Archiv der Kategorie: Ausstellungen

Roots | Heimat: Wie offen ist der Jazz?

Das Darmstädter Jazzforum 2021

Alle Beiträge und Panels bei YouTube unter jazzinstitut.darmstadt

Das 17. Darmstädter Jazzforum vom 30. September bis 2. Oktober 2021 fragte nach dem Verhältnis zwischen “Roots” und “Heimat”. Roots steht sowohl für die afro-amerikanischen Wurzeln des Jazz als auch für die die emotionale, familiäre oder ethnische Herkunft von Musiker:innen überall auf der Welt. Heimat steht für die Tatsache, dass gerade der Jazz eine kulturelle und ästhetische Selbstverortung verlangt. Für die einen ist der Jazz kreative Praxis, die global benutzt wird, aber immer zurück auf ihre afro-amerikanische Herkunft verweist. Für die anderen ist Jazz etwas, mit dem man aufgewachsen ist, mithilfe dessen sich die eigene Betroffenheit, der individuelle Standpunkt am besten ausdrücken lässt. Für viele ist Jazz beides, beinhaltet die afro-amerikanische Tradition genauso wie die produktive Freiheit, diese Praxis auch innerhalb der eigenen, von den Ursprüngen des Jazz als afro-amerikanische Musik manchmal weit entfernten Communities anzuwenden.

Und da hakten wir ein. Wir wollten Diskussionen aus dem Umfeld der Black Lives Matter-Bewegung aufnehmen und uns darüber austauschen, wie europäisch beeinflusste Sichtweisen das ethische wie ästhetische Verständnis, die Präsentation und die Rezeption des Jazz mit geprägt haben, inwieweit eine solche eurozentrische Sichtweise auch unser Verständnis von Jazz geformt, wenn nicht gar verformt hat und weiterhin formt, welchen Stellenwert in ihr sowohl die afro-amerikanischen Ursprünge der Musik besitzen als auch unser eigenes kulturelles Umfeld. Wir sprachen über historische Beispiele eurozentrischer Umdeutungen in der Jazzgeschichte, haben aber auch den aktuellen Diskurs über die Relevanz des Jazz in nicht-afroamerikanischen Communities thematisiert. Wir sprachen über Rassismus im Jazz , fragten danach, welche Formen von Ausgrenzung und anderen Othering-Strategien sich im Jazz hierzulande finden lassen, und gingen auf alternative Lesarten der Jazzrezeption ein, Beispiele etwa, wie afroamerikanische Kultur das Verständnis von Musik auf der ganzen Welt verändert hat. Wir wollten die Diskussion dabei keinesfalls auf den Jazz begrenzen, sondern auch auf ähnliche Debatten über Eurozentrismus bzw. Afroamerikanismus etwa in Neuer Musik oder der Popkultur ganz allgemein blicken.

Das Darmstädter Jazzforum ist eine internationale Konferenz. Im Vorfeld erwarteten wir Vorträge und Diskussionen, die über unsere kleine Szene der Jazzforscher:innen hinausreichen, und wir freuten uns wie immer auf ein Publikum von Musiker:innen, Journalist:innen, ernsthaften Jazzfans, aber auch von Studierenden und Forscher:innen unterschiedlichster Disziplinen.


Das Darmstädter Jazzforum ist eine Veranstaltung des Jazzinstitut Darmstadt mit Unterstützung der Wissenschaftsstadt Darmstadt. Es fand 2021 in Zusammenarbeit mit dem HoffART-Theater Darmstadt und dem Kulturzentrum Bessunger Knabenschule statt. Das 17. Darmstädter Jazzforum wurde gefördert vom Kulturfonds Frankfurt RheinMain und vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst. Es wird präsentiert von Jazzthetik – Zeitschrift für Jazz und anderes.


Programmübersicht:

Donnerstag, 30. September 2021, ab 14:00 Uhr
Diskussion – 17. Darmstädter Jazzforum Roots/Heimat (Foto: Wilfried Heckmann)

Wie wird kulturelle Identität geformt und deren Wahrnehmung beeinflusst?
Am ersten Tag des 17. Darmstädter Jazzforums fragen wir danach, wie sich kulturelle Identität in der Musik ausdrückt bzw. wie sie in Musik wahr- oder auch nicht wahrgenommen wird. Philipp Teriete wird über den Ausbildungskanon an den Historically Black Colleges and Universities in den USA im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert sprechen und den Einfluss dieser Art an Musikausbildung auf den frühen Jazz diskutieren. Anna-Lisa Malmros diskutiert die sehr unterschiedlichen Identitäten des dänisch-kongolesischen Saxophonisten John Tchicai, der spätestens seit seiner Beteiligung an einigen herausragenden Aufnahmen des US-amerikanischen Free Jazz in den 1960er Jahren auch mit dieser Szene identifiziert wurde.

Welcome-Dinner – 17. Darmstädter Jazzforum Roots/Heimat (Foto: Wilfried Heckmann)

Über Identitäten geht es anschließend auch beim Gespräch mit der Saxophonistin Gabriele Maurer, dem Kontrabassisten Reza Askari und der Sängerin Simin Tander, die ganz persönlich die Erfahrungen von Künstler:innen vorstellen, die auf unterschiedliche Art und Weise betroffen sind, durch Hautfarbe, familiäre Herkunft und/oder ihre künstlerische Auseinandersetzung mit Traditionen, die außerhalb ihrer deutschen Heimat liegen (Moderation: Sophie Emilie Beha). Wir haben dieses Panel überschrieben: „Vom Fremdsein, Ankommen, Fremdbleiben. Gespräch über eigene Erfahrung der Identitätswahrnehmung“.
Ausführliche Abstracts für Donnerstag

Freitag, 1. Oktober 2021, ab 09:30 Uhr
Ádám Havas – 17. Darmstädter Jazzforum Roots/Heimat (Foto: Wilfried Heckmann)

Kulturelle Aneignung und nationales Selbstverständnis (case studies)
Am Vormittag des zweiten Tags sprechen wir über den oft sehr persönlich geprägten Aneignungsprozess afro-amerikanischer Musik in Europa. Philipp Schmickl stellt das Beispiel des Österreichers Hans Falb vor, der 1978 den afro-amerikanischen Trompeter Clifford Thornton in Paris traf und darauf in seiner Heimatstadt im Osten Österreichs Konzerte für und mit Thornton plante, aus denen schließlich ein international beachtetes Festival hervorging. Er hinterfragt die Beweggründe für Falbs kuratorische Aktivität und setzt sie in Beziehung zu Thorntons Ansichten über Musik und Politik der Zeit.

Pausentalk – 17. Darmstädter Jazzforum Roots/Heimat (Foto: Wilfried Heckmann)

Ádám Havas bezieht sich auf eine Aussage Bruce Johnsons von 2002 („Der Jazz wurde nicht einfach ‚erfunden‘ und dann exportiert. Er wurde im Prozess seiner eigenen Verbreitung erfunden“) und wendet sie auf die Rezeption des Jazz in Ungarn an, der sehr bewusst auf kulturelle Praktiken von in Ungarn lebenden Roma-Musiker:innen zurückgriff. Niklaus Troxler schließlich, dessen Plakate Thema einer Ausstellung im Jazzinstitut sind, wird über seinen eigenen Weg zum Jazz erzählen, als Fan, als Begründer und langjähriger Veranstalter des Willisau Jazzfestivals, mit dem er Musiker:innen, für die sein Herz schlägt, in die Schweiz holen konnte, sowie als international renommierter Grafiker und Plakatkünstler.
Ausführliche Abstracts für Freitag

Freitag, 1. Oktober 2021, ab 14 Uhr
Sophie Emilie Beha, Frieder Blume, Joana Tischkau, Jean-Paul Bourelly, Konnie Vossebein
Panel 2: An die Arbeit – 17. Darmstädter Jazzforum Roots/Heimat (Foto: Wilfried Heckmann)

„Wir“ und „die anderen“
Die viel-postulierte „Emanzipation“ des europäischen Jazz in den 1950er und 1960er Jahren von den US-amerikanischen (und damit insbesondere auch den afro-amerikanischen) Vorbildern führte oft zu einer Haltung des „Wir müssen etwas Eigenes machen“, das – meist eher unbewusst als bewusst – zur Vorstellung führte, das, was die produktive Kraft des Jazz da in Europa hervorbrachte, sei tatsächlich völlig verschieden von dem, was in den USA passierte. Harald Kisiedu hinterfragt diese Zusammenhänge, diskutiert die wichtigen afro-diasporischen Beiträge zum europäischen experimentellen Jazz und die in der Jazzszene ja immer vorhandene Bewunderung afro-amerikanischer Heroen unter dem Aspekt der kulturellen creolization. Timo Vollbrecht arbeitet seit langem als Saxophonist auf der New Yorker Musikszene aktiv, tourt außerdem mit divers besetzten Bands durch Deutschland und Europa. Er hat Mitmusiker:innen nach ihren Erfahrungen mit „social othering“ und der Exotisierung ihrer Person/Kunst/Musik befragt und diskutiert davon ausgehend mögliche Strategien, was sich denn für jeden Künstler, jede Künstlerin selbst tun ließe, um mehr gesellschaftliche Gerechtigkeit in der Musik-Community zu erreichen.

Luise Volkmann LEONEsauvage – 17. Darmstädter Jazzforum Roots/Heimat (Foto: Wilfried Heckmann)

Trompeter Stephan Meinberg fragt nach möglichen Umgangsweisen mit dem eigenen Privilegiert-Sein als „weiß“ gelesene Person, die sich zudem beruflich, z.B. als ausübender Musiker, mit größtenteils afro-amerikanischer Musik befasst. In einem Roundtable mit zwei dem Gitarristen Jean-Paul Bourelly, der Veranstalterin Kornelia Vossebein und den Kulturaktivist:innen Joana Tischkau und Frieder Blume wollen wir schließlich darüber diskutieren, was es bedarf, um nicht nur zu einem Bewusstseinswandel, sondern darüber hinaus auch zu einer anderen Repräsentation von Musiker:innen auf der Bühne beizutragen (Moderation: Sophie Emilie Beha). Wir haben dieses Panel optimistisch überschrieben: „An die Arbeit: Realität verändern!!!“
Ausführliche Abstracts für Freitag

Samstag, 2. Oktober 2021, ab 09:30 Uhr
Peter Kemper – 17. Darmstädter Jazzforum Roots/Heimat (Foto: Wilfried Heckmann)

Von Leuten und Menschen (case studies)
Identität ist zum einen etwas ungemein Persönliches, wird zum anderen von außen allerdings oft anders wahrgenommen als von einem selbst. Damit beschäftigt sich der Vormittag des dritten Tags beim Jazzforum, an dem konkrete, sehr verschiedene Beispiele ausgebreitet werden. Nico Thom stellt Bill Ramsey vor, den weißen US-Amerikaner, der (neben einer Schlagerkarriere) in der deutschen Jazzszene der 1950er Jahre als „Mann mit der schwarzen Stimme“ gefeiert wurde, und diskutiert dabei unterschiedliche Aspekte der „Amerikanisierung Europas, bei der sich die ‚westeuropäischen Nachkriegsgesellschaften aktiv mit strategischen Eigeninteressen und geschickten Aneignungsstrategien an der Amerikanisierung beteiligt haben'“.

