmstädter Ehepaar. Und weil sie alle Jazzliebhaber waren, legte er seinen Briefen immer wieder Autogramme von Jazzmusikern bei, die er in den Clubs von New York, Chicago, Washington, Pittsburgh und anderswo hörte. Die Sammlung mit nahezu 200 Autogrammen berühmter Musiker:innen von Sarah Vaughan über Eddie Condon bis zu Chet Baker, Blue Mitchell oder Erroll Garner fand vor einigen Jahren ihren Weg ins Jazzinstitut. Für unsere Jazzpects haben wir ihre Geschichte mit zahlreichen Beispielen aus der Autogrammsammlung zusammengefasst (Jazzpects).
Destination Unknown: Die Zukunft des Jazz Bei der Vorbereitung unseres 18. Darmstädter Jazzforums beobachten wir aufmerksam die aktuellen Diskurse innerhalb der deutschen Jazzszene. In der vergangenen Woche sprachen während der Jazzwoche Berlin Musiker:innen in der deutschen Hauptstadt über das Genre "Jazz" im Allgemeinen, über Proberäume in Berlin, über safe spaces innerhalb der Szene und warum sie notwendig sind, darüber, was es braucht, um kreativ zu sein, über das Kuratieren von Jazzkonzerten und -festivals sowie über faire Gagen für Musikerinnen und Musiker (Jazzwoche Berlin). In Mannheim nahmen Sophie Emilie Beha, Gabriele Maurer, Angelika Niescier und andere an einer Podiumsdiskussion zum Thema "Refocus Herstory" teil, bei der es darum ging, wie wichtig es ist, zu wissen, dass es immer schon Instrumentalistinnen auch im deutschen Jazz gab (Refocus Herstory). Und in Marburg feiert die Deutsche Jazzunion in dieser Woche ihr 50-jähriges Bestehen mit Konzerten und Gesprächen über die Lebenswirklichkeit von Musiker:innen in der heutigen Zeit (Jazzforum der Deutschen Jazzunion).
Sie können unser 18. Darmstädter Jazzforum im Herbst zum Thema "Destination Unknown: Die Zukunft des Jazz" als eine Zusammenfassung solcher Diskurse sehen, vielleicht sogar noch konzentrierter, allein schon deshalb, weil wir ganze drei Tage Zeit haben, um gemeinsam zu reden, zu diskutieren, Ideen zu entwickeln. Merken Sie sich schon jetzt den Termin vor: 27./28. bis 30. September 2023. Mehr hier: Destination Unknown sowie auf dem korrespondierenden Blog, in dem wir einige unserer eigenen Gedanken zum Thema diskutieren.
"Serendipity. Jürgen Wuchners Kompositionen" Im Wolke Verlag ist soeben "Serendipity. Jürgen Wuchners Kompositionen" erschienen, ein großformatiges Buch, das die Kompositionen des im Mai 2000 verstorbenen Darmstädter Bassisten und Komponisten Jürgen Wuchner würdigt. Wuchners Witwe Monika Schießer-Wuchner hat den Band herausgegeben, dessen erste Hälfte Erinnerungen von Musikerkollegen wie Rudi Mahall, Uli Partheil, Ole Heiland, Valentin Garvie, Christopher Dell, Bob Degen, Karl Berger, Wollie Kaiser, Thomas Cremer, Wolfgang Puschnig, Bülent Ates, Jörg Fischer und Christof Thewes enthält. Die zweite Hälfte des Buchs besteht aus Wuchners Kompositionen, Lead Sheets einiger seiner "Hits" und weniger bekannter Stücke, chronologisch geordnet von 1976 bis 2019. Wer schon einmal eines von Jürgens Stücken gehört hat, weiß um deren Eingängigkeit, die er erreicht, egal wie komplex die Musik ist. Uli Partheil, der die Musik für die Veröffentlichung eingerichtet hat, erklärt, dass alle der Stücke sehr unterschiedlich sind und jeweils einen anderen Grad an Freiheit beinhalten. Manche scheinen einfach zu sein, schreibt er, dennoch muss man zu jedem seinen eigenen Zugang zur Musik finden. Partheil erzählt aus eigenem Erleben, wie oft Jürgens Stücke verändert wurden, verändert werden sollten, damit sie sich der jeweiligen Spielsituation anpassten. Irgendwann aber habe er einmal gesagt "Now it's enough", weil er fand, jetzt seien keine weiteren Änderungen mehr nötig. Für alle, die wir ihn kannten, ist das reich bebilderte Buch eine schöne Erinnerung an den Bassisten, Komponisten, Freund Jürgen Wuchner. Für seine Schüler:innen, die Workshop-Teilnehmer:innen, hält es in Noten fest, was sie vielleicht einmal zusammen gespielt haben oder gerne mal spielen würden. Für alle anderen ist es ein Fundus spannender Stücke, die das eigene Repertoire reicher machen können.
