Dozenten und Dozentinnen 2022

Rabie Azar …

… war in Syrien acht Jahre lang Mitglied des Syrischen Nationalorchesters und des National Syrian Orchestra of Arabic Music sowie des Mediterranean Orchestra gewesen, bevor er dem syrischen Bürgerkrieg nach Deutschland entfloh. Von 2015 bis 2018 war der Bratschist Mitglied im Florida Lake Symphony Orchestra. Internationale Tourneen mit all diesen Orchestern führten ihn durch Europa und in die halbe arabische Welt.

Foto: Imago/Bridges-Musikprojekt©

In seiner Heimat Syrien lehrte er parallel zu seinen Konzertengagements zunächst auch Violine und Viola an der Al Baath Universität in Homs sowie dem Sulhi al Wadi-Institut für Musik in Damaskus. Sein Studium hatte er 2005 am nationalen Musikkonservatorium von Damaskus abgeschlossen, wo er in klassisch-westlicher und in traditionell-orientalischer ebenso wie in zeitgenössischer populärer Musik ausgebildet wurde.

In Deutschland ist Rabie Azar u.a. Mitglied des Frankfurter „Bridges – Musik verbindet“-Kammerorchesters und lebt seit ein paar Jahren in Darmstadt. Neben zahlreichen Bühnenerfahrungen in sehr unterschiedlichen Kontexten während der letzten Jahre unterrichtet Azar auch im musikalischen Weiterbildungsprojekt Waggong e.V. in Frankfurt, wo er sein Wissen über die Fusion unterschiedlichster Musiktraditionen und deren vielfältigen Elementen der Improvisation an seine Schüler:innen weitergibt.

Heidi Bayer

… hat in den letzten Jahren eine bemerkenswerte Karriere hingelegt, die sie in eine Reihe mit anderen jungen (sie ist Jahrgang 1987) europäischen Spitzen-Trompeterinnen wie Andrea Motis, Laura Jurd oder Airelle Besson stellt. Seit 2020 ist sie Resident des NICA-Artist Development Program im Kölner „Stadtgarten“. Heidi Bayer ist eine von drei Nominierten für den diesjährigen „Deutschen Jazzpreis“ in der Kategorie „Blechblasinstrumente“.

Foto: Franka Hills©

Bayer, die aus dem oberfränkischen Kulmbach stammt und ursprünglich mit der Klarinette begann, kam über die Schul-Bigband zur Trompete und zum Jazz, und wurde anschließend kulturell-musikalisch im Großraum Frankfurt sozialisiert. Einem Studium im Fach Kulturmanagement in Marburg schloss sich ein Bachelor in Jazz- und Popularmusik an der Hochschule für Musik in Mainz an, bevor es sie nach einem Auslandssemester in Miami endgültig in die Jazzmetropole Köln weiterzog und einen Masterstudiengang Jazz / Improvising Artist bei Ryan Carniaux und Thomas Rückert an der Folkwangschule in Essen folgen ließ.

In ihrer neuen Wahlheimat, in der Domstadt, mischte Bayer sich in die vielfältige Szene ein, zeigte Präsenz auf unzähligen Sessions und war schnell gefragt bei diversen großen und kleinen Bands, die das Spannungsverhältnis zwischen Freiheit und Struktur immer wieder anders ausbuchstabieren; in Bigbands wie dem Subway Jazz Orchestra, der Hendrika Entzian Bigband oder dem Fuchsthone Orchestra ebenso wie beispielsweise in den Bands von Janning Trumann, Shannon Barnett, Stefan Karl Schmid oder Sven Decker. In Darmstadt war sie zuletzt 2021 mit Luise Volkmanns LEONEsauvage zu hören.

Zunehmend fokussiert sich Bayer auf ihre eigenen Projekte, ihr Duo mit dem Pianisten Sebastian Scobel oder ihr Quartett Virtual Leak, dessen Debüt-CD im Frühjahr 2020 erschienen ist. Nicht nur als Instrumentalistin, sondern zunehmend auch als Bandleaderin, Arrangeurin und Komponistin erarbeitet sie sich den Zugriff auf die ganz große Palette der Klänge.

Christopher Dell …

… ist seit den späten 1990er Jahren Stammgast in der illustren Riege der Lehrkräfte bei den Darmstädter Jazz Conceptions.  Seitdem hat der gebürtige Darmstädter eine fantastische musikalische Karriere hingelegt, die ihm neben dem Musikpreis seiner Heimatstadt, den der Vibraphonist bereits 2005 erhielt, im vergangenen Jahr den „Deutschen Jazzpreis“ und in diesem Jahr auch noch den „Hessischen Jazzpreis 2022“ einbrachte.

Foto: Johanna Lippmann©

Aber nicht nur als improvisierender Musiker zählt Dell zu den herausragenden Protagonisten der Gegenwart, sondern auch als Stadtbautheoretiker, Philosoph und Architekturkritiker sind Dells Diskursbeiträge europaweit gefragt. Plan, Struktur, Komplexität, Information sind zentrale Begriffe im künstlerischen wie akademischen Kosmos Christopher Dells. Insbesondere mit seinen egalitären Trios D.R.A. (Dell/Ramond/Astor) und Dell/Lillinger/Westergaard verfolgt er diese musikalische Philosophie seit bald zwei Jahrzehnten konsequent. „Dell mag es schwierig, mag die Schwelle, den Widerstand. (…) Musikalische Forschung ohne Gefallsucht, das ist sein Metier“, schrieb Ulrich Stock in der ZEIT dazu.

Über seine Ideen für den diesjährigen Kurs sagt er folgendes:

„Ich werde mit den TeilnehmerInnen Materialien aus meinem Werkzyklus „Das Arbeitende Konzert/ The Working Concert“ erarbeiten.“

Angela Frontera

… fand 1993 den weiten Weg von Belo Horizonte ins beschauliche Rheinhessen. Die Tochter einer Musikerfamilie, die als Perkussionistin bereits in Brasilien mit vielen großen Namen aufgetreten war, fasste in Deutschland und Europa schnell in der vitalen Latin-Szene Fuß. Neben „ernsthaften“ musikalischen Projekten mit Airto Moreira, Paulo Cardoso, Edo Zanki oder dem auch kommerziell sehr erfolgreichen LatinJazz-Projekt Café del Mundo, sah man die Perkussionistin in vielen Fernsehshows an der Seite von Nina Hagen, Grace Jones, Lou Bega oder gelegentlich auch in der „Harald-Schmidt-Show“.

Foto: Seele Zeigen©

Ihre wohl bekannteste und dauerhafteste Zusammenarbeit mit dem Duo „Rosanna & Zélia“ brachte ihr viel internationale Aufmerksamkeit in der so genannten World Music-Szene der 90er und 00er-Jahre. Aber auch in der Jazzband Witchcraft um die Bassistin Lindy Huppertsberg oder der Frankfurter Frauen-Popband Kick La Luna fühlt sich Frontera in den letzten Jahren wohl. Vor allem ihre Vielseitigkeit als Perkussionistin, seltener am klassischen Schlagzeug-Set – wobei sie auch das beherrscht, wie sie nicht zuletzt auf Uli Partheils letzter Produktion „Reflections2020“ unter Beweis stellt – machen Angela Frontera zu einer äußerst gefragten und damit überaus Band-erfahrenen Musikerin.

Uli Partheil

… ist seit 2021 künstlerischer Leiter der Darmstädter Jazz Conceptions und damit Nachfolger seines langjährigen musikalischen Mentors und Freundes Jürgen Wuchner. Partheil ist einer der aktivsten Protagonisten der Darmstädter Szene, beeinflusst von der Musik Duke Ellingtons, Thelonious Monks, kubanischen Rhythmen und dem Blues. Er ist nicht nur ein versierter Pianist in sämtlichen Stilistiken des Jazz, sondern auch als Komponist tätig. In seinen Kompositionen geht er äußerst kreativ mit den verschiedenen Einflüssen um, die ihn als Musiker prägen.

Foto: Oskar Partheil©

Uli Partheil studierte an der Mannheimer Musikhochschule unter anderem bei Professor Jörg Reiter Jazzpiano, außerdem Komposition und Arrangement. Seit Beginn der 1990er Jahre arbeitete er mit Jürgen Wuchner, Matthias Schubert, Janusz Stefanski, Ack van Rooyen, Rudi Mahall, Emil Mangelsdorff, Hanns Höhn, Peter Back, dem Wiener Kronenbräu Orchester und vielen anderen zusammen. Als Begleiter ist er auch immer wieder am Staatstheater Darmstadt zu hören. Bis zum Beginn der Pandemie leitete er das von ihm selbst ins Leben gerufene Darmstädter Jugendweltmusikorchester.

Mit seinem Working Trio „Playtime“ ist er in den letzten Jahren mit verschiedenen Literatur- & Jazz-Projekten erfolgreich. Zuletzt veröffentlichte er gemeinsam mit Ulli Jünemann, Ralf Cetto und Angela Frontera den Longplayer „Reflections2020“. Partheil unterrichtet an der Jazz & Pop School Darmstadt. Für seine musikalischen Verdienste und sein Wirken für die Förderung des jazzmusikalischen Nachwuchses erhielt er 2008 den Darmstädter Musikpreis.