Vincent Bababoutilabo + Wolfram Knauer – 17. Darmstädter Jazzforum Roots/Heimat (Foto: Wilfried Heckmann)

Ausgehend von einem Konzert beim Deutschen Jazz Festival 1978, bei dem der Saxophonist Heinz Sauer gemeinsam mit Archie Shepp und George Adams auf der Bühne stand, setzt sich Peter Kemper schließlich mit Entwicklungsprozess sowohl der Musik wie auch der musikästhetischen Haltungen sowohl Shepps wie auch Sauers auseinander und fragt, ob es dabei auch ästhetische Qualitäten des Jazz gebe, die über alle ethnischen, geographischen und nationalen Identitäten hinausweisen. Als Überleitung zum letzten Nachmittag des Jazzforums betont Vincent Bababoutilabo die Notwendigkeit rassismuskritischer Perspektiven in der Musikpädagogik heute und hierzulande.

Ausführliche Abstracts für Samstag

Samstag, 2. Oktober 2021, ab 14:00 Uhr
Luise Volkmann + Ella O’Brien-Coker – Vortrag beim 17. Darmstädter Jazzforum Roots/Heimat (Foto: Wilfried Heckmann)

Wir wie die Welt sehen
Für die eigene Perspektive ist jede:r einzelne von uns selbst zuständig. Perspektiven sind aber keine feste Vorgabe, sie lassen sich verändern. Von solchen Perspektivveränderungen handelt der letzte Nachmittag des Jazzforums. Zunächst stellen Sanni Lötzsch und Jo Wespel ihr Konzept FESTIVAL BOOST NOW! vor, das zugleich ein Aufruf zur Selbstermächtigung der Musiker:innen und zur Schaffung „zugänglicher Strukturen“ innerhalb der Kulturszene (Communities“) ist. Ihr Entwurf fordert die radikale Öffnung für queerfeminischtische, intersektionelle, antirassistische und interdisziplinäre Ansätze sowohl im kreativen Prozess als auch bei der Gestaltung des kulturellen Umfeldes. Dazu entwickeln sie mit ihrer „Meta-Community“ nicht nur multiperspektivische Veranstaltungsformate, sondern gleich ganze „Realutopien“. Die Saxophonistin Luise Volkmann hat im April 2021 den vom Jazzinstitut verliehenen Kathrin-Preis erhalten, der mit einer Residenzwoche in Darmstadt verbunden war, bei der sie Recherchen zu Sun Ra, zur afrikanischen Diaspora, zum Black Atlantic, zum sozio-musikalischen und politischen Einfluss von Musik anstellte- Zugleich diskutierte sie mit einem neuen Ensemble den Unterbau ihres Projekts, das am Freitagabend beim Darmstädter Jazzforum zu Gehör kommt, die afro-amerikanische Diaspora also und wie wir als Europäer mit dieser umgehen. In einem eigenen Beitrag und anschließend im Gespräch mit der Singer-Songwriterin Ella O’Brien-Coker wird Volkmann Aspekte von Ritualität, unsere vielen Identitäten und das performative Sprechen diskutieren. Im abschließenden Panel fragen wir danach, welchen Einfluss unsere Eigen- und Fremdsicht auf den Dialog mit „der Welt“ hat. Wir haben dazu Constanze Schliebs eingeladen, die über viele Jahre Agenturerfahrung im In- und Ausland verfügt, außerdem als Kuratorin und Festivalgründerin in China aktiv war und ist, Sophie-Therese Hueber vom Musikbereich des Goethe-Instituts, sowie Sylvia Freydank vom Internationalen Musikinstitut Darmstadt (Ferienkurse für Neue Musik), Institutionen, bei denen ähnliche Diskussion ebenfalls seit längerem geführt werden (Moderation: Sophie Emilie Beha). Und wir fragen etwas provokant: „Exportieren wir eigentlich nur Musik oder auch unsere Weltsicht?“
Ausführliche Abstracts für Samstag


Konzert:
Am Freitagabend, 1. Oktober 2021, wird Luise Volkmann mit LEONE sauvage im Saal der Bessunger Knabenschule zu hören sein. (mehr…)


Ausstellung:
Ab 4. Oktober 2021 zeigen wir in der Galerie im Jazzinstitut (und während der Konferenz auch im Konferenzraum) die Ausstellung „Jazzgeschichten in Rot und Blau“ mit Plakaten des Schweizer Künstlers Niklaus Troxler. (mehr…)


Weitere Fragen bitte an jazz@jazzinstitut.de


Das 17. Darmstädter Jazzforum wird gefördert von

POSITIONEN! Jazz und Politik

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Verantwortung! Relevanz! Widerstand! Jazz? Lasst uns diskutieren…

Jazz wurde immer als eine Musik der Widerständigkeit wahrgenommen. Mit dem Einzug in die Institutionen scheint der Jazz ein wenig seines politischen Bewusstseins verloren zu haben. Musiker*innen beschäftigen sich mehr mit technischen und ästhetischen Fragen; das Publikum sonnt sich eher im vergleichenden Blick zurück, als dass es seine Aufmerksamkeit dem oft schwierigeren – und das nicht immer, weil die Musik schwierig ist –, aber solidarischen Blick nach vorn widmet.

Und während in den USA, dem Geburtsland des Jazz, fast jedes Projekt eine politische Note erhält, von Vijay Iyer bis Kamasi Washington, scheint Europa im selbstgefälligen Feiern von Jazz als Kunstmusik versunken. In Zeiten, in denen in ganz Europa die sozialen und politischen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte von einem neuen Populismus zurückgedrängt werden, befasst sich aber auch die Kunst insgesamt wieder verstärkt mit gesellschaftlichen Themen, sei es die bewusstere Haltung gegenüber Klimafragen, Armut, Bildung, das globale Verständnis von Menschlichkeit, das Eintreten für die Menschenwürde auf allen Ebenen, eine klare Haltung gegen Sexismus, Rassismus oder sonstige Ausgrenzung. „Diversity“, sagt Kamasi Washington, „should not be tolerated, it should be celebrated.“

Wo also findet diese Feier der Diversität statt im zeitgenössischen europäischen Jazz? Wie ist es um das Bewusstsein für die eigene politische, gesellschaftliche und soziale Verantwortung des Künstlers im Jazz bestellt? Und warum scheint „politisch Lied“ ausgerechnet in dem Genre, das die tiefste Geschichte der Widerständigkeit besitzt, immer noch „garstig Lied“ zu sein?

Das 16. Darmstädter Jazzforum setzt sich mit diesen und ähnlichen Fragen auseinander, in Vorträgen, Diskussionspanels, Gesprächskonzerten, einem Workshop, einer Ausstellung zum Thema sowie einer abschließenden Buchdokumentation. Wir wollen den Jazz nicht bekehren. Nicht alles muss zuvorderst politisch sein. Im Wissen aber darum, dass auch in 2019 gilt, dass „alles politisch ist“, wollen wir mit Musiker*innen, Expert*innen und Wissenschaftler*innen darüber sprechen, ob nicht vielleicht gerade durch die immer präsente politische Kraft des Jazz, die Tatsache also, dass improvisierte Musik ein seismographisch ziemlich empfindliches Abbild der Gegenwart ist, dieser Musik auch 2019 and beyond ein besonders wichtiger Platz im Kanon der aktuellen Musik gebührt.

Der Konferenzteil des Darmstädter Jazzforums findet vom 3. bis 5. Oktober 2019 tagsüber im Literaturhaus Darmstadt statt. Mit den Konzerten, der Ausstellung und Workshops, mit denen wir die Konferenz flankieren, planen wir unterschiedliche Veranstaltungsorte in Darmstadt zu bespielen.

Weiter unten finden sich Abstracts der einzelnen Programmpunkte sowie Biographien der Referentinnen und Referenten. Unser gedruckter Programmflyer (hier als PDF) enthält einen kürzer gefassten Überblick über das 16. Darmstädter Jazzforum:

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Programm (Stand: 29. Juli 2019)
„POSITIONEN! Jazz und Politik“

Donnerstag, 3. Oktober 2019

AUSSTELLUNG (ab 3. Oktober)

Vortragssaal im Literaturhaus + Galerie im Jazzinstitut Darmstadt

Alles wird gut gegangen sein werden – die Ausstellung

Im Künstlerkollektiv BRIGADE FUTUR III haben sich Benjamin Weidekamp, Elia Rediger, Jérôme Bugnon und Michael Haves zusammengetan, um zu Fragen und Herausforderungen unserer Zeit künstlerisch Stellung zu beziehen. Dabei reflektieren sie nichts Geringeres als den Zustand der Welt, die Auswüchse des Kapitalismus und vor allem auch die Möglichkeiten jedes einzelnen, sich in den Diskurs einzubringen.

Als Musiker transportieren sie ihr politisches Statement im Sinne von Brecht und Weill in vielen Konzerten und Bühnenprojekten, oft zusammen mit anderen Musikern und Künstlern wie der Spielvereinigung Sued aus Leipzig.

Auf Einladung des Jazzinstituts Darmstadt hat sich die BRIGADE FUTUR III der Aufgabe gestellt, ihre Ideen im Rahmen dieser Ausstellung für das 16. Darmstädter Jazzforum „Jazz und Politik“ umzusetzen.

Alles wird gut gegangen sein werden… aber wie nur? Wie kann man für ein positives Zukunftsbild einstehen, dessen Voraussetzungen in der Zukunft erst „geschaffen zu sein werden haben?“ Die Idee des fiktionalen Futur III war geboren, mit dem die Künstler einen kategorischen Handlungsimperativ verbinden, um ein positives gesellschaftliches Narrativ zu entwerfen, für das es sich zu leben lohnt.

Auf der Basis ihres „Kampfalphabets“, in dem Schrecken unseres gesellschaftlichen Systems mit Alternativen kontrastiert werden, verfolgen sie ihren konzeptionellen Kunstansatz mit Sendungsbewusstsein.

