Zum Tod von Nikolai Kapustin :
Graziler Jazz, aus Russland

Lesezeit: 2 Min.
Nikolai Kapustin (1937 bis 2020)
Der Pianist und Komponist Nikolai Kapustin war ein Pionier der russischen Jazz-Szene, der spät zu internationalem Ruhm gelangte. Jetzt ist er mit 82 Jahren in Moskau gestorben.

Witz, Attacke und Tempo hat die Toccatina G-Dur op. 36 für Klavier, die Nikolai Kapustin 1983 in Moskau schrieb. In gutgelaunten Synkopen tatzt die rechte Hand ein akkordisches Thema hin, das melodisch ein wenig an den von Christian Bruhn komponierten Werbespot eines deutschen Anbieters von Bausparverträgen erinnert. Darunter rüttelt und schüttelt die linke Hand ihre Achtelketten durch wie ein glücklicher Hund sein Spielzeug beim Toben. Allerdings sind diese Achtelketten alles andere als simpel, sondern ein ausgefeilter Basso continuo, wie in einem rasenden Bach-Präludium, nur durch Akzente anders rhythmisiert. Und obwohl das funktionsharmonische Schema so stabil ist wie die Periodik, stößt die rechte Hand mehr und mehr in polytonale Alterationsakkorde vor – das alles in einem bestechend klaren, geradezu grazilen Klaviersatz, der einen aufgeräumten Denker mit Sinn für Pointen verrät – bester Jazz, der den Vergleich mit Chick Corea nicht scheuen muss.

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