Über seine Vorstellungen zum diesjährigen Workshop schreibt er folgendes:

Ich möchte wieder versuchen mindestens ein Stück auswendig und ganzheitlich zu erarbeiten, d.h. die Musiker:innen sollen nicht nur ihren Part, sondern das ganze Werk lernen und verstehen. Dazu werde ich eigene Kompositionen und andere ausgewählte Stücke mitbringen.“

Christian Ramond …

… hat sie alle begleitet: Joe Pass, Lee Konitz, Dave Liebman, Kenny Wheeler, Charlie Mariano, Thomas Stanko, Albert Mangelsdorf, Doug Rainey, Randy Brecker, Don Friedman, Philippe Catherine, Keith Copeland … eine nicht enden wollende Reihe großartiger Jazzmusiker. Und wahrscheinlich wäre die Reihe der Länder, in denen Ramond noch nicht aufgetreten ist weitaus kürzer als die Liste seiner internationalen Gastspiele. Hinzu kommen annähernd 100 Einspielungen auf CD oder Schallplatte.

Foto: Christian Ramond©

Dieses enorme Lebenswerk liegt darin begründet, dass der in Bonn geborene Kontrabassist in allen Stilistiken des Jazz – von Swing bis zum freien Zusammenspiel – zuhause ist. Ramonds Spiel ist dabei nicht nur äußerst solide, sondern auch höchst wandlungsfähig – ohne seine eigene, charaktervolle Klangsprache zu verlieren, die mit Sicherheit auch in seinem Ensemble während der 31. Darmstädter Jazz Conceptions zum Tragen kommen wird.

Über seine Vorstellungen zum diesjährigen Workshop schreibt er folgendes:

„In meinem Ensemble möchte ich Kompositionen von drei Wegbereitern des modernen Jazz – Duke Ellington, Charles Mingus und Ornette Coleman – erarbeiten. Die lineare, harmonische und rhythmische Sprache des Jazz soll wie bei Mingus ergänzt werden durch freie Improvisation ,Kommunikation und kollektives Zusammenspiel. Material und Form der Improvisation soll gemeinsam entdeckt und erarbeitet werden und es besteht Offenheit für Ideen, gegebenenfalls eigene Stücke der Ensemblemitglieder.“

Jazz Conceptions

Sommerworkshop seit 1992

Die Darmstädter Jazz Conceptions wurden 1992 von dem Darmstädter Bassisten Jürgen Wuchner (1948-2020) ins Leben gerufen und finden bis heute in nahezu unveränderter Form statt. Die Einzigartigkeit beruht auf dem Konzept eines reinen Ensemble-Workshops mit einem hohen Maß an Eigenverantwortlichkeit der Teilnehmenden und auch der Dozent*innen. Es geht darum individuelle musikalische Konzepte, die in der Welt des zeitgenössischen Jazz in großer Vielfalt existieren, den Teilnehmer*innen näher zu bringen und ihnen einen Einblick in die Werkstatt des Musik-Schaffens zu geben.

„Die beste Erfindung seit es Musikunterricht gibt…?“ (Teilnehmer*in)

Eine offene Haltung mitbringen, sein Instrument „beherrschen“, sich wohlfühlen 

Was bedeutet dies für die Teilnahme an den Jazz Conceptions? Das Allerwichtigste zuerst: Es geht immer darum innerhalb einer Woche ein Ensemble zu entwickeln, in dem alle Beteiligten, egal welchen Background sie besitzen, eine musikalische Rolle finden in der sie sich wohl fühlen. Um das zu erreichen, sind bestimmte Kompetenzen wünschenswert. Grundsätzlich sollte man beim Spielen seines Instruments nur in dem Maße mit sich selbst beschäftigt sein, dass man immer noch in der Lage ist den anderen zuzuhören. Man sollte auch wissen, dass es Techniken wie Intonation, Timing, Improvisation gibt, die im Jazz eine zentrale Rolle spielen. Dabei ist eine langjährige Erfahrung mit Jazz und Improvisation gar nicht von Bedeutung. Die Fähigkeit zuhören zu können, ist sehr viel entscheidender – und das fällt eben leichter, wenn man sein Instrument beherrscht.

Hilfreich ist auch, mit einer grundsätzlich offenen Haltung in den Workshop zu gehen und das eigene Ego hinten anzustellen. Denn es geht darum gemeinsam etwas zu erarbeiten. Und am Ende sollten alle ihren Spaß haben.

„Meine ersten Jazz Conceptions / Die bestehenden Zweifel an dem offenen Konzept hatten sich nach einem Tag vollständig zerschlagen. / Es ist anders, aber sehr gut.“ (Teilnehmer*in)

Die Jazz Conceptions sind ein Ensembleworkshop

Bei der Bildung der Ensembles ist die Eigenverantwortung und Selbsteinschätzung der Teilnehmenden gefragt. Beim ersten Zusammentreffen erklären alle Dozent*innen, was sie in der Woche vorhaben. Anschließend überlegen die Teilnehmer*innen sich, in wessen Gruppe sie gerne möchten. Auf dem Hof der Knabenschule finden sich dann die Ensembles erstmals zusammen. Man kann in Ruhe miteinander reden über Erwartungen und eventuelle Unsicherheiten. Man muss vielleicht Kompromisse eingehen. Am Ende haben sich die Ensembles gefunden. Das funktioniert seit über 30 Jahren in hervorragender Weise und ist eine der Besonderheiten dieses Workshops.

„Ein breites Leistungsspektrum der TeilnehmerInnen wird durch das Konzept und die Qualität der DozentInnen zu sehr guten musikalischen Ergebnissen gelenkt. Jeder ist in die Ausarbeitung der Stücke eingebunden.“ (Teilnehmer*in)

Seit Corona: Veränderte Raumbelegungen

Zwei Dinge, die sich in den beiden Corona-Jahren bewährt haben, möchten wir gerne beibehalten: Die Begrenzung der Ensemblegrößen auf höchstens acht Mitglieder sowie die räumliche Verteilung der Gruppen auf verschiedene Probenorte, wobei der zentrale Treffpunkt der Hof der Bessunger Knabenschule bleiben wird. Mit je drei Proberäumen in der nahe gelegenen Akademie für Tonkunst sowie in der Bessunger Knabenschule wird ruhiges und konzentriertes Arbeiten in den Gruppen mit ausreichend Platz wesentlich einfacher.

„Zentraler Treffpunkt: Bessunger Knabenschule! Super Team. Verpflegung und Ambiente bei tollem Wetter perfekt.“ (Teilnehmer*in)

Was sind die typischen Inhalte der Jazz Conceptions?

Die Darmstädter Jazz Conceptions bieten die einmalige Möglichkeit, in Zusammenarbeit mit professionellen Musikschaffenden im wahrsten Sinne des Wortes etwas aus der Werkstatt des Jazz zu erfahren. Gruppen erarbeiten Stücke; da wird über die richtige Art des Übens gesprochen und harmonische Feinheiten erklärt, solistische oder kollektive Improvisationen geprobt und besprochen. Zwischen den Gruppensitzungen besteht die Möglichkeit des individuellen Übens oder des lockeren Gesprächs in der nur für den Workshop geöffneten Cafeteria unter freiem Himmel. Begleitend werden theoretische oder gelegentlich auch jazzhistorische Programmpunkte angeboten. An jedem Abend der Woche gibt es bei Sessions in verschiedenen Darmstädter Openair Locations die Möglichkeit, die Ergebnisse der täglichen Arbeit zu zeigen oder einfach nur zu „jammen“.

„Was mir neben den super Locations der Jamsessions besonders gefallen hat, war die unterstützende Haltung der Dozenten an diesen Abenden. Hierdurch haben sich einige Teilnehmer mehr auf die Bühne getraut – trotz eines voll besetzten Schlossgartens.“ (Teilnehmer*in)

Die Profis als ein Teil des Ganzen

Die fünf Dozent*innen, die von uns ausgewählt werden sowie der künstlerische Leiter Uli Partheil bringen Kompetenzen mit, die es ihnen ermöglichen offen, flexibel und spontan aus einer mehr oder weniger zufällig entstandenen Gruppe von unterschiedlichen Talenten ein funktionierendes Ensemble zu formen. Dabei ist es wichtig, dass sie in der Lage sind auf die individuellen Fähigkeiten der Gruppenmitglieder einzugehen und vor allem deren individuellen Stärken herauszuarbeiten.

Die Ensemblearbeit bewegt sich immer in einem Spannungsfeld. Alle Teilnehmenden möchten einerseits tun, was sie schon gut können, andererseits möchten sie aber auch neue Erfahrungen machen und Dinge ausprobieren. Die Herausforderung für Lernende und Unterrichtende besteht darin, hier eine Balance zu finden.

Seit 2022 haben wir ein zusätzliches Format in die Workshop-Woche integriert, die es allen Teilnehmer*innen ermöglichen soll auch die Profis besser kennenzulernen, in deren Ensemble sie nicht spielen. Beim DJC-Talk am frühen Abend berichten die Dozent*innen im täglichen Wechsel über ihre persönlichen musikalischen Erfahrungen, ihre musikalische Philosophie, geben Tipps fürs Proben und Üben und vieles mehr.

Die Darmstädter Jazz Conceptions arbeiten jedes Jahr aufs Neue daran, Laien und professionelle Musikerinnen und Musiker zusammenzubringen, die sich gemeinsam auf die Suche nach dieser Balance machen. Am Ende geht es immer nur um die Musik und ihr zu dienen.