„Die verheerenden Auswirkungen des Raubtierkapitalismus auf die Welt werden immer deutlicher und es ist klar, dass es so nicht mehr weiter gehen kann.“ BRIGADE FUTUR III

(wegen der Konferenz im Jazzinstitut Darmstadt öffentlich erst ab 7.10. zu sehen) 


KONFERENZ (Literaturhaus)

14:00 Uhr
Eröffnung

14:15 Uhr
Stephan Braese, Aachen
Stammheim war nie Attica. Zur politischen Widerständigkeit des Jazz in Deutschland seit 1945

Ungeachtet des eminenten Einflusses, den die US-amerikanischen Entwicklungen stets hatten, standen die Entfaltung, aber auch die politischen Wirkungschancen des Jazz in Deutschland stets unter spezifischen Bedingungen. Ausgehend von der (Wieder-)Einführung des Jazz 1945, skizziert der Vortrag einige dieser Bedingungen, zu denen die ethnische Homogenität der deutschen Bevölkerung, der Kampf um die Legitimität des Jazz, ein spezifisch europäischer Kunstbegriff, die (west-)deutsche Interpretation der antiautoritären Bewegung 1966 ff. u.a. gehören. Die Ausführungen stellen die Frage danach, ob und inwieweit diese in den Gründungsjahrzehnten des deutschen Jazz angelegten Dispositive auch im heutigen Verhältnis zwischen Jazz und Politik noch zu erkennen und wirksam sind.

Stephan Braese (geb. 1961) studierte Germanistik, Geschichte und Erziehungswissenschaft in Hamburg. Seit 2009 ist er Ludwig Strauss-Professor für europäisch-jüdische Literatur- und Kulturgeschichte an der RWTH Aachen University. Einschlägige Veröffentlichungen u.a.: „Identifying the Impulse: Alfred Lion Founds the Blue Note Jazz Label“, in Eckart Goebel and Sigrid Weigel (ed.): „Escape to Life“ – German Intellectuals in New York: A Compendium of Exile after 1933 (Berlin/ Boston: de Gruyter, 2013): 270-287; „‚kenny clarke im club st-germain-des-prés‘ – Zu einem Satz von Alfred Andersch“, in Corina Caduff, Anne-Kathrin-Reulecke, Ulrike Vedder (ed.): Passionen – Objekte/ Schauplätze/ Denkstile (München: Wilhelm Fink 2010): 309-316.

15:15 Uhr
Henning Vetter, Osnabrück
Jazz als politische Musik? Über die Selbstbestimmung des Künstlers über die Rezeption und Deutungshoheit seines Werkes

Spricht man über Politik in Verbindung mit Jazz, so impliziert diese Zusammenführung eine Positionierung des Künstlers und des Publikums gleichermaßen. Doch wie kann eine an sich abstrakte Musik Haltung zeigen, Aussagen treffen? Und: welche Aussagen kann sie überhaupt treffen? Der Vortrag nähert sich diesen Fragestellungen von einer praktischen Seite am Beispiel des Kollektivs „The Dorf”. Dabei geht es auch darum, wer bestimmt, wie die Musik aufgenommen wird und ob die Intention des Künstlers bezüglich der Bedeutung seines eigenen Werkes nicht sogar überflüssig sein kann.

Henning Vetter studierte Musikwissenschaft und Medienkulturwissenschaft an der Universität zu Köln. Seine Abschlussarbeit widmete er dem Bassisten Charles Mingus im Hinblick auf die politische Wirkung dessen musikalischen Werkes. Von 2017 bis 2019 studierte Henning Vetter am Institut für Musik der Hochschule Osnabrück Saxophon und gründete vor drei Jahren gemeinsam mit Freunden in Köln das PAO-Kollektiv für experimentelle und improvisierte Musik.

16:15 Uhr
Nina Polaschegg, Wien
Sind frei Improvisierende die besseren Demokraten?

Gerne werden Jazz und frei improvisierte Musik als demokratisches Gesellschaftsmodell einem hierarchisch aufgebauten Orchesterapparat gegenüber gestellt. Und ein Streichquartett, wo stünde dann dieses? Ob und wieweit solche Modelle tragfähig sind und inwieweit hier Wunsch und Wirklichkeit auseinander klaffen ist eine der Fragen, denen in diesem Vortrag nachgegangen wird. Um in einem Zeitraffer und knappen Rückblick in die Anfänge des Free Jazz politisch motivierte freie Musik im Hier & Jetzt zu beleuchten und dabei auch einen Blick in die Welt der komponierten zeitgenössischen Musik zu werfen. 

Nina Polaschegg studierte Musikwissenschaften, Soziologie und Philosophie in Giessen und Hamburg wo sie auch promovierte. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der zeitgenössischen komponierten, improvisierten und elektronischen Musik sowie im zeitgenössischen Jazz und Musiksoziologie. Sie lebt als Musikwissenschaftlerin, Musikpublizistin, Moderatorin und Kontrabassistin in Wien, arbeitet für diverse öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten in Deutschland, Österreich und der Schweiz und schreibt für verschiedene Fachzeitschriften. Hatte Lehraufträge an den Musikhochschulen bzw. Universitäten Hamburg und Klagenfurt. Als Kontrabassistin spielte sie historisch informiert in  Barockorchestern und widmet sich v.a. der (freien) Improvisation.

17:15 (bis 17:45) Uhr
Benjamin Weidekamp + Michael Haves, Berlin
Alles wird gut gegangen sein werden – Der Talk

Benjamin Weidekamp und Michael Alves sind Mitglieder der  Brigade Futur III, die beim Darmstädter Jazzforum nicht nur musikalisch aktiv werden (zusammen mit der Spielvereinigung Sued am Samstagabend), sondern auch eine Ausstellung in den Räumen des Jazzinstituts und des Literaturhauses Darmstadt zeigen, in der sie den künstlerischen Prozess ihrer kreativen (und immer auch politischen / gesellschaftlichen) Arbeit beleuchten. Darum geht es auch bei ihrem gemeinsamen Vortrag im Konferenzteil des Jazzforums, in dem sie über die Diskussionen um ihre Darmstädter Beiträge berichten werden.

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Freitag, 4. Oktober 2019

AUSSTELLUNG (ab 3. Oktober)

Vortragssaal im Literaturhaus + Galerie im Jazzinstitut Darmstadt
Alles wird gut gegangen sein werden – die Ausstellung
(wegen der Konferenz im Jazzinstitut Darmstadt öffentlich erst ab 7.10. zu sehen)

KONFERENZ (Literaturhaus)

9:30 Uhr
Wolfram Knauer, Darmstadt
Jazz und Politik – politischer Jazz? Eine bundesdeutsche Perspektive

Wer in diesen Zeiten nicht politisch denkt und handelt, hat ein Problem: Die Krisen, von denen wir von allen Seiten bedrängt werden, fordern doch nachgerade Position zu beziehen. Anhand konkreter Beispiele diskutiert Wolfram Knauer die durchaus unterschiedlichen Erwartungshaltungen an die gesellschaftliche Relevanz von Musik. So fragt er beispielsweise, inwieweit wir uns nicht selbst belügen, wenn wir der Musik außermusikalische Kompetenz zusprechen und sie nach dieser bemessen. Zugleich hinterfragt er aber auch, inwieweit Musik unpolitisch sein kann oder sollte. Tun wir Musik nicht unrecht, wenn wir in ihr die Utopie suchen, die uns in unserem eigenen Handeln fehlt?

Wolfram Knauer ist Musikwissenschaftler und seit seiner Gründung Direktor des Jazzinstituts Darmstadt. Er lehrte an mehreren Universitäten und war als erster Nichtamerikaner Louis Armstrong Professor of Jazz Studies an der Columbia University. Er ist Herausgeber der Darmstädter Beiträge zur Jazzforschung und Autor zahlreicher wissenschaftlicher Beiträge in Büchern und Fachzeitschriften. Bei Reclam erschienen seine Bücher Louis Armstrong (2010), Charlie Parker (2014) und Duke Ellington (2017) sowie jüngst „Play yourself, man!“ Die Geschichte des Jazz in Deutschland (2019).

Mario Dunkel, Oldenburg
Afrodiasporische Musik und Populismus in Europa

Dass populäre Musik und Jazz der Verhandlung von Identitätskonzepten dienen, ist keine neue Erkenntnis. Kategorien wie Nation, race, Ethnizität, Gender und Klasse sind seit den Anfängen des Jazz wichtige Diskursfelder, in denen die Musik verortet und verstanden wird. Die Beziehung zwischen Gruppenidentität und Musik ist insbesondere in der Interaktion zwischen aktueller populärer Musik und zeitgenössischen politischen Bewegungen signifikant. So greift die Alternative für Deutschland (AfD) auf Demonstrationen beispielsweise nicht nur auf deutschsprachige Volksmusik und Richard Wagners Walkürenritt zurück, sondern sie setzt auch populäre Musik mit eindeutigen afrodiasporischen Bezügen ein, wenn etwa Xavier Naidoos „Raus aus dem Reichstag“ eine Demonstration gegen den Bau einer Moschee in Rostock musikalisch begleitet. Dieser Beitrag geht solchen Aneignungsstrategien von afrodiasporischen Musiken in gegenwärtigen politischen Bewegungen nach. Welche Funktion hat die Verwendung afrodiasporischer Musiken in diesen politischen Bewegungen in Europa? Warum wird die Verwendung afrodiasporischer Musiken in diesen Zusammenhängen nicht als widersprüchlich empfunden, wo sie doch die Forderung nach kultureller Homogenität zu karikieren scheint? Inwiefern kann die Aneignung afrodiasporischer Musiken als Bestandteil aktueller Identitätspolitiken in Europa verstanden werden?

Mario Dunkel studierte in Dortmund, Atlanta und New York Musik, Englisch und Amerikanistik. 2014 promovierte er mit einer Dissertation zu Darstellungen von Jazzgeschichte an der TU Dortmund. Er ist zurzeit Juniorprofessor für Musikpädagogik am Institut für Musik der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Konstruktionen und Darstellungen von Jazzgeschichte, Musik und Politik sowie transkulturelle Musikpädagogik. Zurzeit leitet er das internationale Forschungsprojekt „Popular Music and the Rise of Populism in Europe“ (2019-2022).

11:30 Uhr
Martin Pfleiderer, Weimar
„… an outstanding artistic model of democratic cooperation“? Zur Interaktion im Jazz

Glaubt man der Resolution des US-Kongresses aus dem Jahre 1987, so ist Jazz ein herausragendes künstlerisches Modell demokratischer Kooperation. Denn im Jazz, so die verbreitete Vorstellung, halten sich Gruppeninteraktion und individueller Ausdruck die Waage, und in seinen klanglichen Strukturen lassen sich die Prozesse gleichberechtigter Interaktion und Kooperation auch für Außenstehende nachvollziehen. Diese Vorstellungen sollen im Vortrag kritisch hinterfragt werden. Wie geht der interaktive Schaffensprozess im Jazz tatsächlich vonstatten? Welchen Stellenwert haben dabei einerseits körperliche Synchronisierungsprozesse zwischen den MusikerInnen, andererseits explizite Signale und Absprachen? Wird eine gleichberechtigte Interaktion nur inszeniert und auf der Bühne dargestellt, oder ist sie real und hat reale Konsequenzen? Welche Rolle spielen hierarchische Strukturen, Führerschaft und Autorität innerhalb von Jazzbands? Kann schon allein im Prozess des interaktiv-improvisatorischen Musikmachens ein politischer oder sogar utopischer Gehalt aufscheinen oder sind dafür zusätzlich bestimmte Symbole oder Musiker-Statements erforderlich? Neben musiksoziologischen und musikanalytischen Zugängen sollen zur Klärung dieser Fragen auch neuere Ansätze der ›embodied music interaction‹ und der Diskussion um musikalische ›agency‹ herangezogen werden.

