ZEIT ONLINE: Frau Kulturstaatsministerin, mussten Sie eigentlich hart kämpfen gegenüber den Kollegen Altmaier, Scholz und Heil, damit auch die Kultur von dem 150-Milliarden-Rettungsschirm der Bundesregierung profitiert?

Monika Grütters: Für dieses spezielle Milieu werben muss man immer. Ja, es brauchte am Anfang dieser Krise einen sehr kraftvollen Auftritt, auch in unserer Fraktion. Seitdem gibt es aber eine Solidarität mit den Künstlern und Kreativen, wie ich sie so noch nie erfahren habe – gerade auch bei den von Ihnen angesprochenen Kollegen im Kabinett. 

ZEIT ONLINE: Was hat in solchen Diskussionen größeres Gewicht: die Bruttowertschöpfung der Kultur- und Kreativwirtschaft – 100 Milliarden Euro pro Jahr heißt es auf der Website Ihrer Behörde – oder der schwieriger zu beziffernde gesellschaftliche Wert der Kultur?

Grütters: Kultur ist immer beides, Wirtschaftsprodukt und Kulturgut, aber wir reden jetzt über Wirtschaftshilfen für Kleinstunternehmen und Solo-Selbständige. Auf den ersten Blick geht es um den Standortfaktor: Wir sprechen schließlich über eine Branche mit 1,2 Millionen Kernbeschäftigten, 256.000 Unternehmen und 100 Milliarden Bruttowertschöpfung! Der andere Aspekt ist ein schlechter bezifferbarer, eher gefühlter: Viele Menschen haben ja sehr schnell gespürt, was uns jetzt an kulturellen Stimulationen und Begegnungen fehlt. Und das sehen meine Kolleginnen und Kollegen im Kabinett als starke Nutzer von Kulturangeboten natürlich auch.

ZEIT ONLINE: In Deutschland heißt es üblicherweise, Kultur ist Ländersache. Ihre Behörde hält aber auch Fördermittel auf Bundesebene bereit. Nun scheint es, als griffen Bund und Länder bei der Kultur in der Corona-Krise so stark wie noch nie ineinander. Ist das auch ein Modell für die Zeit danach?

Der Bund ist dafür zuständig, das Netz "geistiger Tankstellen", wie Helmut Schmidt sagte, abzusichern.
Monika Grütters

Grütters: Das Amt der Kulturstaatsministerin ist nicht mit dem Anspruch gegründet worden, die Kulturhoheit der Länder infrage zu stellen. Es geht darum, Kooperationen möglich zu machen, die jeder einzelne Akteur, die Kommunen und die Länder also, nicht immer alleine schaffen würden. Der Bund ist dafür zuständig, das ganze Netz "geistiger Tankstellen", wie Helmut Schmidt sagte, abzusichern. Es zeichnet Deutschland aus, dass Kultur nicht nur in den großen Städten konzentriert ist, sondern ganz wesentlich auch in der Fläche stattfindet. Der Bund fördert Projekte und Einrichtungen mit gesamtstaatlicher Relevanz. Ich finde, da hat sich das Stilprinzip eines guten kooperativen Kulturföderalismus sehr bewährt. Da gibt es immer mal wieder Wettbewerb und Eifersüchteleien, klar. Aber wir arbeiten mehr zusammen, als dass wir uns um Zuständigkeiten streiten würden. Und jetzt bewährt sich in dieser Krise, dass es bereits einen eingeübten Abstimmungsmodus gibt: Im Kulturpolitischen Spitzengespräch, zu dem wir uns zweimal im Jahr treffen, haben wir uns schnell darüber verständigt, Bundes- und Landeshilfen miteinander zu kombinieren.

ZEIT ONLINE: Manche verlieren bei den kulturellen Hilfsprogrammen mittlerweile den Überblick.

Grütters: Die Grundstruktur ist einfach: Für die persönliche Absicherung gibt es ein Sozialschutzpaket mit Grundsicherung (zum Beispiel Heizung, Unterkunft, Kinderzuschläge), das über die Jobcenter abgewickelt wird, weil diese die Erfahrung dafür mitbringen. Dann gibt es außerdem die wirtschaftlichen Hilfen. Das sind Bundeszuschüsse, 9.000 oder 15.000 Euro, je nach Anzahl der Beschäftigten. Die Verteilung dieser Zuschüsse erfolgt durch die Länder. Das klappt bei den meisten gut, und ich bin zuversichtlich, dass das Geld bei allen ankommt. Der Kulturföderalismus wurde jedenfalls nicht ausgehebelt von dieser Krise. Das Nebeneinander von Bundes- und Landeshilfen spornt auch den Wettbewerb an: Die Länder schauen, dass sie weitere Rettungspakete auflegen. Vielfach kann man die Hilfen sogar kumulativ nutzen.

ZEIT ONLINE: Als die Anträge für Soforthilfe online gingen, beschwerten sich viele über lange Wartezeiten, umständliche Bürokratie. Andere berichteten, dass sie den Antrag rasch ausfüllen konnten und zwei Tage später Geld auf dem Konto hatten. Verschiedene Bundesländer scheinen da verschieden effizient zu arbeiten. Welches Bild kommt bei Ihnen an?

Grütters: Natürlich gibt es bei einer solchen Größenordnung und angesichts der Kürze der Vorbereitungszeit teilweise Anlaufschwierigkeiten. Aber ich habe den Eindruck, dass es funktioniert. Auf unserer Website gibt es einen guten Navigationsweg durch die neu geschaffenen Unterstützungen. Diese ruhen auf drei Säulen: Hilfe entsprechend der persönlichen Lebensumstände, Betriebssicherung und rechtliche Einzelmaßnahmen, um Härten abzumildern. Dazu kommen BKM-eigene Maßnahmen und Hilfen der Länder. Die Hilfsangebote stehen also.

ZEIT ONLINE: Es gibt für Kulturschaffende und Unternehmen der Kulturwirtschaft nicht nur die Soforthilfen oder zinslosen Kredite, sondern auch andere Maßnahmen. Da ist etwa die Zusicherung, bereits versprochene Fördergelder nicht zurückzufordern, gerade beim Film, wo der Bund eine wichtige Rolle spielt. Wird die Filmförderung auch unter den bestehenden Schutzschild fallen oder müssen Sie das Geld von woanders holen?

Grütters: Die großen Hilfsinstrumente, insbesondere das 50-Milliarden-Hilfspaket für Selbständige und kleinere Unternehmen, helfen in Teilen natürlich auch der Filmbranche. Gleiches gilt für die Maßnahmen zur sozialen Absicherung. Zugleich ist zu beachten, dass der Filmbereich etwas anders tickt, auch weil er teilweise anders finanziert wird. Viele Akteure der Branche zahlen in den Fördertopf der Filmförderungsanstalt ein: zum Beispiel die privaten und öffentlich-rechtlichen Sender, Plattformen wie Amazon und Netflix, Verleiher und vor allem auch die Kinos. Dann sind da noch unsere großen steuerfinanzierten Förderinstrumente wie der Filmförderfonds oder auch die kulturelle Filmförderung. Und auch die Länder haben zum Teil große Fördertöpfe, wie zum Beispiel Berlin-Brandenburg, NRW oder auch Bayern. Weil die Filmfinanzierung aus so vielen unterschiedlichen Töpfen von Bund und Ländern gespeist wird, war es uns wichtig, hier zu einem einheitlichen Vorgehen in der aktuellen Situation zu kommen. Das ist Bund und Ländern mit dem gemeinsamen Nothilfeprogramm gelungen.