„Super Dozent*innen mit ganz unterschiedlichen Konzepten. Durch die gelöste Atmosphäre entstand die Möglichkeit, auch abseits des offiziellen Teils mit diesen neue Möglichkeiten zu entdecken und auch bekanntes anders einzuordnen. Tolle Erfahrungen. Danke dafür.“ (Teilnehmer*in)

Dozentinnen und Dozenten 2025 sind

Corinna Danzer (Saxophon)
Rudi Fischerlehner (Schlagzeug)
Martin Lejeune (Gitarre)

Athina Kontou (Bass)
Uli Partheil (Piano)
Jon Sass (Tuba)

Als künstlerischer Leiter des Workshops ist der Pianist Uli Partheil seit 2022 für die Auswahl der Dozent*innen verantwortlich. Die ausgewählten  Musiker*innen für den Sommer-Workshop stehen in der Regel im Februar oder März fest. Das aktuelle Workshop-Programm wird dann um Ostern herum bekannt gegeben. Anmeldungen sind erst dann verbindlich möglich, wenn das Online-Anmeldeformular auf dieser Seite freigeschaltet wurde.

Bitte beachten: Die Darmstädter Jazz Conceptions 2025 sind ausgebucht. Interessierte können sich nur noch für eine Warteliste registrieren.  

HIER GEHT’S zu weiteren INFORMATIONEN (bitte zuerst lesen!) zur Teilnahme.
Das  ANMELDEFORMULAR für die 34. Darmstädter Jazz Conceptions 2025 ist freigeschaltet. 

„Ein tiefgreifender musikalischer Plan. Am Ende der Woche fühlt man ein Leuchten.“ (Teilnehmer*in)

Die Darmstädter Jazz Conceptions sind eine Gemeinschaftsveranstaltung des Kulturzentrums Bessunger Knabenschule und des städtischen Jazzinstituts Darmstadt.

Mit freundlicher Unterstützung der Wissenschaftsstadt Darmstadt und des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst.

Alle Dozenten der Jazz Conceptions von 1992 bis 2024 

Felix Astor, Rabie Azar, Peter Back, Johannes Bauer, Heidi Bayer, Harry Beckett, Han Bennink, Karl Berger, Matthew Bookert, Élodie Brochier, Rüdiger Carl, Graham Collier, Marty Cook, Thomas Cremer, Christopher Dell, Erwin Ditzner, Norbert Dömling, Axel Dörner, Silke Eberhard,  Johannes Fink, Jörg Fischer, Martial Frenzel, Angela Frontera, Christina Fuchs, Valentin Garvie, Peter Giger, Rachel Gould, Sebastian Gramss, Carola Grey, Michael Griener, Gerhard Gschlößl, Daniel Guggenheim, Gunter Hampel, Gabriele Hasler, Maike Hilbig, Allen Jacobson, Ute Jeutter, Nicole Johänntgen, Sven-Ake Johansson, Llewellyn Jones, Ekkehard Jost, Wollie Kaiser, Kalle Kalima, Anna Kaluza, Günter Klatt, Morris Kliphuis, Richard Koch, Hans Koller, Peter Kowald, Steve Lacy, Tony Lakatos, Detlef Landeck, Ingrid Laubrock, Christoph Lauer, Johannes Lauer, Hazel Leach, Jan Leipnitz, Martin LeJeune, Kathrin Lemke, Anke Lucks, Rudi Mahall, Emil Mangelsdorff, Lucía Martínez, Stefan Meinberg, Krzysztof Misiak, Frank Möbus, Mani Neumaier, Angelika Niescier, Tom Nicholas, Uwe Oberg, Axel Pape, Uli Partheil, Michel Pilz, Elvira Plenar, Wolfgang Puschnig, Gerd Putschögl, Adam Pieronczyk, Christian Ramond, John-Dennis Renken, Wolfgang Reisinger, Bertram Ritter, Laura Robles, Michael Sagmeister, Heinz Sauer, Joe Sachse, Taiko Saito, Jon Sass, Uli Scherer, Ulli Schiffelholz, Almut  Schlichting, Daniel Schmitz, Johannes Schmitz, John Schröder, Matthias Schubert, Henning Sieverts, Thomas Siffling, Günter ‚Baby‘ Sommer, Janusz Stefanski, Oliver Steidle, Norbert Stein, John Tchicai, Christof Thewes, Gebhard Ullmann, Philipp van Endert, Ack van Rooyen, Reimer von Essen, Felix Wahnschaffe, Peter Weiss, Jürgen Wuchner … (to be continued)

heimat@jazzinstitut 2022

Kreatives Auftanken in der Pandemie

Unsere Kurzresidenz-Reihe für 2022 im Jazzinstitut

Unsere Gesellschaft tritt im dritten Jahr der Pandemie in eine Phase der Erschöpfung. Das gilt besonders für Kulturschaffende und für Kreative. Umso mehr werden Rückzugsorte und Räume der Inspiration gebraucht, die ein kreatives Auftanken ermöglichen.

2022 stellt das Jazzinstitut Darmstadt während fünf Terminen seine Räumlichkeiten und fachlichen Ressourcen Jazzmusikerinnen und -musikern für Kurzresidenzen zur Verfügung. Für einige Tage erhalten sie die Gelegenheit, das Darmstadt zur HEIMAT ihrer aktuellen künstlerischen Ambitionen und Projekte zu machen. HEIMAT meint hier einen Ursprungspunkt für Kreativität und neue künstlerische Impulse. HEIMAT liefert den Humus für kreatives Wachstum.

Die Auswahl für heimat@jazzinstitut 2022 berücksichtigt Projekte, die personell und konzeptionell Aspekte der Gender Equity, der Diversität und der Überwindung sozialer Ungleichheit in den Mittelpunkt stellen. Zudem sollen Ideen für eine Genre- oder Kunstform übergreifenden Umsetzung besonders unterstützt werden. Ziel ist es dabei, spannenden Musiker:innen ein temporäres Labor für ihre persönliche künstlerische Profilierung zu bieten. Das Jazzinstitut ist dabei vorübergehende HEIMAT, Ort der Reflexion und zugleich Plattform für die Weiterentwicklung ihrer künstlerischen Karrieren.

heimat@jazzinstitut 2022 wir gefördert vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst und der Wissenschaftsstadt Darmstadt

heimat@jazzinstitut – die Idee

Beginnend mit dem Jahr 2022 stellt das Jazzinstitut Darmstadt während vier, respektive fünf über das Jahr verteilten Terminen seine Räumlichkeiten und fachlichen Ressourcen Musikerinnen und Musiker aus dem Bereich des zeitgenössischen Jazz und der aktuellen improvisierten Musik für Kurzresidenzen zur Verfügung. Für einige Tage erhalten sie die Gelegenheit, Darmstadt und das Jazzinstitut zur HEIMAT ihrer aktuellen künstlerischen Ambitionen und Projekte zu machen. Hintergrund und Ausgangspunkt stellen dabei die Diskussionen dar, die während des 17. Darmstädter Jazzforum „Roots_Heimat: Wie offen ist der Jazz?“ im Jahr 2021 geführt wurden.

Der Begriff der (künstlerischen) HEIMAT trägt der Tatsache Rechnung, dass gerade der Jazz eine kulturelle und ästhetische Selbstverortung verlangt. HEIMAT bezeichnet folglich einen Ursprungspunkt für Kreativität und neue künstlerische Impulse. Jazz ist dabei mehr als Musik; eine kreative Praxis, die global benutzt wird, dabei auf ihre afro-amerikanische Herkunft verweist, zugleich aber auch etwas, mit dem man aufgewachsen ist, mit dessen Hilfe sich die eigene Betroffenheit als Person, der individuelle Standpunkt am besten ausdrücken lässt. HEIMAT liefert somit den Humus für kreatives Wachstum.

Die Auswahl der Künstler:innen für heimat@Jazzinstitut findet unabhängig von Alter, Renommee oder künstlerischer Vita der Eingeladenen ab. Ein besonderer Blick soll vielmehr auf Musiker:innen und Projekte gelegt werden, die persönlich und konzeptionell Aspekte der Gender Equity, der kulturellen Diversität und die Überwindung sozialer Divergenz berücksichtigen. Auch Ideen einer Genre oder Kunstform übergreifenden Umsetzung sollen besonders unterstützt werden. Ziel ist es, spannenden Musiker:innen ein temporäres Labor für ihre persönliche künstlerische Profilierung zu bieten. Das Jazzinstitut ist dabei vorübergehende HEIMAT, Ort der Reflexion und zugleich Plattform für die weitere Entwicklung der künstlerischen Karrieren

heimat@jazzinstitut – die Nachhaltigkeit und die Regionalität

Als Veranstalter beschäftigt sich auch das Jazzinstitut zunehmend mit Aspekten der Nachhaltigkeit kultureller Projekte, des Schutzes unserer natürlichen Umwelt und Wegen zur Klimaneutralität von Veranstaltungen. Die längere Verweildauer an einem Ort erspart Künstler:innen nicht nur ressourcenraubendes Reisen von Konzert zu Konzert, sondern ermöglicht auch den intensiveren Austausch zwischen den Kreativen und den Veranstaltenden. Bei Reisen, Unterbringung, Verpflegung und Produktion achten wir auf Klimaneutralität und Schonung der natürlichen Ressourcen. Gleichzeitig ist es unser Ziel als Veranstalter, den Beteiligten langfristig Ansprechpartner bei ihrer weiteren künstlerischen Entwicklung zu bleiben. Wir möchten die Bindung der Musiker:innen zu ihrer heimat@jazzinstitut nachhaltig weiterpflegen und insbesondere junge Musiker:innen im weiteren Verlauf ihrer Karrieren langfristig unterstützen. Dies gilt besonders für junge Bands mit regionalem Bezug zu Südhessen und Rhein-Main, die an dem Projekt beteiligt sein werden.