Martin Pfleiderer (Jg. 1967) studierte Musikwissenschaft, Philosophie und Soziologie in Gießen und war 1999-2005 wissenschaftlicher Assistent für Systematische Musikwissenschaft an der Uni Hamburg. Seit 2009 ist er Professor für Geschichte des Jazz und der populären Musik am Institut für Musikwissenschaft Weimar-Jena. Er hat zahlreiche Aufsätze zum Jazz veröffentlicht und ist darüber hinaus leidenschaftlicher Jazzsaxophonist.

14:00 Uhr
Panel mit Nadin Deventer, Berlin | Tina Heine, Salzburg | Lena Jeckel, Gütersloh | Ulrich Stock, Hamburg
Veranstalter/innen: die Influencer des Jazz?

In diesem Panel wollen wir über die Strukturzwänge sprechen, in denen insbesondere große Jazzevents organisiert und wahrgenommen werden. Welche Aufgabe haben Kurator/innen über das reine Programmieren hinaus? Wie können Festivals oder Konzertreihen nachhaltig wirken, eine regionale Szene einbinden und zugleich im internationalen Diskurs des Jazz wahrgenommen werden? Welche Auswirkungen haben programmatische Entscheidungen auf die Diskussion innerhalb der gesamten bundesdeutschen Szene? Oder, und damit deutlicher auf unser Konferenzthema bezogen: Wie gehen Programmverantwortliche auf gesellschafts- und kulturpolitische Diskurse ein? Wollen sie das überhaupt oder müssen sie gegebenenfalls auf gesamtgesellschaftlich diskutierte Themen reagieren? Wie schließlich spiegeln sich ihre Programmentscheidungen in der öffentlichen Wahrnehmung wieder? Mit Tina Heine, Lena Jeckel und Nadin Deventer haben wir drei Programmverantwortliche auf dem Podium, die aus eigener Erfahrung über das Machbare genauso wie über das Wünschenswerte berichten können. Mit Ulrich Stock ist zudem ein Journalist dabei, der immer wieder über die Reaktion der Jazzszene auf aktuelle Fragen berichtet und die verschiedenen Orte erkundet, an denen diese gesellschaftlich-musikalische Auseinandersetzung zu erleben ist.

15:30 Uhr
Nikolaus Neuser + Florian Juncker, Berlin
„Occupied Reading“: Musikalische Intervention

Wie verändert die Lektüre politischer, ästhetischer oder sonstiger Texte die Wahrnehmung von Musik? Wie verändert Musik die Lektüre politischer, ästhetischer oder anderer Texte? Nikolaus Neuser und Florian Juncker machen die Probe aufs Exempel, und wir erfahren: Musik verändert das Denken, aber das Denken verändert auch die musikalische Wahrnehmung. Welchen Diskurs lassen solche intermedialen Erfahrungen entstehen? Und was lehren sie uns letzten Endes über den tatsächlichen Einfluss von Musik (oder Kunst im Allgemeinen) auf unser gesellschaftliches Denken und Handeln?

16:00 Uhr
Hans Lüdemann
„Beyond the underdog“. Gesellschaftliche und politische Positionierung eines deutschen Jazzmusikers heute (Vortrag live am Klavier / Lecture-Performance)

Hans Lüdemann erzählt, warum die politische Einstellung für ihn eine der wichtigen Motivationen war, überhaupt Jazzmusiker zu werden. Er fragt, welche Bedeutung eine politische Haltung in Bezug auf den Jazz heute hat, wie und worin sie sich ausdrücken kann. Am Klavier erklingen politisch gefärbte und gedeutete Musikstücke und es wird den Widersprüchen nachgespürt, die sich zwischen politischer Haltung und Botschaft einerseits und der abstrakten Welt der Töne andererseits auftun können. Aber auch die Positionierung und Behauptung des Musikers in der gesellschaftlichen Realität zwischen Kunst, Kommerz, Kulturförderung und Kapitalismus wird dabei mit ins Bild gerückt.

Hans Lüdemann ist Jazzpianist und Komponist. Er hat mit deutschen und internationalen Größen zusammengearbeitet wie Eberhard Weber, Heinz Sauer, Manfred Schoof, Angelika Niescier, Jan Garbarek und Paul Bley. Im Zentrum seiner Arbeit stehen jedoch eigene Projekte: er spielt Solokonzerte, zuletzt 2018 in China, im Trio ROOMS, arbeitet seit 20 Jahren mit dem afrikanischen Balaphon-Meister Aly Keita im TRIO IVOIRE zusammen und leitet das deutsch-französische Oktett „TransEuropeExpress“. Er erweitert das Klavier mit Samples in mikrotonale Bereiche, was in dem neuen Quartett mikroPULS mit Gebhard Ullmann, Oliver Potratz und Eric Schaefer besonders zur Geltung kommt. Hans Lüdemann hat über 30 Alben bei renommierten Labels veröffentlicht. Seine bisher umfangreichste Produktion, die CD – Box„die kunst des trios“, wurde 2013 mit dem „Echo Jazz“ ausgezeichnet. Lüdemann war von 1993 – 2008 Dozent für Jazz-Klavier und – Ensemble an der Musikhochschule Köln, 2009/2010 und 2015/16 Cornell Visiting Professor am Swarthmore College in Philadelphia/USA.

KONZERT (Centralstation Darmstadt)
20:00 Uhr

Anarchist Republic of Bzzz (FR/NL/TR/USA)

Seb El Zin, in Paris lebender Sänger der Ethno-Punk-Band ITHAK, gründete diese etwas andere Supergroup – musikalisch zwischen Impro-Avantgarde, Worldmusic und Slampoetry. Mehr Informationen zum Konzert

Das Konzert wird präsentiert von

Collage: Kiki Picasso©

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Samstag, 5. Oktober 2019

AUSSTELLUNG (ab 3. Oktober)

Vortragssaal im Literaturhaus + Galerie im Jazzinstitut Darmstadt
Alles wird gut gegangen sein werden – die Ausstellung
(wegen der Konferenz im Jazzinstitut Darmstadt öffentlich erst ab 7.10. zu sehen)

KONFERENZ (Literaturhaus)

9:30 Uhr
Nikolaus Neuser, Berlin
Jazz und improvisierte Musik als soziales Rollenmodell?

Wir sind heute täglich in immer komplexere Zusammenhänge eingebunden, auf die wir in immer schnelleren Rückkopplungen reagieren müssen. Durch die Digitalisierung befinden wir uns sowohl technologisch als auch in unserer Kommunikation und Diskursfähigkeit in erheblichen Umbrüchen. Welche Kompetenzen und Modelle zukünftigen Miteinanders liefert uns die Kulturtechnik der Improvisation vor diesem Hintergrund? Nikolaus Neuser beleuchtet diese Fragestellung auch aus der konkreten Perspektive seiner kulturpolitischen Arbeit.

Nikolaus Neuser studierte an der Folkwang-Hochschule in Essen Trompete bei Uli Beckerhoff. Aktuell interpretiert er mit dem Trio I Am Three unkonventionell  besetzt die Musik von Charles Mingus. 2016 legte das Trio das international vielbeachtete Album Mingus Mingus Mingus (Leo Records) vor (Jahresbestenliste Downbeat Magazin, All about Jazz, NYC Jazz Records uva.). Er arbeitet außerdem im Trio mit Richard Scott und Alexander Frangenheim an elekroakkustischer improvisierter Musik und ist u.a. Mitglied der Ensembles Potsa Lotsa, Andreas Willers´ 7 of 8, des Hannes Zerbe Jazz Orchesters und des Berlin Improvisers Orchestra. Nikolaus Neuser hat mit Matthew Herbert, Matana Roberts, Tyshawn Sorey, Nate Wooley, Maggie Nicols, Peter Fox, Seeed sowie dem London Improvisers Orchestra u.v.a gearbeitet und ist auf über 50 CDs zu hören. Konzertreisen u.a. auf Einladung des Goethe Instituts führten ihn durch Europa, Asien, Nordafrika, die USA, in den Libanon, Jordanien, Saudi-Arabien sowie nach Kolumbien, wo er als Gastprofessor an der Pontificia Universidad Javeriana de Bogotá lehrte.

10:30 Uhr
Michael Rüsenberg, Köln
„Jazz ist stets politisch.“ Stimmt diese Aussage von Mark Turner? Und, hört man sie in seiner Musik?

Im November 2016 (Donald Trump ist gerade gewählt), vermutet der amerikanische Saxophonist Mark Turner im Gespräch mit der NZZ, „dass es wieder zu einer Politisierung der Kunst kommen wird.“ Das ist eine Überzeugung, die wie unter einem Brennglas den zentralen Inhalt des Politikverständisses weiter Teile der Jazzszene wiedergibt (s. Titel). „Allein schon der Entscheid, als Jazzmusiker zu leben, ist ein politisches Statement. Denn man entscheidet sich damit für Freiheit, für Emanzipation und gegen den Primat des materiellen Erfolgs“ (Turner). Michael Rüsenberg unterzieht diese Position einer grundsätzlichen Kritik.

Michael Rüsenberg, geb 1948, Journalist, Buchautor, Gastgeber der philosophischen Gesprächsreihe „Gedankensprünge“ in Bann. Adolf-Grimme-Preis 1989, WDR Jazzpreis 2015. Buchprojekt „Improvisation – ein Prinzip des Lebens“ (in Vorbereitung)

11:30 Uhr
Thomas Krüger, Berlin

Der Beitrag von Kunst und Kultur, insbesondere des Jazz, für aktuelle gesellschaftspolitische Diskurse

In meinem Beitrag würde ich zunächst auf die Debatte um die Kulturalisierung des Politischen eingehen und aktuelle Tendenzen politischer Verschiebungen aufzeigen. Ich werde die kreative wie auch die rezeptive Seite von kulturellen Artefakten beleuchten und nach dem Politischen in der Ästhetik fragen. Und danach, was der Jazz, insbesondere der frei improvisierende Jazz in diesem Zusammenhang für ein Potential hat.

Thomas Krüger ist seit 2000 Präsident der Bundeszentrale für politischen Bildung. Seit 1995 ist er Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes. Außerdem ist er zweiter stellvertretender Vorsitzender der Kommission für Jugendmedienschutz und Mitglied des Kuratoriums für den Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten. 1991 bis 1994 war er Senator für Jugend und Familie in Berlin, 1994 bis 1998 Mitglied des Deutschen Bundestages.