Peter Brötzmann / Ernst Ludwig Petrowsky Der kürzliche Tod von Peter Brötzmann und Ernst Ludwig Petrowsky hat die Jazzszene und auch uns tief getroffen. Abgesehen davon, dass sie zwei der wichtigsten, einflussreichsten und risikofreudigsten Musiker waren, die Deutschland hervorgebracht hat, waren Peter und Luten Menschen mit Humor, einer starken Meinung und - jeder auf seine Weise - einem sehr eigenen Umgang mit Worten. Peter konnte manchmal knorrig rüberkommen, aber sobald sein Interesse geweckt war, war er sowohl selbstbewusst bezogen auf sein eigenes künstlerisches Tun als auch neugierig darauf, warum andere taten, was sie taten. Luten war voller Humor, und er wusste, dass seine ironischen Sprüche, selbst gegenüber offiziellen Stellen, ihm eine gewisse Freiheit in dem verschlossenen, repressiven System der ehemaligen DDR verschafften. Beide waren internationale Musiker. Brötzmann war stolz darauf, vielleicht der erfolgreichste deutsche Jazzmusiker außerhalb Deutschlands zu sein, und Petrowsky, der bei weitem nicht so viel reiste, sah seine Kollegen, wann immer sie in Berlin auftraten. Brötzmanns andere Leidenschaft galt der bildenden Kunst; seine Arbeiten sind in zahlreichen Publikationen dokumentiert. Petrowskys Meisterschaft mit Worten ist in Interviews und Briefen voller Selbstironie dokumentiert, in denen immer auch sein reiches Wissen und seine Erfahrung durchschien. Beide prägten den Klang des Jazz in Deutschland, in Ost wie West. Wir vermissen sie sehr.
R.I.P. Tom Nicholas Er besaß eine Präsenz, ein Lachen... und absolutes Timing, im Leben wie in der Musik. Der Perkussionist Tom Nicholas, der am 16. Juni 2023 im Alter von 85 Jahren starb, besaß die seltene Gabe, jeden in seiner Umgebung irgendwie zum Lächeln zu bringen. Geboren in Philadelphia, zog er nach seinem Armeedienst nach Kalifornien und trat dort mit John Handy, Kenny Burrell, Dewey Redman, Pharoah Sanders und vielen anderen auf. 1977 zog er nach Europa und wurde Teil von Mombasa, einer Band des Posaunisten Lou Blackburn, dann der Family of Percussion von Peter Giger. Er ließ sich in Darmstadt nieder und spielte mit hiesigen Musikern wie Jürgen Wuchner, Christopher Dell und später in der Black & White Cooperation, einem Quartett mit Anke Schimpf, Christoph Paulsen und Georg Göb, mit dem er mehrere Alben aufnahm. Eine Zeitlang gab er regelmäßig Unterricht im Gewölbekeller unterm Jazzinstitut und schaute immer wieder vorbei, wenn er in der Nähe war, um über Erinnerungen an Konzerterlebnisse zu berichten oder sich über Musik auszutauschen, die er kürzlich im Internet gehört hatte. Tom war ein Meister des Kalauerns (ich weiß gar nicht, ob es dafür einen englischen Begriff gibt), konnte über alles, einschließlich sich selbst lachen. Nach außen besaß er eine fröhliche Persönlichkeit, und als er sich vor einiger Zeit wegen seiner Krankheit zurückzog, vermissten wir ihn sehr. Über die sozialen Medien blieb er mit seinen vielen Freunden in Kontakt. Nun ist er gegangen. Wir trauern, und doch: Sein verschmitztes Lächeln, sein Lachen und die Erinnerung an sein antreibendes Congaspiel werden in uns weiterleben.
Aktuelle Öffnungszeiten des Jazzinstituts Das Archiv des Jazzinstituts ist für Besucher und Nutzer nach Anmeldung geöffnet. Daneben können Sie uns weiterhin per Telefon, E-Mail oder Video-Call erreichen. Sollten Sie einen Video-Call wünschen, bitten wir Sie, dafür per e-mail einen Termin abzumachen und uns dabei bereits mitzuteilen, worum es in dem Gespräch gehen soll. Wir werden Ihnen dann einen Link für eine Webex Videosession für unser Treffen zusenden. |