heimat@jazzinstitut – die HEIMAT

Das Jazzinstitut Darmstadt ist Europas größtes öffentliches Forschungsarchiv zum Jazz und ein Kulturinstitut der Wissenschaftsstadt Darmstadt. Über vier Etagen beherbergt es in einem vollständig modernisierten, barocken Jagdschloss eine der weltweit bedeutendsten Sammlungen zur Geschichte und Gegenwart afro-amerikanisch geprägter Improvisationsmusik. Seit dem Jahr 1998 veranstaltet das Jazzinstitut regelmäßig Konzerte in seinem als Veranstaltungsraum ausgestatteten, akustisch exzellenten, historischen Tonnengewölbe aus dem frühen 18. Jahrhundert. Zugleich ist das Jazzinstitut internationale Anlaufstelle und Netzwerker bei der Dokumentation aktueller Entwicklungen und Tendenzen im zeitgenössischen Jazz von internationalem Ruf.

heimat@jazzinstitut – das Programm 2022

19. bis 22. Januar 2022: Ronny Graupe & Nicole Schneider – DUO-LOG

Im Zentrum dieser Session stand die gleichzeitige Improvisation von Zeichnung und Jazz. Der Berliner Gitarrist Ronny Graupe und die Darmstädter Illustratorin Nicole Schneider begaben sich in einen audio-visuellen Dialog und gingen dabei der Frage nach, welche Formen der künstlerischen Interaktionen möglich sind – Call-and-Response mit Stift und Instrument. Mittels digitaler Zeichentechnik und elektrischem Sound loteten Musiker und Künstlerin die Möglichkeiten audiovisueller Ausdrucksformen in einer gemeinsamen Live-Performance aus.

Ronny Graupe, 2021 ausgezeichnet mit dem Deutschen Jazzpreis als Gitarrist des Jahres, und die für ihre gleichermaßen einfühlsamen wie humorvollen Porträtserien Darmstädter Persönlichkeiten bekannte Künstlerin Nicole Schneider, bei Jazzkonzerten in Darmstadt allgegenwärtige zeichnerische Chronistin von Livemusik entwarfen ein doppelbödiges Kunsterlebnis.

5. bis 8. April 2022: Quartertone – be:prepared

Das junge, hochveranlagte Jazzquartett aus Frankfurt und Darmstadt um den Empfänger des letztjährigen Jazzstipendiums der Stadt Frankfurt/Main, Darius Blair, wurde ausgewählt das Land Hessen 2022 bei der Bundesbegegnung „Jugend jazzt“ zu vertreten. Darius Blair (Saxophon), Jan Iser (Schlagzeug), Luis Schell (Bass) und Finn Heine (Gitarre) bereiteten diesen wichtigen Auftritt im Jazzinstitut gemeinsam in Darmstadt vor und erarbeiteten ihr Programm, bevor sie sich in die deutschen Jazzhochburgen zum Studium zerstreuen. Das große Finale bildete ein Konzert im ehrwürdigen Gewölbekeller des Jazzinstituts inklusive Videoproduktion und Band-Coaching mit dem Kölner Hochschuldozenten und Komponisten Florian Ross. (Foto: Wilfried Heckmann)

25. bis 28. Mai 2022: Angelika Niescier Quartett & OODT – The Hidden Tune

Über drei Jahre arbeitete die Kölner Saxofonistin an ihrem Wunschprojekt, das schon im Mai 2020 und im Mai 2021 nach Darmstadt kommen sollte und jedes Mal wegen der Corona-Pandemie verschoben werden musste.

Seit ihrer zweiten Begegnung mit dem Orang Orang Drum Theatre (OODT) in Malaysia im März 2019 bereitete Niescier die intensive musikalische Begegnung mit ihrem Trio (Angelika Niescier, Altsaxofon, John-Dennis Renken, Trompete und Matthias Akeo Nowak, Bass) und dem sechsköpfigen Perkussion-Ensemble vor, dass sich seit den Anfängen seiner Gründung im Jahr 2014 auf die Erkundung und Erforschung verschiedener traditioneller malaysischer und südostasiatischer Musikinstrumente und Spielstile mit einem zeitgenössischen Ansatz konzentriert, indem es die Grenzen zwischen Musik, Tanz und Theater aufhebt, die Perkussion-Tradition mit theatralischem Ausdruck bereichert und letztendlich die Wahrnehmung von Kunst im Allgemeinen erweitert.

Ihre sechstägige Residency in Darmstadt war das erste Zusammentreffen der neun Musiker:innen auf europäischem Boden. Eine intensive Probenphase mit anschließender Weltpremiere bei einem Konzert in der Bessunger Knabenschule bereitete den Auftritt beim moers music-Festival an Pfingsten 2022 vor.

18. bis 21. August 2022: Appaloosa – Sustainability Tour

Ihre viertägige heimat@jazzinstitut-Residenz in Darmstadt vom 18. bis 22. August 2022 nutzten die fünf Musiker:innen der Nürnberger Band Appaloosa unter anderem für eine intensive Probenphase mit abschließendem Konzert im Rahmen der Open Air-Konzertreihe auf dem Bessunger Jagdhof am 21. August. Außerdem fanden einige professionelle Mitschnitte des Darmstädter Tonstudios Sound & More im Gewölbekeller unter dem Jazzinstitut sowie eine Online-Q&A zum Thema Klimaneutralität im Musikalltag mit dem Hamburger Pianisten Benjamin Schaefer statt.

Ressourcenschonung, Nachhaltigkeit und Klimaneutralität

Für Veranstaltende stellen sich ganz praktische Fragen bei der Durchführung einer Veranstaltung unter dem Aspekt der Ressourcenschonung. Auch das Jazzinstitut beschäftigt sich zunehmend mit Aspekten der Nachhaltigkeit kultureller Projekte, des Schutzes unserer natürlichen Umwelt und Wegen zur Klimaneutralität von Veranstaltungen.

Eine längere Verweildauer an einem Ort erspart Künstler:innen nicht nur zeit- und ressourcenraubendes Reisen von Konzert zu Konzert, sondern ermöglicht auch den intensiveren Austausch zwischen den Kreativen und den Veranstaltenden. Bei Reisen, Unterbringung, Verpflegung und Produktion wollen wir verstärkt auf Klimaneutralität und Schonung der natürlichen Ressourcen achten. Wir möchten die Bindung der Musiker:innen zu ihrer heimat@jazzinstitut nachhaltig weiterpflegen und insbesondere junge Musiker:innen im weiteren Verlauf ihrer Karrieren langfristig unterstützen.

CO2-Einsparung bei Mobilität und Transport

Da ist zunächst der Bereich der Mobilität, der laut Green-Touring-Guide, den die Mannheimer Popakademie vor einigen Jahren veröffentlicht hat, den größten Anteil bei den klimaschädlichen Emissionen verursacht. Bei Musikveranstaltungen sind das etwa 10% auf Seiten der Bands und 33% auf Seiten des Publikums, das selbstverständlich aufgefordert ist zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum gut angeschlossenen Bessunger Jagdhof anzureisen.

Auch die Musiker:innen legten ihre Weg von Nürnberg mit der Bahn und öffentlichen Verkehrsmitteln zurück. Möglich ist das für eine Band nur, wenn der Veranstaltungsort sperrige Instrumente wie Klavier, Schlagzeug, Verstärker oder wie im Fall der Band Appaloosa sogar ein Vibraphon bereitstellt. Der lokale Transport des Vibraphons, das sich das Jazzinstitut von der nahe gelegenen Akademie für Tonkunst ausgeliehen hatte, erfolgte zum Beispiel per Lastenfahrrad. Die Sonderanfertigung des Darmstädter Tüftlers Eike Günther macht den Transport auch sperriger Güter möglich.

Sonnenstrom für mobiles Studio und Konzertbeschallung

Die Aufnahmen während der Kurzresidenz und die Beschallung des Konzerts am Sonntag führte das Darmstädter Studio Sound & More durch. Tonmeister Klaus Endel betreibt schon seit vielen Jahren sein Studio ausschließlich mit Sonnenstrom aus der hauseigenen PV-Anlage. Seit neuestem kann er mobil arbeiten, dank zweier Lithium-Eisen-Phosphat Akkus mit ausreichender Leistung und einem Stromverteiler mit Anzeige der aktuellen Spannung und der bezogenen Leistung. Über eine App ist per Bluetooth der Zustand der Akkus jederzeit abfragbar. Bereits ein Akku reicht um mindestens acht Stunden (wahrscheinlich deutlich mehr) Aufnahmen mit dem mobilen Equipment machen zu können. Auch beim Sound und der Beleuchtung des Konzerts auf dem Bessunger Jagdhof am 21.8. kamen die beiden Akkus zum Einsatz.

Kurze Wege und lokale Versorgung

Bei der Unterbringung der fünf Musiker:innen verzichteten wir auf die Nutzung großer Hotels in der Peripherie. Vielmehr verbrachte die Band ihre Tage in Darmstadt in einer gemeinsamen Ferienwohnung, die nur 50 Meter vom Jazzinstitut entfernt ist. Lebensmittel zur Selbstversorgung gibt’s dort in den umliegenden kleinen Bessunger Bäckereien und Lebensmittellädchen, leckeren Kaffee und selbstgebackenen Kuchen im Café Mela am Forstmeisterplatz, ein gemeinsames Abschlussdinner im Restaurant Belleville gegenüber dem Jazzinstitut.