14:00 Uhr
Angelika Niescier + Tim Isfort + Victoriah Szirmai + Korhan Erel
… im Ohr des Betrachters
(Lecture-Performance)

Der Ton: ein physikalisches Ereignis, ohne ästhetische noch politische Intention.
In der Wahrnehmung der Rezipienten wird „der Ton“ aber sofort kontextualisiert – eine essentielle Projektionsfläche für tatsächliche und irreale Intentionen, Botschaften und Diskursangebote. In dieser Lecture Performance mit Musiker*innen, Kurator*innen und Jornalist*innen werden unterschiedliche  Perspektiven des Themenclusters untersucht, um Überschneidungen, Unterschiede und mögliche Kontroversen zu verdeutlichen und um sich in der Diskussion dem Intendierten, Verstandenen und Missverstandenen und dem Phänomen des „Politischen“ in der Musik zu nähern.

16:30 Uhr (programmkinorex Darmstadt)
Atef Ben Bouzid, Berlin

Cairo Jazzman – The Groove of a Megacity

„Jazz is more than just a style of music“, sagt Amr Salah. „It’s about freedom.“ Salah, ägyptischer Pianist und Komponist, kämpft seit 2009 jedes Jahr darum, das Cairo Jazz Festival zu realisieren. Jazz ist zu seinem Lebensinhalt geworden, weil diese Musik in seinen Augen völkerverbindend ist und speziell der Jugend ein Sprachrohr gibt. Für Amr Salah handelt es sich um einen vielfältigen Musikstil, der damit auch für Liberalität und Offenheit einer Gesellschaft steht, für die es sich zu kämpfen lohnt. Atif Ben Bouzids Film über das Cairo Jazz Festival gibt ungewohnte und vielschichtige Einblicke in das Leben der Zivilgesellschaft in der Megacity Kairo, eingebettet im Jazz als einer universellen, völkerverbindenden und horizonterweiternden Sprache.
Mehr Informationen zum Film

Nach der Filmvorführung gibt es ein Filmgespräch mit dem Regisseur über Jazz und zivilgesellschaftlicher Aktivismus in der arabischen Welt.

Atef Ben Bouzid ist ein deutscher Journalist, Regisseur und Produzent aus Berlin mit dem Fokus auf Sport, Musik und Gesellschaft. „Cairo Jazzman“ ist sein Regiedebüt. „Cairo Jazzman“ feierte die Weltpremiere beim International Film Festival Rotterdam 2017.

KONZERT (Kulturzentrum Bessunger Knabenschule)
20:00 Uhr

Brigade Futur III + Spielvereinigung Sued
Alles wird gut gegangen sein werden – Das Konzert

Nicht nur grammatikalische Formen lassen sich fiktiv erweitern, sondern auch fiktionale politische Programmatiken in musikalische Spielformen transferieren. Das zumindest beweist die Berliner Brigade Futur 3. Mehr Informationen zum Konzert

Das Konzert wird präsentiert von

Foto: Ebasi Rediger©

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ab Montag, 7. Oktober 2019

AUSSTELLUNG (ab 3. Oktober)

Vortragssaal im Literaturhaus + Galerie im Jazzinstitut Darmstadt
Alles wird gut gegangen sein werden – die Ausstellung
(wegen der Konferenz im Jazzinstitut Darmstadt öffentlich erst ab 7.10. zu sehen)

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Das 16. Darmstädter Jazzforum wird gefördert vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst, den Kulturfonds Frankfurt RheinMain und der Wissenschaftsstadt Darmstadt. Wir danken für die freundliche Unterstützung durch die Sparkasse Darmstadt.

[:en]

Jazz was often seen as a music of resistance, however with its increasing institutionalization some of this political awareness seems to have vanished. It feels as if musicians are more interested in tackling the technical and aesthetic sides of the music while the audience sits back and compares what it hears with what it knows instead of focusing on the unknown, unexpected and perhaps a bit more complex gaze ahead.

Thus, while in the United States, the birthplace of Jazz, many current projects, be it by Vijay Iyer or Kamasi Washington, sport a political note, musicians in Europe seem to be content with jazz being appreciated as art music. However, at a time when all over Europe the social and political achievements of the past decades are being pushed back by new populist movements, all forms of art must face questions of social responsibility again, whether it’s a more conscious position towards climate change, poverty, education, and a global understanding of humanity, whether it’s advocating human dignity on all levels, or taking a clear stance against sexism, racism and any other kind of exclusion: „Diversity“, says Kamasi Washington, „should not be tolerated, it should be celebrated.“

Where, then, do we find such celebration of diversity within contemporary European jazz? How strong is the awareness of musicians for their own political and social responsibility? And why is it that in jazz, the genre with the deepest history of resistance, singing of political justice seems to be looked down upon?

At the 16th Darmstadt Jazzforum we want to ask such questions, in papers, panels, concert lectures, a workshop, an exhibition as well as an ensuing book documentation. We do not think that jazz needs to be converted. Not everything has to be political first. However, as everything will have a political aspect in 2019 as well, we want to talk to musicians, experts, scholars and others about why jazz with its ever-present history of resistance, with improvisation’s seismographic ability to capture present-time discourses, should take a first seat within the canon of contemporary music.

The conference part of the Darmstadt Jazzforum will take place from 3-6 October 2019 at Literaturhaus Darmstadt. It will be flanked by concerts, an exhibition and workshops at other venues and thus involve the whole city in our discourse about the political in jazz.

[to be continued soon]

The 16th Darmstadt Jazzforum is funded by the Hessen State Ministry for Higher Education, Research and the Arts and the City of Darmstadt – City of Science and Culture

[The rest of this page is in German as that will also be the language of the conference.]

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Programm (Stand: 29. Juli 2019)
„POSITIONEN! Jazz und Politik“

Donnerstag, 3. Oktober 2019

AUSSTELLUNG (ab 3. Oktober)

Vortragssaal im Literaturhaus + Galerie im Jazzinstitut Darmstadt

Alles wird gut gegangen sein werden – die Ausstellung

Im Künstlerkollektiv BRIGADE FUTUR III haben sich Benjamin Weidekamp, Elia Rediger, Jérôme Bugnon und Michael Haves zusammengetan, um zu Fragen und Herausforderungen unserer Zeit künstlerisch Stellung zu beziehen. Dabei reflektieren sie nichts Geringeres als den Zustand der Welt, die Auswüchse des Kapitalismus und vor allem auch die Möglichkeiten jedes einzelnen, sich in den Diskurs einzubringen.

Als Musiker transportieren sie ihr politisches Statement im Sinne von Brecht und Weill in vielen Konzerten und Bühnenprojekten, oft zusammen mit anderen Musikern und Künstlern wie der Spielvereinigung Sued aus Leipzig.

Auf Einladung des Jazzinstituts Darmstadt hat sich die BRIGADE FUTUR III der Aufgabe gestellt, ihre Ideen im Rahmen dieser Ausstellung für das 16. Darmstädter Jazzforum „Jazz und Politik“ umzusetzen.

Alles wird gut gegangen sein werden… aber wie nur? Wie kann man für ein positives Zukunftsbild einstehen, dessen Voraussetzungen in der Zukunft erst „geschaffen zu sein werden haben?“ Die Idee des fiktionalen Futur III war geboren, mit dem die Künstler einen kategorischen Handlungsimperativ verbinden, um ein positives gesellschaftliches Narrativ zu entwerfen, für das es sich zu leben lohnt.

Auf der Basis ihres „Kampfalphabets“, in dem Schrecken unseres gesellschaftlichen Systems mit Alternativen kontrastiert werden, verfolgen sie ihren konzeptionellen Kunstansatz mit Sendungsbewusstsein.

„Die verheerenden Auswirkungen des Raubtierkapitalismus auf die Welt werden immer deutlicher und es ist klar, dass es so nicht mehr weiter gehen kann.“ BRIGADE FUTUR III

(wegen der Konferenz im Jazzinstitut Darmstadt öffentlich erst ab 7.10. zu sehen) 


KONFERENZ (Literaturhaus)

14:00 Uhr
Eröffnung

14:15 Uhr
Stephan Braese, Aachen
Stammheim war nie Attica. Zur politischen Widerständigkeit des Jazz in Deutschland seit 1945

Ungeachtet des eminenten Einflusses, den die US-amerikanischen Entwicklungen stets hatten, standen die Entfaltung, aber auch die politischen Wirkungschancen des Jazz in Deutschland stets unter spezifischen Bedingungen. Ausgehend von der (Wieder-)Einführung des Jazz 1945, skizziert der Vortrag einige dieser Bedingungen, zu denen die ethnische Homogenität der deutschen Bevölkerung, der Kampf um die Legitimität des Jazz, ein spezifisch europäischer Kunstbegriff, die (west-)deutsche Interpretation der antiautoritären Bewegung 1966 ff. u.a. gehören. Die Ausführungen stellen die Frage danach, ob und inwieweit diese in den Gründungsjahrzehnten des deutschen Jazz angelegten Dispositive auch im heutigen Verhältnis zwischen Jazz und Politik noch zu erkennen und wirksam sind.

Stephan Braese (geb. 1961) studierte Germanistik, Geschichte und Erziehungswissenschaft in Hamburg. Seit 2009 ist er Ludwig Strauss-Professor für europäisch-jüdische Literatur- und Kulturgeschichte an der RWTH Aachen University. Einschlägige Veröffentlichungen u.a.: „Identifying the Impulse: Alfred Lion Founds the Blue Note Jazz Label“, in Eckart Goebel and Sigrid Weigel (ed.): „Escape to Life“ – German Intellectuals in New York: A Compendium of Exile after 1933 (Berlin/ Boston: de Gruyter, 2013): 270-287; „‚kenny clarke im club st-germain-des-prés‘ – Zu einem Satz von Alfred Andersch“, in Corina Caduff, Anne-Kathrin-Reulecke, Ulrike Vedder (ed.): Passionen – Objekte/ Schauplätze/ Denkstile (München: Wilhelm Fink 2010): 309-316.

15:15 Uhr

Henning Vetter, Osnabrück
Jazz als politische Musik? Über die Selbstbestimmung des Künstlers über die Rezeption und Deutungshoheit seines Werkes

Spricht man über Politik in Verbindung mit Jazz, so impliziert diese Zusammenführung eine Positionierung des Künstlers und des Publikums gleichermaßen. Doch wie kann eine an sich abstrakte Musik Haltung zeigen, Aussagen treffen? Und: welche Aussagen kann sie überhaupt treffen? Der Vortrag nähert sich diesen Fragestellungen von einer praktischen Seite am Beispiel des Kollektivs „The Dorf”. Dabei geht es auch darum, wer bestimmt, wie die Musik aufgenommen wird und ob die Intention des Künstlers bezüglich der Bedeutung seines eigenen Werkes nicht sogar überflüssig sein kann.