Tipps und Ideen für mehr Klimaneutralität im Musikalltag

Über all diese Dinge diskutierte die Band am Freitagvormittag auch noch einmal bei einer Videokonferenz mit dem Hamburger Jazzpianisten und Komponisten Benjamin Schaefer. Bei dieser Gelegenheit bekamen sie von ihm noch einige Tipps, wie in ihrem persönlichen Musikeralltag – beim Proben, Unterrichten und Konzertieren – Klimaneutralität umgesetzt werden kann. Schaefer setzte das Thema in den vergangenen Jahren als Vorstandsmitglied der Deutschen Jazzunion auf die Agenda. Aus seiner praktischen Erfahrung als Profimusiker, der viel herumreist, hat er ein Konzept entwickelt, seinen professionellen CO2-Fußabdruck in kurzer Zeit maximal zu verringern. Auch dadurch konnten die fünf jungen Appaloosas während ihrer Zeit bei heimat@jazzinstitut sicherlich viel für die künftige eigene Praxis als Jazzmusiker:innen mitnehmen.

16. bis 19. November 2022: Mandy Neukirchner – Bebop Mädchen goes Darmstadt

Mandy Neukirchner ist eine Gitarristin aus Leipzig, die 2020 unter dem Titel „Bebop Mädchen“ einen Podcast ins Leben rief, in dem sie aktuelle Themen behandelt, die Karriereplanung und Alltagssituationen von Musiker:innen gleichermaßen betreffen – das Ganze aus einer bewusst feministischen Perspektive (Bebop Mädchen). Die Inhalte, die sie auf frische und unverbaute Art mit ihren Gesprächspartner:innen angeht, reichen von der Bewältigung weiblicher Selbstzweifel beim Musikmachen bis zur allgemeinen Mysogynie im Musikbusiness oder auf Musikerinnen bezogene Hatespeech im Netz.

Wir hatten Mandy Neukirchner zur fünften Kurzresidenz unter dem Titel heimat@jazzinstitut vom 16. bis 19. November nach Darmstadt eingeladen. Die vier Tage in Darmstadt nutzte Neukirchner gemeinsam mit Expertinnen zu einer ausgiebigen Evaluation von inzwischen mehr als zwei Jahren Podcasting.

Dazu traf sie virtuell auf SWR-Journalistin Julia Neupert, von der Neukirchner Tipps und Anleitungen zur weiteren Professionalisierung des Formats erhielt. Dabei ging es um redaktionelle Recherche, den dramaturgischen Aufbau des Podcasts und die Weiterentwicklung der Moderation, inklusive der Gesprächsführung im Interview.

Von der erfahrenen Podcasterin Imke Machura von der Hamburger Agentur „Raketerei“ erhielt Neukirchner ein vom Jazzinstitut vermitteltes Online-Coaching in Sachen Monetarisierung und Entwicklung eines Social Media-Profils für ihren eigenen Podcast.

Mit der Stuttgarter Kulturmanagerin Lisa Tuyala tauschte sie sich darüber aus, welche spannenden Fragestellungen und Antworten es im Bereich Frauen in der Musikbranche gibt – wo stehen wir in der Diskussion? Welche Vernetzungen fehlen, welche existieren? Welche Geprächspartner:innen kommen in Frage und worüber müsste man mit ihnen reden? Tuyala ist u.a. Mit-Initiatorin des Netzwerks „Women* of Music“ (W*oM).

Zum Auftakt lud Wolfram Knauer Neukirchner am Mittwoch, den 16. November zu einer Diskussionsrunde über „Jazz und die Zukunft des Radio“ im Rahmen der Mainzer Jazzgespräche an der Universität Mainz ein. Zudem begleitete sie Arndt Weidler am Freitagmorgen zur Online-Zukunftswerkstatt der Deutschen Jazzunion zum Thema „Jazz und Digitalität – Kunst, Diskurs und Rechteverwertung im digitalen Bereich“. Die restliche Darmstädter Zeit nutzte Neukirchner , um im Archiv des Jazzinstituts nach neuen Themen zu recherchieren.

heimat@jazzinstitut – Unsere Leistungen pro Kurzresidenz
  • Tagegeld pro vollem Tag der Anwesenheit pro Musiker:in
  • Auftrittshonorar pro Musiker:in
  • Übernachtungskosten (Unterbringung Gästehaus)
  • Reisekosten, lokale Transporte (nur ÖPNV, keine PKW oder Flugkosten)
  • Verpflegung/ein gemeinsames Abendessen
  • Aufnahmetechnik, Instrumente, Back-Line bei Bedarf
  • Externe Dienst- und Personalleistungen, z.B. Tontechnik, Grafik, Choreographie, PR-Beratung, Filmproduktion bei Bedarf
  • Interne Dienst- und Personalleistungen, z.B. Proberäume, Unterstützung bei Recherchen, Betreuung, Pressearbeit, Werbung, GEMA, KSK


Roots | Heimat: Wie offen ist der Jazz: Abstracts

Sorry, but these abstracts are in the language of the corresponding papers (partly German, partly English).


Ablauf der Konferenz:

DONNERSTAG – Nachmittag
30. September 2021

14:00:
Wolfram Knauer
Wie offen ist der Jazz? Ziemlich!

Wolfram Knauer leitet seit 1990 das Jazzinstitut Darmstadt. Er hat zahlreiche Bücher veröffentlicht, zuletzt Monographien über Louis Armstrong (2010, 2021), Charlie Parker (2014), Duke Ellington (2017) sowie ‚Play yourself, man!‘ Die Geschichte des Jazz in Deutschland (2019). Im Frühjahr 2008 lehrte er als erster nicht-amerikanischer Louis Armstrong Professor of Jazz Studies an der Columbia University in New York.

Thema:
Wie wird kulturelle Identität geformt und deren Wahrnehmung beeinflusst?

14:30:
Philipp Teriete
Racial Uplift, Community und die Zukunft schwarzer Musik.
Der musikalische Ausbildungskanon an den Historically Black Colleges and Universities im späten 19. und frühen 20. Jh. und der Einfluss auf den frühen Jazz

— abstract: —

Die Historically Black Colleges and Universities (HBCUs) haben seit ihrer Gründung maßgeblich zum ‚Racial Uplift‘ der ‚Black Community‘ beigetragen. Die Musikausbildung an den HBCUs zielte im späten 19. und frühen 20. Jh. vor allem darauf ab Musiklehrer:innen für die Schulen und Universitäten im ganzen Land hervorzubringen. Nicht zuletzt deshalb hatten die HBCUs auch eine gewichtige Stimme in der Debatte um die ‚Future of Black Music‘ (‚Classical‘ vs. ‚Popular‘).

In der Jazzforschung ist die Rolle der HBCUs bisher kaum diskutiert worden. Durch die Fokussierung auf das Leben und Werk herausragender ‚Jazz Heroes‘ wurde der Blick auf den musikalischen Ausbildungshintergrund der ‚Black Community‘ gleichsam verstellt. Gleichzeitig ist die Professionalität der Ausbildung – insbesondere schwarzer Jazzmusiker:innen – unterschätzt worden und man hat ihnen nicht selten ein Autodidaktentum angedichtet. Dabei hatten viele der Protagonist:innen des Jazz entweder selbst an HBCUs studiert oder waren von Lehrer:innen unterrichtet worden, die an HBCUs ausgebildet worden waren. An den HBCUs wurde das musikalische ‚Handwerk‘ bis weit ins 20. Jh. anhand ‚klassischer‘, europäischer Musik und nach ‚klassischen‘ Lehrplänen vermittelt. Diese waren nach dem Vorbild der führenden US-amerikanischen und europäischen Konservatorien entworfen worden und umfassten neben Instrumental- und Gesangsstudiengängen auch musiktheoretische Disziplinen (Harmonielehre, Kontrapunkt etc.).

Ich möchte in meinem Vortrag untersuchen, welchen Einfluss die Ausbildung an den HBCUs auf die Entwicklung schwarzer Jazzmusiker:innen und ihrer Musik gehabt hat. Dabei soll ebenfalls diskutiert werden, inwieweit ‚positive‘ und negative Vorurteile und der Geniekult die ästhetischen Wertvorstellungen und die historischen Narrative des Jazz geprägt haben.

— bio: —

Philipp Teriete ist international als Pianist, Komponist und Forscher tätig. Er ist Dozent für Musiktheorie an der HSLU Luzern und arbeitet zurzeit an seinem Promotionsprojekt zum Thema The Influence of 19th-Century European Music Theory on Early Jazz. Philipp studierte Klavier und Musiktheorie an der Hochschule für Musik Freiburg, RAM London, und dem CNSMD Paris, sowie Jazz Composition/Piano an der Norwegian Academy of Music Oslo und der New York University. (philippteriete.com)

15:30:
Anna-Lisa Malmros (engl.)
Black Dada / Ascension Unending
John Tchicai between Amiri Baraka and John Coltrane

— abstract: —

American and European Experimentalism viewed through the life and music of Danish-Congolese musician, composer and educator John Tchicai (1936-2012) whose works is interdisciplinary, as in his many collaboration with poets, first and foremost Amiri Baraka (LeRoi Jones) and his groundbreaking Black Dada Nihilismus (1965). Anna-Lisa Malmros will start with that poem which builds upon and constructs a long history of black life and trauma, and then survey the perspectives on black music by European philosophers and writers such as Theodor W. Adorno, Slavoj Zizek and Harald Kisiedu.

The talk discusses Tchicai’s different identities, the influence of his Congolese heritage, for instance, the fact that he was one of few European musicians who managed to make a mark on the US-American jazz scene, while Tchicai saw himself as a European first and all. It also discusses the experimental approaches Tchicai was involved in in the 1960s which have resulted in a change of perspective positioning the music somewhere between the complicated mesh of pop-art, modernism, New Music, „serious“ art and crossover styles.

— bio: —

Anna-Lise Malmros studied music history and theory at the University of Copenhagen, and wrote her PhD thesis about Alban Berg’s „Lulu“. For several years she worked as a music critic – focusing on rock, blues and pop – for different newspapers and periodicals, but also as an educator and lecturer in high schools and as an administrator in the Danish Music Council, specifically representing rock, pop and jazz. Her biography project on John Tchicai was initiated by Tchicai himself a few years before his death in 2012.

 

16:30: Roundtable 1
Vom Fremdsein, Ankommen, Fremdbleiben. Gespräch über eigene Erfahrung der Identitätswahrnehmung

Ein Gespräch mit der Saxophonistin Gabriele Maurer, dem Kontrabassisten Reza Askari und der Sängerin Simin Tander stellt ganz persönlich die Erfahrungen von Künstler:innen vor, die auf unterschiedliche Art und Weise betroffen sind, durch Hautfarbe, familiäre Herkunft und/oder ihre künstlerische Auseinandersetzung mit Traditionen, die außerhalb ihrer deutschen Heimat liegen (Moderation: Sophie Emilie Beha). Wir haben dieses Panel überschrieben: “Vom Fremdsein, Ankommen, Fremdbleiben. Gespräch über eigene Erfahrung der Identitätswahrnehmung”.

— bio: —

Gabriele Maurer fand im Alter von 3 Jahren zur Musik. In jungen Jahren bestritt sie klassische Wettbewerbe wie Jugend Musiziert bevor sie sich dem Jazz zuwandte und 2017 ihr Studium für Jazzsaxophon an der Musikhochschule Mannheim begann. Seitdem wurde die Newcomerin für ihre genre-freien Kompositionen mit ihrem Projekt „GMQ“ und ihrem einladenden Spiel mehrfach ausgezeichnet. „Maurers Weg ist der durch die Musik: Sie ist im Jazz zuhause! Und wer ihr zuhört, fühlt sich bei ihr zu Gast. In einem wundervollen Heim, voller warmer, weicher, fließender Saxophonklänge.“ (SWR ‚Kunscht‘). (gabrielemaurerquintett.com)

Reza Askari, Bassist aus Köln; ausführliche Vita unter reza-askari.com

 

 

 

Die deutsch afghanische, aus Köln stammende Sängerin und Komponistin Simin Tander gehört zu den aufregendsten Persönlichkeiten des europäischen Jazz. Sie „balanciert an der Grenze von Schmerz und Schönheit, von Grazie und Leidenschaft“ (Augsburger Allgemeine) und verzaubert mit einem Klangreichtum und einer Intensität, wie man sie selten erlebt. Sie interpretiert und komponiert Texte und Lieder auf unterschiedlichen Sprachen, so auch auf Paschtu, der Sprache der Afghanen und ihres früh verstorbenen Vaters. In den vergangenen 15 Jahren tourte sie mit ihrem niederländische Quartett auf internationalen Festivals (u.a. North Sea Jazz Festival, Hongkong Jazzfestival, Madrid Jazzfestival, Philharmonie Essen, Jarasum Jazzfestival South Korea) und veröffentlichte zwei hoch gelobte Alben in Eigenregie. Gemeinsam mit dem norwegischen Star-Pianisten Tord Gustavsen gab sie mit What was said (2016) ihr Debut auf dem renommierten Label ECM Records. Es folgten weltweite Tourneen (u.a. London Jazz Festival, Montreal Jazzfestival, Brussels Jazzfestival, San Francisco SF Jazz Fest),  enthusiastische Kritiken und der Jahrespreis der Deutschen Schallplattenkritik. Im Herbst 2020 erschien Simin Tanders neuestes Werk Unfading (Jazzhaus Records), eine Hommage an weibliche Dichterinnen aus unterschiedlichen Kulturen und Epochen. Neben zahlreichen weiteren, internationalen Projekten doziert Simin an der Hochschule für Musik und Tanz Köln und gibt weltweit Workshops. (simintander.com)

Sophie Emilie Beha ist Musikjournalistin. Sie moderiert Radiosendungen, Konzerteinführungen, Podiumsdiskussionen und Livestreams. Daneben schreibt sie Texte für verschiedene Fachmagazine und Zeitungen und managt Social-Media-Kanäle. (twitter.com/sophiemiliebeha)


FREITAG – Vormittag
1. Oktober 2021

Thema:
Aneignung und nationales Selbstverständnis (case studies)

9:30:
Philipp Schmickl
Centrisms at the periphery?
Tracing and documenting the impact of an African-American avantgarde jazz musician on a jazz club located at the European margins

— abstract: —

In 1978 the young Austrian jazz club owner Hans Falb (born 1954) met the African-American avantgarde jazz musician Clifford Thornton (1936–1983). Thornton who also was an ethnomusicologist (who took part in the Pan-African Cultural Festival 1969 in Algiers) and until the early 1970s appeared as a supporter of the Black Panther Party, became a guide in musical, spiritual and political matters for Falb who just had opened his place, the Jazzgalerie Nickelsdorf, right at the border between the Eastern and Western blocs.

Although Thornton died in 1983, his presence at the Jazzgalerie is still evident today, however not as easily perceivable as a portrait hanging on the wall. The impression that the exchange during the three years until Thornton’s last Nickelsdorf-visit in 1981 made on the Jazzgalerie, was strong. By looking at source material from the Jazzgalerie’s archive that relates to Thornton – interviews, letters, records or recordings –, I will touch on questions of centers and peripheries in the conceptualization of the nature of jazz music as well as on genesis myths and the identification of its roots and origins. I will argue that Thornton’s partisan but still open-minded views on these questions contributed strongly to the local identity of the Jazzgalerie and endorsed its development to one of the globally most important places for free jazz and improvised music.

The source material as well as the strong character of the locality suggest that one cannot speak of a simple import of Thornton’s beliefs and music – they must be evaluated in light of the local conditions. Here concepts of glocalization or hybridity are key to the understanding of the practices the encounter entailed.

— bio: —

Philipp Schmickl graduated in anthropology (University of Vienna, 2010) with the thesis Das scape jazzistique. Improvisationen in einem globalen Feld. In 2011 he started the book-series THEORAL and published 15 issues of conversations with improvising musicians in German, English and French and visited many (and worked for some) festivals in Europe, Lebanon and Mexico. Science stipend of the City of Vienna in 2015 and 2017. Since March 2020 he is a PhD-student at the University of Music and Performing Arts in Graz (Institute of Jazz Research) where he is researching the history of the „Konfrontationen“, a 40-years-old festival for free jazz and improvised music. (musicaustria.at)

Ádám Havas
Towards the Deconstruction of Hegemonic Narratives
Romani Musicians‘ Role in the Articulation of East European Difference

— abstract: —

Drawing on his research on the Hungarian jazz scene Ádám Havas presents his findings on the meanings of the bebop tradition through the cultural practices of Hungarian Romani jazz musicians. The presentation will cast light on how practicing jazz becomes a main instrument for reinventing „otherness“, East-European „difference“ and, at the same time, to acquire social status within a semi-peripheral geopolitical context.

— bio: —

Ádám Havas earned his PhD in sociology from Corvinus University of Budapest in 2018. He currently serves as Head of Social Sciences at Milestone Institute. His research focuses on the cultural constructions of jazz in East Central Europe. His publications appeared in Popular Music, Jazz Research Journal, Jazz Research News, Hungarian Studies and LeftEast, among others. He has recently submitted his book manuscript The Genesis and Structure of the Hungarian Jazz Diaspora.  He is co-editing with Bruce Johnson a special issue of Popular Music & Society on global jazz diasporas, and co-edits with Bruce Johnson and David Horn the Routledge Companion to Diasporic Jazz Studies. (milestone-institute.org/staff-faculty/adam-kornel-havas)

11:30:
Niklaus Troxler
im Gespräch mit Wolfram Knauer

— abstract: —

Niklaus Troxler schließlich, dessen Plakate Thema einer Ausstellung im Jazzinstitut sind, wird über seinen eigenen Weg zum Jazz erzählen, als Fan, als Begründer und langjähriger Veranstalter des Willisau Jazzfestivals, mit dem er Musiker:innen, für die sein Herz schlägt, in die Schweiz holen konnte, sowie als international renommierter Grafiker und Plakatkünstler.

— bio: —

Niklaus Troxler, geb. 1.5.1947 in Willisau/Schweiz. Graphic Designer. Organisierte Jazzkonzerte in Willisau von 1966-2013, das Jazz Festival Willisau von 1975-2009. Professor für Kommunikationsdesign an der Staatl. Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart 1998-2013. Viele internationale Design- und Kunstpreise. Seine Plakate sind in den wichtigsten Designsammlungen, so u.a. im Museum of Modern Art in New York, im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg, Kunstbibliothek Berlin, Stedelijk Museum in Amsterdam. Wohnt in Willisau/Schweiz und Berlin. (troxlerart.ch)


FREITAG – Nachmittag
1. Oktober 2021

Thema:
„Wir“ und die anderen

14:00:
Harald Kisiedu
“We Are Bessie Smith’s Grandchildren”
Reflections on Creolization in post-1950s Jazz in Europe

— abstract: —

Histories of post-1950s jazz in Europe are by and large still shaped by an emancipation discourse which posits that during the 1960s white European improvisers came into their own by dissociating themselves from their African American spiritual fathers. Challenging a historical narrative in which „European“ is usually used as a synonym for „white“ and going beyond both Eurocentric and US-centric perspectives, this paper argues for a decentered perspective with respect to historiographies of jazz in Europe. Such a perspective not only allows for the uncovering of a hidden history of critically important Afro-diasporic contributions to experimental jazz in Europe and of deeply meaningful interactions between Afro-diasporic and white European improvisers but also accounts for jazz’s global dimension and the transfer of ideas beyond nationally conceived spaces. European improvisers’ sustained engagement with black musical knowledge amounts to a cultural dynamic, which may best be described in terms of creolization.