Henning Vetter studierte Musikwissenschaft und Medienkulturwissenschaft an der Universität zu Köln. Seine Abschlussarbeit widmete er dem Bassisten Charles Mingus im Hinblick auf die politische Wirkung dessen musikalischen Werkes. Von 2017 bis 2019 studierte Henning Vetter am Institut für Musik der Hochschule Osnabrück Saxophon und gründete vor drei Jahren gemeinsam mit Freunden in Köln das PAO-Kollektiv für experimentelle und improvisierte Musik.

16:15 Uhr
Nina Polaschegg, Wien
Sind frei Improvisierende die besseren Demokraten?

Gerne werden Jazz und frei improvisierte Musik als demokratisches Gesellschaftsmodell einem hierarchisch aufgebauten Orchesterapparat gegenüber gestellt. Und ein Streichquartett, wo stünde dann dieses? Ob und wieweit solche Modelle tragfähig sind und inwieweit hier Wunsch und Wirklichkeit auseinander klaffen ist eine der Fragen, denen in diesem Vortrag nachgegangen wird. Um in einem Zeitraffer und knappen Rückblick in die Anfänge des Free Jazz politisch motivierte freie Musik im Hier & Jetzt zu beleuchten und dabei auch einen Blick in die Welt der komponierten zeitgenössischen Musik zu werfen. 

Nina Polaschegg studierte Musikwissenschaften, Soziologie und Philosophie in Giessen und Hamburg wo sie auch promovierte. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der zeitgenössischen komponierten, improvisierten und elektronischen Musik sowie im zeitgenössischen Jazz und Musiksoziologie. Sie lebt als Musikwissenschaftlerin, Musikpublizistin, Moderatorin und Kontrabassistin in Wien, arbeitet für diverse öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten in Deutschland, Österreich und der Schweiz und schreibt für verschiedene Fachzeitschriften. Hatte Lehraufträge an den Musikhochschulen bzw. Universitäten Hamburg und Klagenfurt. Als Kontrabassistin spielte sie historisch informiert in  Barockorchestern und widmet sich v.a. der (freien) Improvisation.

17:15 (bis 17:45) Uhr
Benjamin Weidekamp + Michael Haves, Berlin
Alles wird gut gegangen sein werden – Der Talk

Benjamin Weidekamp und Michael Alves sind Mitglieder der  Brigade Futur III, die beim Darmstädter Jazzforum nicht nur musikalisch aktiv werden (zusammen mit der Spielvereinigung Sued am Samstagabend), sondern auch eine Ausstellung in den Räumen des Jazzinstituts und des Literaturhauses Darmstadt zeigen, in der sie den künstlerischen Prozess ihrer kreativen (und immer auch politischen / gesellschaftlichen) Arbeit beleuchten. Darum geht es auch bei ihrem gemeinsamen Vortrag im Konferenzteil des Jazzforums, in dem sie über die Diskussionen um ihre Darmstädter Beiträge berichten werden.

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Freitag, 4. Oktober 2019

AUSSTELLUNG (ab 3. Oktober)

Vortragssaal im Literaturhaus + Galerie im Jazzinstitut Darmstadt
Alles wird gut gegangen sein werden – die Ausstellung
(wegen der Konferenz im Jazzinstitut Darmstadt öffentlich erst ab 7.10. zu sehen)

KONFERENZ (Literaturhaus)

9:30 Uhr
Wolfram Knauer, Darmstadt
Jazz und Politik – politischer Jazz? Eine bundesdeutsche Perspektive

Wer in diesen Zeiten nicht politisch denkt und handelt, hat ein Problem: Die Krisen, von denen wir von allen Seiten bedrängt werden, fordern doch nachgerade Position zu beziehen. Anhand konkreter Beispiele diskutiert Wolfram Knauer die durchaus unterschiedlichen Erwartungshaltungen an die gesellschaftliche Relevanz von Musik. So fragt er beispielsweise, inwieweit wir uns nicht selbst belügen, wenn wir der Musik außermusikalische Kompetenz zusprechen und sie nach dieser bemessen. Zugleich hinterfragt er aber auch, inwieweit Musik unpolitisch sein kann oder sollte. Tun wir Musik nicht unrecht, wenn wir in ihr die Utopie suchen, die uns in unserem eigenen Handeln fehlt?

Wolfram Knauer ist Musikwissenschaftler und seit seiner Gründung Direktor des Jazzinstituts Darmstadt. Er lehrte an mehreren Universitäten und war als erster Nichtamerikaner Louis Armstrong Professor of Jazz Studies an der Columbia University. Er ist Herausgeber der Darmstädter Beiträge zur Jazzforschung und Autor zahlreicher wissenschaftlicher Beiträge in Büchern und Fachzeitschriften. Bei Reclam erschienen seine Bücher Louis Armstrong (2010), Charlie Parker (2014) und Duke Ellington (2017) sowie jüngst „Play yourself, man!“ Die Geschichte des Jazz in Deutschland (2019).

Mario Dunkel, Oldenburg
Afrodiasporische Musik und Populismus in Europa

Dass populäre Musik und Jazz der Verhandlung von Identitätskonzepten dienen, ist keine neue Erkenntnis. Kategorien wie Nation, race, Ethnizität, Gender und Klasse sind seit den Anfängen des Jazz wichtige Diskursfelder, in denen die Musik verortet und verstanden wird. Die Beziehung zwischen Gruppenidentität und Musik ist insbesondere in der Interaktion zwischen aktueller populärer Musik und zeitgenössischen politischen Bewegungen signifikant. So greift die Alternative für Deutschland (AfD) auf Demonstrationen beispielsweise nicht nur auf deutschsprachige Volksmusik und Richard Wagners Walkürenritt zurück, sondern sie setzt auch populäre Musik mit eindeutigen afrodiasporischen Bezügen ein, wenn etwa Xavier Naidoos „Raus aus dem Reichstag“ eine Demonstration gegen den Bau einer Moschee in Rostock musikalisch begleitet. Dieser Beitrag geht solchen Aneignungsstrategien von afrodiasporischen Musiken in gegenwärtigen politischen Bewegungen nach. Welche Funktion hat die Verwendung afrodiasporischer Musiken in diesen politischen Bewegungen in Europa? Warum wird die Verwendung afrodiasporischer Musiken in diesen Zusammenhängen nicht als widersprüchlich empfunden, wo sie doch die Forderung nach kultureller Homogenität zu karikieren scheint? Inwiefern kann die Aneignung afrodiasporischer Musiken als Bestandteil aktueller Identitätspolitiken in Europa verstanden werden?

Mario Dunkel studierte in Dortmund, Atlanta und New York Musik, Englisch und Amerikanistik. 2014 promovierte er mit einer Dissertation zu Darstellungen von Jazzgeschichte an der TU Dortmund. Er ist zurzeit Juniorprofessor für Musikpädagogik am Institut für Musik der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Konstruktionen und Darstellungen von Jazzgeschichte, Musik und Politik sowie transkulturelle Musikpädagogik. Zurzeit leitet er das internationale Forschungsprojekt „Popular Music and the Rise of Populism in Europe“ (2019-2022).

11:30 Uhr
Martin Pfleiderer, Weimar
„… an outstanding artistic model of democratic cooperation“? Zur Interaktion im Jazz

Glaubt man der Resolution des US-Kongresses aus dem Jahre 1987, so ist Jazz ein herausragendes künstlerisches Modell demokratischer Kooperation. Denn im Jazz, so die verbreitete Vorstellung, halten sich Gruppeninteraktion und individueller Ausdruck die Waage, und in seinen klanglichen Strukturen lassen sich die Prozesse gleichberechtigter Interaktion und Kooperation auch für Außenstehende nachvollziehen. Diese Vorstellungen sollen im Vortrag kritisch hinterfragt werden. Wie geht der interaktive Schaffensprozess im Jazz tatsächlich vonstatten? Welchen Stellenwert haben dabei einerseits körperliche Synchronisierungsprozesse zwischen den MusikerInnen, andererseits explizite Signale und Absprachen? Wird eine gleichberechtigte Interaktion nur inszeniert und auf der Bühne dargestellt, oder ist sie real und hat reale Konsequenzen? Welche Rolle spielen hierarchische Strukturen, Führerschaft und Autorität innerhalb von Jazzbands? Kann schon allein im Prozess des interaktiv-improvisatorischen Musikmachens ein politischer oder sogar utopischer Gehalt aufscheinen oder sind dafür zusätzlich bestimmte Symbole oder Musiker-Statements erforderlich? Neben musiksoziologischen und musikanalytischen Zugängen sollen zur Klärung dieser Fragen auch neuere Ansätze der ›embodied music interaction‹ und der Diskussion um musikalische ›agency‹ herangezogen werden.

Martin Pfleiderer (Jg. 1967) studierte Musikwissenschaft, Philosophie und Soziologie in Gießen und war 1999-2005 wissenschaftlicher Assistent für Systematische Musikwissenschaft an der Uni Hamburg. Seit 2009 ist er Professor für Geschichte des Jazz und der populären Musik am Institut für Musikwissenschaft Weimar-Jena. Er hat zahlreiche Aufsätze zum Jazz veröffentlicht und ist darüber hinaus leidenschaftlicher Jazzsaxophonist.

14:00 Uhr
Panel mit Nadin Deventer, Berlin | Tina Heine, Salzburg | Lena Jeckel, Gütersloh | Ulrich Stock, Hamburg
Veranstalter/innen: die Influencer des Jazz?

In diesem Panel wollen wir über die Strukturzwänge sprechen, in denen insbesondere große Jazzevents organisiert und wahrgenommen werden. Welche Aufgabe haben Kurator/innen über das reine Programmieren hinaus? Wie können Festivals oder Konzertreihen nachhaltig wirken, eine regionale Szene einbinden und zugleich im internationalen Diskurs des Jazz wahrgenommen werden? Welche Auswirkungen haben programmatische Entscheidungen auf die Diskussion innerhalb der gesamten bundesdeutschen Szene? Oder, und damit deutlicher auf unser Konferenzthema bezogen: Wie gehen Programmverantwortliche auf gesellschafts- und kulturpolitische Diskurse ein? Wollen sie das überhaupt oder müssen sie gegebenenfalls auf gesamtgesellschaftlich diskutierte Themen reagieren? Wie schließlich spiegeln sich ihre Programmentscheidungen in der öffentlichen Wahrnehmung wieder? Mit Tina Heine, Lena Jeckel und Nadin Deventer haben wir drei Programmverantwortliche auf dem Podium, die aus eigener Erfahrung über das Machbare genauso wie über das Wünschenswerte berichten können. Mit Ulrich Stock ist zudem ein Journalist dabei, der immer wieder über die Reaktion der Jazzszene auf aktuelle Fragen berichtet und die verschiedenen Orte erkundet, an denen diese gesellschaftlich-musikalische Auseinandersetzung zu erleben ist.

15:30 Uhr
Nikolaus Neuser + Florian Juncker, Berlin
„Occupied Reading“: Musikalische Intervention

Wie verändert die Lektüre politischer, ästhetischer oder sonstiger Texte die Wahrnehmung von Musik? Wie verändert Musik die Lektüre politischer, ästhetischer oder anderer Texte? Nikolaus Neuser und Florian Juncker machen die Probe aufs Exempel, und wir erfahren: Musik verändert das Denken, aber das Denken verändert auch die musikalische Wahrnehmung. Welchen Diskurs lassen solche intermedialen Erfahrungen entstehen? Und was lehren sie uns letzten Endes über den tatsächlichen Einfluss von Musik (oder Kunst im Allgemeinen) auf unser gesellschaftliches Denken und Handeln?

16:00 Uhr
Hans Lüdemann
„Beyond the underdog“. Gesellschaftliche und politische Positionierung eines deutschen Jazzmusikers heute (Vortrag live am Klavier / Lecture-Performance)

Hans Lüdemann erzählt, warum die politische Einstellung für ihn eine der wichtigen Motivationen war, überhaupt Jazzmusiker zu werden. Er fragt, welche Bedeutung eine politische Haltung in Bezug auf den Jazz heute hat, wie und worin sie sich ausdrücken kann. Am Klavier erklingen politisch gefärbte und gedeutete Musikstücke und es wird den Widersprüchen nachgespürt, die sich zwischen politischer Haltung und Botschaft einerseits und der abstrakten Welt der Töne andererseits auftun können. Aber auch die Positionierung und Behauptung des Musikers in der gesellschaftlichen Realität zwischen Kunst, Kommerz, Kulturförderung und Kapitalismus wird dabei mit ins Bild gerückt.

Hans Lüdemann ist Jazzpianist und Komponist. Er hat mit deutschen und internationalen Größen zusammengearbeitet wie Eberhard Weber, Heinz Sauer, Manfred Schoof, Angelika Niescier, Jan Garbarek und Paul Bley. Im Zentrum seiner Arbeit stehen jedoch eigene Projekte: er spielt Solokonzerte, zuletzt 2018 in China, im Trio ROOMS, arbeitet seit 20 Jahren mit dem afrikanischen Balaphon-Meister Aly Keita im TRIO IVOIRE zusammen und leitet das deutsch-französische Oktett „TransEuropeExpress“. Er erweitert das Klavier mit Samples in mikrotonale Bereiche, was in dem neuen Quartett mikroPULS mit Gebhard Ullmann, Oliver Potratz und Eric Schaefer besonders zur Geltung kommt. Hans Lüdemann hat über 30 Alben bei renommierten Labels veröffentlicht. Seine bisher umfangreichste Produktion, die CD – Box„die kunst des trios“, wurde 2013 mit dem „Echo Jazz“ ausgezeichnet. Lüdemann war von 1993 – 2008 Dozent für Jazz-Klavier und – Ensemble an der Musikhochschule Köln, 2009/2010 und 2015/16 Cornell Visiting Professor am Swarthmore College in Philadelphia/USA.

KONZERT (Centralstation Darmstadt)
20:00 Uhr

Anarchist Republic of Bzzz (FR/NL/TR/USA)

Seb El Zin, in Paris lebender Sänger der Ethno-Punk-Band ITHAK, gründete diese etwas andere Supergroup – musikalisch zwischen Impro-Avantgarde, Worldmusic und Slampoetry. Mehr Informationen zum Konzert

Das Konzert wird präsentiert von

Collage: Kiki Picasso©

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Samstag, 5. Oktober 2019

AUSSTELLUNG (ab 3. Oktober)

Vortragssaal im Literaturhaus + Galerie im Jazzinstitut Darmstadt
Alles wird gut gegangen sein werden – die Ausstellung
(wegen der Konferenz im Jazzinstitut Darmstadt öffentlich erst ab 7.10. zu sehen)

KONFERENZ (Literaturhaus)

9:30 Uhr
Nikolaus Neuser, Berlin
Jazz und improvisierte Musik als soziales Rollenmodell?

Wir sind heute täglich in immer komplexere Zusammenhänge eingebunden, auf die wir in immer schnelleren Rückkopplungen reagieren müssen. Durch die Digitalisierung befinden wir uns sowohl technologisch als auch in unserer Kommunikation und Diskursfähigkeit in erheblichen Umbrüchen. Welche Kompetenzen und Modelle zukünftigen Miteinanders liefert uns die Kulturtechnik der Improvisation vor diesem Hintergrund? Nikolaus Neuser beleuchtet diese Fragestellung auch aus der konkreten Perspektive seiner kulturpolitischen Arbeit.

Nikolaus Neuser studierte an der Folkwang-Hochschule in Essen Trompete bei Uli Beckerhoff. Aktuell interpretiert er mit dem Trio I Am Three unkonventionell  besetzt die Musik von Charles Mingus. 2016 legte das Trio das international vielbeachtete Album Mingus Mingus Mingus (Leo Records) vor (Jahresbestenliste Downbeat Magazin, All about Jazz, NYC Jazz Records uva.). Er arbeitet außerdem im Trio mit Richard Scott und Alexander Frangenheim an elekroakkustischer improvisierter Musik und ist u.a. Mitglied der Ensembles Potsa Lotsa, Andreas Willers´ 7 of 8, des Hannes Zerbe Jazz Orchesters und des Berlin Improvisers Orchestra. Nikolaus Neuser hat mit Matthew Herbert, Matana Roberts, Tyshawn Sorey, Nate Wooley, Maggie Nicols, Peter Fox, Seeed sowie dem London Improvisers Orchestra u.v.a gearbeitet und ist auf über 50 CDs zu hören. Konzertreisen u.a. auf Einladung des Goethe Instituts führten ihn durch Europa, Asien, Nordafrika, die USA, in den Libanon, Jordanien, Saudi-Arabien sowie nach Kolumbien, wo er als Gastprofessor an der Pontificia Universidad Javeriana de Bogotá lehrte.

10:30 Uhr
Michael Rüsenberg, Köln
„Jazz ist stets politisch.“ Stimmt diese Aussage von Mark Turner? Und, hört man sie in seiner Musik?

Im November 2016 (Donald Trump ist gerade gewählt), vermutet der amerikanische Saxophonist Mark Turner im Gespräch mit der NZZ, „dass es wieder zu einer Politisierung der Kunst kommen wird.“ Das ist eine Überzeugung, die wie unter einem Brennglas den zentralen Inhalt des Politikverständisses weiter Teile der Jazzszene wiedergibt (s. Titel). „Allein schon der Entscheid, als Jazzmusiker zu leben, ist ein politisches Statement. Denn man entscheidet sich damit für Freiheit, für Emanzipation und gegen den Primat des materiellen Erfolgs“ (Turner). Michael Rüsenberg unterzieht diese Position einer grundsätzlichen Kritik.

Michael Rüsenberg, geb 1948, Journalist, Buchautor, Gastgeber der philosophischen Gesprächsreihe „Gedankensprünge“ in Bann. Adolf-Grimme-Preis 1989, WDR Jazzpreis 2015. Buchprojekt „Improvisation – ein Prinzip des Lebens“ (in Vorbereitung)

11:30 Uhr
Thomas Krüger, Berlin

Der Beitrag von Kunst und Kultur, insbesondere des Jazz, für aktuelle gesellschaftspolitische Diskurse

In meinem Beitrag würde ich zunächst auf die Debatte um die Kulturalisierung des Politischen eingehen und aktuelle Tendenzen politischer Verschiebungen aufzeigen. Ich werde die kreative wie auch die rezeptive Seite von kulturellen Artefakten beleuchten und nach dem Politischen in der Ästhetik fragen. Und danach, was der Jazz, insbesondere der frei improvisierende Jazz in diesem Zusammenhang für ein Potential hat.

Thomas Krüger ist seit 2000 Präsident der Bundeszentrale für politischen Bildung. Seit 1995 ist er Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes. Außerdem ist er zweiter stellvertretender Vorsitzender der Kommission für Jugendmedienschutz und Mitglied des Kuratoriums für den Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten. 1991 bis 1994 war er Senator für Jugend und Familie in Berlin, 1994 bis 1998 Mitglied des Deutschen Bundestages.

14:00 Uhr
Angelika Niescier + Tim Isfort + Victoriah Szirmai + Korhan Erel
… im Ohr des Betrachters
(Lecture-Performance)

Der Ton: ein physikalisches Ereignis, ohne ästhetische noch politische Intention.
In der Wahrnehmung der Rezipienten wird „der Ton“ aber sofort kontextualisiert – eine essentielle Projektionsfläche für tatsächliche und irreale Intentionen, Botschaften und Diskursangebote. In dieser Lecture Performance mit Musiker*innen, Kurator*innen und Jornalist*innen werden unterschiedliche  Perspektiven des Themenclusters untersucht, um Überschneidungen, Unterschiede und mögliche Kontroversen zu verdeutlichen und um sich in der Diskussion dem Intendierten, Verstandenen und Missverstandenen und dem Phänomen des „Politischen“ in der Musik zu nähern.

16:30 Uhr (programmkinorex Darmstadt)
Atef Ben Bouzid, Berlin

Cairo Jazzman – The Groove of a Megacity

„Jazz is more than just a style of music“, sagt Amr Salah. „It’s about freedom.“ Salah, ägyptischer Pianist und Komponist, kämpft seit 2009 jedes Jahr darum, das Cairo Jazz Festival zu realisieren. Jazz ist zu seinem Lebensinhalt geworden, weil diese Musik in seinen Augen völkerverbindend ist und speziell der Jugend ein Sprachrohr gibt. Für Amr Salah handelt es sich um einen vielfältigen Musikstil, der damit auch für Liberalität und Offenheit einer Gesellschaft steht, für die es sich zu kämpfen lohnt. Atif Ben Bouzids Film über das Cairo Jazz Festival gibt ungewohnte und vielschichtige Einblicke in das Leben der Zivilgesellschaft in der Megacity Kairo, eingebettet im Jazz als einer universellen, völkerverbindenden und horizonterweiternden Sprache.
Mehr Informationen zum Film

Nach der Filmvorführung gibt es ein Filmgespräch mit dem Regisseur über Jazz und zivilgesellschaftlicher Aktivismus in der arabischen Welt.

Atef Ben Bouzid ist ein deutscher Journalist, Regisseur und Produzent aus Berlin mit dem Fokus auf Sport, Musik und Gesellschaft. „Cairo Jazzman“ ist sein Regiedebüt. „Cairo Jazzman“ feierte die Weltpremiere beim International Film Festival Rotterdam 2017.