— bio: —

Harald Kisiedu is a historical musicologist and received his doctorate from Columbia University. His research interests include jazz as a global phenomenon, music of the African diaspora, black experimental music, post-war European avant-garde, improvisation, transnationalism and Wagner. Kisiedu is also a saxophonist and has performed with Branford Marsalis, George Lewis, Henry Grimes, Hannibal Lokumbe and Champion Jack Dupree. He has made recordings with the NY-based ensemble Burnt Sugar the Arkestra Chamber and composer/improviser Jeff Morris. He is a lecturer in jazz history and jazz studies at the Institute of Music at the University of Applied Sciences Osnabrück. Kisiedu is the author of European Echoes: Jazz Experimentalism in Germany, 1950-1975, published by Wolke Verlag. (haraldkisiedu.com)

Timo Vollbrecht
Das Problem des „othering“ und die Handlungsmacht weißer Musiker:innen

— abstract: —

Das vorliegende Paper thematisiert das Problem des „othering” in einer postmigrantischen und stilistisch zunehmend vielfältigen Musikszene, in der eurozentrische Perspektiven nach wie vor als goldener Standard gelten. Im Vorfeld geführte Gespräche mit BPoC-Jazz-Musiker*innen geben zunächst einen Einblick in deren Erfahrungen, als „Andere“ behandelt und in ihrer Person/Kunst/Musik exotisiert zu werden. Diese Erlebnisse reihen sich ein in eine lange Tradition des Exotismus, die den Jazz und andere Musikrichtungen seit jeher begleitet. Von diesen Gesprächen ausgehend wird diskutiert, welche Rolle insbesondere weiße Musiker*innen einnehmen können, um mehr Gerechtigkeit in der Musikszene zu erreichen. Im Fokus stehen dabei das Erkennen der eigener Handlungsmacht, das Konzept des Verbündet-Seins, Artistic Citizenship und, nicht zuletzt, die konstruktivistische Kraft der Musik selbst.

— bio: —

Timo Vollbrecht ist ein international tätiger Jazzsaxofonist, Komponist und Forscher. Er studierte Saxofon in Berlin und New York, ist aktiv in die Musikszene in Brooklyn eingebunden, wo er u.a. mit Ben Monder, Theo Bleckmann und Ralph Alessi spielt, während er mit seiner Band Fly Magic in Deutschland und Europa tourt. Im Rahmen seiner Promotion analysierte er den künstlerischen Prozess des ECM Records-Produzenten Manfred Eicher im Tonstudio. Derzeit lehrt er an der Jazzabteilung der New York University. (timovollbrecht.com)

Stephan Meinberg
Vom Umgang mit dem Privilegiert-Sein

— abstract: —

In Verhältnisse geboren, die (Zwischen-)Ergebnis vieler Jahrhunderte vorheriger Geschichte sind, werden wir in mannigfacher Weise von diesen Verhältnissen und so auch von dieser Geschichte geprägt. Wie wir damit individuell und in verschiedenen kollektiven Zusammenhängen umgehen, hängt von vielen, darunter auch subjektiven Faktoren ab. Wie groß ist zum Beispiel unsere Motivation, uns überhaupt umfassender über das Zustande-Kommen unserer jeweiligen Situiertheit bewusst zu werden? Angenommen wir werden als „weiß“ gelesen. Damit sind wir in einer Realität vielfacher Benachteiligung von als nicht-„weiß“ kategorisierten Menschen in eine in dieser Hinsicht bevorzugte, privilegierte Position gestellt mit substanziellen, durchschnittlich auch sehr deutlichen materiellen Folgen. Und das unabhängig davon, ob wir selber das nun wollen oder nicht. Wie verhalten wir uns dazu? Weiter gehende Annahme: wir werden als „weiß“ gelesen und  haben zugleich eine Vorliebe für bestimmte afroamerikanische Musiken, zum Beispiel Jazz.  Vielleicht ist unser Enthusiasmus für diese Musik sogar so stark, dass wir uns mit ihr  in der einen oder anderen Form auch beruflich befassen, also einen erheblichen Teil unseres Lebens mit ihr verbringen. Dies dann nicht zuletzt auch, um so die von uns benötigten, sogenannten „Brötchen“ zu organisieren. Welchen Stellenwert haben für uns die sozialen Umstände, in denen diese Musik ursprünglich entstanden ist? Und wie ausgeprägt ist unser Interesse, die weitere Entwicklung dieser Umstände bis heute
zu verstehen? Hat das eventuell und wenn ja welche Auswirkungen auf unsere konkrete Praxis mit der Musik? Hat es möglicherweise auch Auswirkungen auf Aspekte unseres Lebens jenseits der Musik?

— bio: —

Der Trompeter Stephan Meinberg absolvierte zunächst ein Studium der europäischen Klassik an der Musikhochschule Lübeck, dann ein Jazz-Studium an der Musikhochschule Köln und 1999/2000 als DAAD-Stipendiat ein zusätzliches Studienjahr an der New School University, New York (u.a. bei Billy Harper, Reggie Workman, etc). Mit seinem Quintett Vitamine sowie den kollektiven Gruppen Heelium, moLd und Arnie Bolden veröffentlichte er insgesamt sieben CDs. Als Sideman arbeitete Stephan Meinberg u.a. mit Matthäus Winnitzkis Trio Cnirbs, Andre Nendza A-Tronic, Nils-Wogram-Septet, Dieter Glawischnig Hamburg Ensemble, Salsa-Gruppen von Javier Plaza und Bazon Quiero, NDR-BigBand (unter Leitung von Steve Gray, Maria Schneider, Bob Brookmeyer, uvm). Für das Goethe-Institut spielte er in Afrika, Asien, Europa und Nordamerika. (jazzinstitut.de/deutsch-dozentinnen-und-dozenten-2021/#2021meinberg)

16:30: Panel 2
An die Arbeit: Realität verändern!!!

  • Joana Tischkau + Frieder Blume
  • Jean-Paul Bourelly
  • Kornelia Vossebein
  • Moderation: Sophie Emilie Beha

— abstract: —

In einem Roundtable mit zwei dem Gitarristen Jean-Paul Bourelly, der Veranstalterin Kornelia Vossebein und den Kulturaktivist:innen Joana Tischkau und Frieder Blume wollen wir schließlich darüber diskutieren, was es bedarf, um nicht nur zu einem Bewusstseinswandel, sondern darüber hinaus auch zu einer anderen Repräsentation von Musiker:innen auf der Bühne beizutragen (Moderation: Sophie Emilie Beha). Wir haben dieses Panel optimistisch überschrieben: “An die Arbeit: Realität verändern!!!”

— bios: —

Joana Tischkau ist freischaffende Choreografin und Performerin. In ihren Arbeiten versucht Sie die Absurdität und Willkür diverser Unterdrückungsmechanismen aufzuzeigen und bedient sich dabei an postkolonialen Theorien, feministischen Diskurse und popkulturellen Phänomenen. Aus diesen Überlegungen entwickelte sie die Solo Arbeit WHAT.YEAH., die 2014 zum Festival WORKS AT WORK in der Danshallerne Kopenhagen eingeladen wurde. Gemeinsam mit Elisabeth Hampe (Dramaturgie) und Frieder Blume (Sound Design) folgte das Stück TPFKAWY/Thepieceformerlyknownaswhatyeah, welche bei den Hessischen Theatertagen in Darmstadt 2017 gezeigt wurde. Ihre Masterabschlussarbeit PLAYBLACK, welche am Künstlerhaus Mousonturm in Frankfurt uraufgeführt wurde im Frühjahr/Sommer 2020 zur Tanzplattform Deutschland, dem Impulse Festival Showcase in NRW, sowie nach HELLERAU, europäisches Zentrum der Künste in Dresden eingeladen. In Tischkaus Folgearbeit BEING PINK AIN‘T EASY richtet sie die Auseinandersetzung noch stärker auf die weiße Behauptung von Neutralität, Normativität und Universalität und dem gleichzeitigen Begehren nach Schwarzer Verkörperung.  BEING PINK AIN’T EASY prämierte im Oktober 2019 an de Sophiensælen in Berlin und wurde zum Friendly Confrontations Festival an den Münchner Kammerspielen sowie dem Tanzquartier in Wien eingeladen. Gemeinsam mit Elisabeth Hampe, Anta Helena Recke und Frieder Blume gründete sie 2020 das Deutsche Museum für Schwarze Unterhaltung und Black Music (DMSUBM) welches In Frankfurt am Main und in Berlin eröffnet wurde. Das DMSUBM ist Deutschlands führendes Museum für Schwarze Kultur, Popularmusik und Geschichte. Es beherbergt ein umfassendes Archiv an Schallplatten, Magazinen, Autogrammen und Erinnerungsstücken, die an einem lebendigen Ort der Vermittlung und Diskussion von Schwarzer Geschichte ausgestellt werden. Joana Tischkau lebt und arbeitet in Frankfurt am Main und Berlin. (berlinerfestspiele.de)