KONZERT (Kulturzentrum Bessunger Knabenschule)
20:00 Uhr

Brigade Futur III + Spielvereinigung Sued
Alles wird gut gegangen sein werden – Das Konzert

Nicht nur grammatikalische Formen lassen sich fiktiv erweitern, sondern auch fiktionale politische Programmatiken in musikalische Spielformen transferieren. Das zumindest beweist die Berliner Brigade Futur 3. Mehr Informationen zum Konzert

Das Konzert wird präsentiert von

Foto: Ebasi Rediger©

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ab Montag, 7. Oktober 2019

AUSSTELLUNG (ab 3. Oktober)

Vortragssaal im Literaturhaus + Galerie im Jazzinstitut Darmstadt
Alles wird gut gegangen sein werden – die Ausstellung
(wegen der Konferenz im Jazzinstitut Darmstadt öffentlich erst ab 7.10. zu sehen)

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Das 16. Darmstädter Jazzforum wird gefördert vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst, den Kulturfonds Frankfurt RheinMain und der Wissenschaftsstadt Darmstadt. Wir danken für die freundliche Unterstützung durch die Sparkasse Darmstadt.

 

 

[:de]15. Darmstädter Jazzforum[:en]15th Darmstadt Jazzforum[:]

[:de]

Jazz @ 100 | (K)eine Heldengeschichte

Vorträge, Diskussionen, Dokumentationen & Musik zum 15. Darmstädter Jazzforum vom 28. bis 30. September 2017

Wissenschaftler, Journalisten, Musiker und Zuhörer diskutieren vor dem Hintergrund des 100sten Jubiläums der vermeintlich ersten Jazzaufnahme 1917 über verschobene Perspektiven der Jazzgeschichtsschreibung und warum es trotzdem so schwierig zu sein scheint, ohne name-dropping à la „New Orleans“, „Chicago“, „Louis Armstrong“, „Miles“, „Bird“ und „Ella“ über diese in der ganzen Welt verbreiteten und geliebten Musik zu schreiben und zu sprechen. Beim 15. Darmstädter Jazzforum sollen diese Themen aus unterschiedlichster Warte behandelt weden.

Dabei wollen wir die Jazzgeschichte nicht neu schreiben. In der internationalen  Konferenz, in Konzerten und einer Ausstellung hoffen wir allerdings auf eine lebendige Diskussion darüber, wie unser Verständnis von dieser Musik, ihrer Geschichte und ihrer Ästhetik geprägt wurde. Wir verstehen den Jazz als eine Musik mit einer mehr als hundertjährigen Geschichte, und wir wissen, dass diese weit komplexer ist, als die Geschichtsbücher uns das meistens wahrmachen wollen. Unser Ziel ist es, ein wenig von dieser Komplexität zu entwirren, wohl wissend, dass wir damit höchstens an der Oberfläche kratzen werden.

Daneben gewährt eine  Ausstellung mit Fotos von Arne Reimer einen Blick „hinter die Kulissen“ des „öffentlichen“ Jazzlebens von Musiker/innen und drei abendliche Konzerte von Musikern, die auch bei der Konferenz zu Wort kommen, runden die Veranstaltung ab. Die Konferenz selbst ist öffentlich und bei freiem Eintritt. Konfernzsprache ist Englisch. Um unverbindliche Anmeldung wird gebeten.

Details zur Konferenz „Jazz @ 100 | (K)eine Heldengeschichte“
Details zum Konzert mit dem Kirk Lightsey Quintet feat. Paul Zauner
Details zum Konzert mit dem Julia Hülsmann Oktett
Details zum Konzert mit Orrin Evans
Details zur Ausstellung „My Encounters with ‚American Jazz Heroes'“

Donnerstag, 28. bis Samstag, 30. September, Konferenz und Ausstellung im Literaturhaus, Konzerte in der Centralstation und in der Bessunger Knabenschule

Wir bedanken uns bei unseren Partnern und Förderern

Überregionale Medienpartner sind der Hessische Rundfunk mit seinem Kulturprogramm hr2-Kultur, der erneut das „Darmstädter Jazzforum“ präsentiert und unter anderem Mitschnitte und Sendungen zum Darmstädter Jazzforum plant sowie die Zeitschrift Jazzthetik.

Wie auch schon in den vergangenen Jahren unterstützt das Hessische Ministe­rium für Wissenschaft und Kunst und der Kulturfonds Frankfurt RheinMain gGmbH das 15. Darmstädter Jazzforum. Weitere Förderung kommt von der Sparkassenkulturstiftung Hessen-Thüringen und der Sparkasse Darmstadt. Dadurch werden z.B. zeitgemäße Produktions-, Werbe- und Dokumentationskonzepte umgesetzt, die mit dem üblichen Budget des Jazzinsti­tuts Darmstadt nicht realisiert werden können – bei einer national und international beachteten Veranstaltung wie dem Darmstädter Jazzforum aber unverzichtbar sind.[:en]

Jazz @ 100 | An alternative to a story of heroes

Conference, Concerts, exhibition, 28 – 30 September 2017

Details about the conference „Jazz @ 100 | An alternative to a story of heroes“
Details about the concert with the Kirk Lightsey Quintet feat. Paul Zauner
Details about the concert with the Julia Hülsmann Octet

Details about the concert with Orrin Evans
Details about the exhibition „My Encounters with ‚American Jazz Heroes'“

In the centenary of jazz ­– the recordings of the Original Dixieland Jass Band from 1917 are often cited as the first jazz recordings ever – the Darmstadt Jazzforum conference looks at the pitfalls of jazz historiography, which often relies on myths and legends that distort what is even more important: the multi-perspectivity of a music which is being created not only by great masters, but certainly by many individualists.

In all of this, the 15th Darmstadt Jazzforum does not plan to re-write jazz historiography. During the international conference, during concerts and an exhibition, however, we hope for a lively discussion about how our understanding of the music, its history and its aesthetic has been shaped. We see jazz as a music with a history of more than a hundred years, and we know that it’s much more complex than history books usually tell us. Our objective is to unravel some more of this complexity, even though we know that we will only be scratching at the surface. We do not just want to look at the past, either, but are just as much interested in papers that focus on today’s developments and their significance in the cultural discourse jazz always was a part of.

The Darmstadt Jazzforum will focus on different aspects of jazz historiography, such as:

Places:
Jazz historiography mostly talks of major cities, of New Orleans, Chicago or New York, of Paris, London or Berlin. An alternative reading might identify other places (such as Charleston, St. Louis, Los Angeles or Lyon, Leeds, Wuppertal) and link these to specific events, movements, or group activities. An alternative reading might also stress the fact that any fixation of cultural activity to a specific place forgets aspects of mobility which are important in a music dealing mostly with cultural encounters. How do „scenes“ and connections between scenes work? What does the historigraphic choice of focusing on a specific „place“ or the deliberate negation of geographical positioning mean for our understanding of jazz? And what are the specific connections between locations and the music itself?

People:
Jazz historiography often talks about successful or tragic heroes. An alternative reading might move other protagonists into the focus, might talk about temporary networks which enable artistic developments but are much more than mere musical relationships. An alternative reading should not necessarily question the importance of the great personalities but ask what kind of an example they set and/or what examples might have been alternatives from a very different direction. Focusing on people in jazz one needs to ask about the concept of artistic or commercial „success“; one needs to look at the processual aspects of improvisation (as opposed to the „Werk“ aesthetic which shines through in most artists‘ discographies); and one needs to look at the involvement of artists in the cultural discourses of their direct environments (community, city, scene, politics).

Style:
It seems like those lucky days when jazz history could easily be categorized with clear stylistic distinctions are over since the 1970s. And yet we often search for new descriptions to sum up more recent developments. The designation of stylistic names may be helpful for talking about music, but is it a suitable procedure in the internet era in which genre-hopping is the rule for a whole generation? The discussion about „genre“ or „style“ needs to take into consideration how such terms and categories have been canonized in the past and are being used in the present, by the music press, the industry, by fans as well as even by those pretending not to like jazz (Branford Marsalis: „People think if nobody sings it’s jazz.“). When questioning the illusion of genre purity, one has to ask about the general necessity  for categories in the first place and speculate about a future with no need to „file under…“

Presentations, Discussions, Concerts, Exhibition

At the 15th Darmstadt Jazzforum all of these topics are addressed by scholars from different disciplines, by journalists and by musicians. An exhibition with photos by Arne Reimer allows a „view behind the scenes“ of the public life of jazz musicians. Three concerts will complete the event (and some of the musicians will also talk at the conference). Attending the conference is free. We ask, though, for informal registration.

More about the 15th Darmstadt Jazzforum about „Jazz @ 100. An alternative to a story of heroes“ (concerence program, information about the concerts and the exhibition) will be online here in late May.

PS: The language at the Darmstadt Jazzforum conference is English.[:]

Ausstellungen

Anstehende Ausstellungen – Upcoming Exhibition

OF(F) RECORDS

One LP by William Ellis

Welche Platte hat Sie am meisten geprägt?“ – Diese Frage stellt der britische Fotograf William Ellis seit dem Jahr 2010 Musikerinnen und Musikern für sein Projekt „One LP“, bevor er die Personen mit ihrer Lieblingsplatte ablichtet. Die Geschichten, die sie dazu erzählen, sind Teil der Darstellung. Im Laufe der Jahre erfasst Ellis so über 200 Fotografien und Erzählungen. Zu Anfang beschäftigt er sich nur mit Jazzmusiker*innen, später weitet er sein Konzept auf andere Musikstile aus. Dafür reist William Ellis um die Welt und fängt die Künstler*innen Backstage, kurz vor dem Auftritt ab oder hat die Chance, sie zuhause zu  ganz privat kennenzulernen.

Eine Ausstellung im Jazzinstitut soll diese sehr unterschiedlichen und einzigartigen Fotografien und Interviews in Szene setzen. Zusätzlich zur Ausstellung gibt es am 17.01.2025 ein Künstlergespräch mit William Ellis.

SAVE THE DATE

Vernissage: 10.01.2025, 19:00 Uhr, Galerie im Jazzinstitut Darmstadt

Künstlergespräch mit William Ellis: 17.01.2025, 19:00 Uhr, Galerie im Jazzinstitut Darmstadt (im Anschluss an das Künstlergespräch findet im Gewölbekeller ein Plattenabend mit Thomas Meinecke statt)

Laufzeit: 10.01.2025-31.01.2025

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“Which record has influenced you the most?” – Since 2010, British photographer William Ellis has been asking musicians this question for his “One LP” project before photographing them with their favorite record. The stories they tell are part of the portrayal. Over the years, Ellis has captured over 200 photographs and stories. In the beginning, he only focused on jazz musicians, later expanding his concept to include other styles of music. To this end, William Ellis travels around the world and captures the artists backstage, shortly before the performance, or has the chance to get to know them privately at home.

An exhibition at the Jazzinstitut will showcase these very different and unique photographs and interviews. In addition to the exhibition, there will be an artist talk with William Ellis on 17.01.2025.

SAVE THE DATE

Vernissage: 10.01.2025, 19:00, Gallery at the Jazzinstitut Darmstadt

Artist talk with William Ellis: 17.01.2025, 19:00, Galerie im Jazzinstitut Darmstadt (following the artist talk there will be a record evening with Thomas Meinecke in the vaulted cellar.