Frieder Blume ist Musikwissenschaftler, Komponist und Produzent. Er studierte Musikwissenschaft und Gender Studies an der Humboldt Universität in Berlin wo er sich mit  den Verknüpfungen von Musik und gesellschaftlichen Identitätskonstruktionen beschäftigte. Als Sound Designer arbeitete er mit Joana Tischkau und Elisabeth Hampe an den Produktionen Being Pink Ain’t Easy (2019) und Colonastics (2020) zusammen. In 2020 komponierte er die Musik für den Film The Book of S of I. Chapter One: Creatures Born from Hopelessness für die Künstlerin und Filmemacherin Maren Blume. (ra.co/dj/friederblume/biography)

Raised by first-generation Haitians, Jean-Paul Bourelly grew up amidst an unusual blend of Haitian meringue, folkloric, and hard-edged urban blues of Chicago’s South Side. Along with his own singular musical vision, inspired by Howlin Wolf, Jimi Hendrix and a splash of Carlos Santana, Bourelly began to formulate his unique musical synthesis. At the age of 18, after a one year scholarship studying with the great alto saxophonist and educator Bunky Green, he moved to New York. During his early years he worked with notable jazz figures like drummer Elvin Jones, Pharoah Sanders, AACM founder Muhal Richard Abrams, Roy Haynes and recorded with Miles Davis. Along with engagements at the original Knitting Factory and tours in Europe he was an important figure on scenes like the Black Rock Coalition and Mbase. Reconnecting with Haitian musicians from the popular folkloric group Foula, he formed Ayibobo which merged his Haitian and his jazz improvisational sensibility. This was a first sign of him discovering his sound within an African space. In Berlin, he renewed his focus on the sound which today may be called Afro Futuristic. This was affirmed by his collaboration with historian Paul Gilroy on the Black Atlantic project (Berlin HKW 2004). This work would take him towards a wider perspective, an ideal of a possible Black Atlantic sound, something that could encompass the totality of his style. (bourelly.com)

Kornelia Vossebein ist Projektleiterin „NICA artist development“ im Europäischen Zentrum für Jazz und aktuelle Musik Stadtgarten Köln. Zuvor hatte sie die künstlerische Leitung etwa des Bunker Ulmenwall in Bielefeld und des soziokulturellen Zentrums Zeche Karl in Essen inne. Sie arbeitete für Festivals wie das moers Festival und die Monheim Triennale und engagiert sich in zahlreichen Gremien auf Landes- wie Bundesebene,  ist so beispielsweise seit 2018 eine vond rei Sprecher:innen der Bundeskonferenz Jazz. (NICA)

 

Sophie Emilie Beha ist Musikjournalistin. Sie moderiert Radiosendungen, Konzerteinführungen, Podiumsdiskussionen und Livestreams. Daneben schreibt sie Texte für verschiedene Fachmagazine und Zeitungen und managt Social-Media-Kanäle. (twitter.com/sophiemiliebeha)


SAMSTAG – Vormittag
2.
Oktober 2021

Thema:
Von Leuten und Liedern (case studies)

9:30:
Nico Thom
„Der Mann mit der schwarzen Stimme“.
Europäischer Amerikanismus am Beispiel von Bill Ramsey

— abstract: —

Der 1931 in Cincinnati/Ohio (USA) geborene Jazz-, Rhythm’n’Blues- und Folk-Sänger William McCreery Ramsey hat im deutschsprachigen Raum vor allem als Schlagersänger Bill Ramsey Bekanntheit erlangt. Er war darüber hinaus als Schauspieler, Moderator und Hochschuldozent sehr aktiv gewesen. Seit 1951 lebte und arbeitete er in Deutschland und der Schweiz; erst in Frankfurt am Main, dann in Zürich sowie Wiesbaden und seit 1991 in Hamburg, wo er bis zu seinem Tod im Juli 2021 seinen Ruhestand verbrachte. 1984 erhielt er die deutsche Staatsbürgerschaft.

Anhand Ramseys Lebensgeschichte und seines künstlerischen Schaffens soll das kulturelle Phänomen des Europäischen Amerikanismus thematisiert werden. Gemeint ist damit die Amerikanisierung Europas, bei der sich die „westeuropäischen Nachkriegsgesellschaften aktiv mit strategischen Eigeninteressen und geschickten Aneignungsstrategien an der Amerikanisierung beteiligt haben“.

Im Vortrag werden unter anderem die Institutionen beleuchtet, die Ramseys Popularität befördert haben, z.B. die Radiosender American Forces Network (AFN) und das Kultur-Programm des Hessischen Rundfunks (HR 2 Kultur), die Fernsehsender Südwestfunk (SWF) und das Erste Deutsche Fernsehen (ARD) sowie die Plattenlabel Polydor und Bear Family Records.

Auch einzelne Weggefährten von Ramsey werden in den Fokus genommen; bspw. der österreichische Filmregisseur Franz Marischka, der schweizer Jazz- und Schlagermusiker Hazy Osterwald sowie die beiden deutschen Musikproduzenten Heinz Gietz und Kurt Feltz.

Nicht zuletzt der rassisch-konnotierte Hautfarben-Aspekt soll zur Sprache kommen, denn obwohl Ramsey kein Afro-Amerikaner ist, wird ihm ein „schwarzes Timbre“ zugeschrieben. 

— bio: —

Nico Thom studierte Musikwissenschaft, Philosophie, Wissenschafts-management und Hochschuldidaktik an den Universitäten in Leipzig, Halle/Saale, Jena, Oldenburg sowie Hamburg. Promotion an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er forschte und lehrte an (Musik-) Hochschulen und Universitäten in Leipzig, Klagenfurt (Österreich), Weimar, Rostock, Lübeck und Hannover. Seit 2021 ist er an der Hochschule für Künste in Bremen tätig. Neben seinen Aktivitäten in Forschung, Lehre und Verwaltung agiert er als Jazzmusiker und Labelbetreiber. (nico-thom.info/)

10:30:
Peter Kemper
„Ich hatte halt den Blues nicht mit der Muttermilch eingesogen.“
Heinz Sauer & Archie Shepp – Differenzen eines musikalischen Dialogs

— abstract: —

Als am 24. September 1978 auf dem Deutschen Jazzfestival Frankfurt Heinz Sauer, Archie Shepp und George Adams in einer „Tenorsax-Battle“ aufeinandertrafen, kam es zu einer beispielhaften Kollision „afro-amerikanischer“ und „europäischer“ Jazzästhetik. Noch heute treiben die Erfahrungen von damals Heinz Sauer selbstreflexiv um: „Ich bin wirklich kein Rassist, aber ich dachte damals, verdammt, das schaffst du nicht, da hättest du auch so eine schwarze Mama haben müssen wie Shepp, die dich in den Armen wiegte. Ich hatte halt den Blues nicht mit der Muttermilch eingesogen, den ganzen afro-amerikanischen Background. Und ich dachte sofort, das darfst du nicht imitieren. Der hat etwas in seinem Blut, das du als weißer Deutscher nicht hast.“ (H.S. 2020)

An dieser Begegnung des Black Music-Verfechters Shepp, der als selbstbewusster Dramaturg des Free Jazz und später als aufgeklärter Neo-Traditionalist immer die Emanzipationspotentiale der „African American Music“ freizulegen suchte, mit dem durch europäische Klassik und einem national-konservativ geprägten Elternhaus sozialisierten Sauer lassen sich zahlreiche Aspekte des Kongressthemas exemplifizieren: Ist Jazz eine genuin afro-amerikanische Musik, die ihre Wurzeln in der black community heute mehr und mehr zu verlieren droht? Ist das selbst schon eine europäische Sichtweise? Warum verkörpert Jazz für Heinz Sauer immer den „Sound der Freiheit“? Gibt es ästhetische Qualitäten des Jazz, die über alle ethnischen, geographischen und nationalen Identitäten hinausweisen?

— bio: —

Peter Kemper, Jahrgang 1950, langjähriger Kulturredakteur im Hessischen Rundfunk (hr), von 1981 bis 2015 einer der Programmverantwortlichen für das Deutsche Jazzfestival Frankfurt. Seit 1981 Musikkritiker im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Zahlreiche Veröffentlichungen, zuletzt John Coltrane – Eine Biographie und Eric Clapton – Ein Leben für den Blues, 2023 erscheint Der Sound der Freiheit – Jazz als Kampf um Anerkennung (alle Reclam-Verlag). (schallplattenkritik.de/jury/peter-kemper)

11:30:
Vincent Bababoutilabo
#BlackLivesMatter in der Musikpädagogik?
Über die Notwendigkeit rassismuskritischer Perspektiven in der Musikpädagogik

— abstract: —

Rassismus greift in unser menschliches Miteinander ein. Er trennt Menschen, versucht sie in Kategorien, Identitäten, Nationen, Kulturen oder Ethnien einzuschließen, unterstellt ein „kollektives Wesen“, bestimmt was „normal“, „eigen“ oder „fremd“ ist und organisiert Zugänge zu gesellschaftlichen Rechten, Teilhabe sowie Reichtum.

U.a. der grausame Anschlag von Hanau sowie die zahlreichen, darauffolgenden #BlackLivesMatter-Proteste des Jahres 2020 zeigten uns: Rassismus ist eine historisch gewachsene Realität, auch in Deutschland. Er durchdringt alle Bereiche, davon ist auch Jazzmusik nicht ausgenommen.

Wie stellt sich Rassismus im Jazz-Bereich dar? Was können wir dagegen tun? Diese Fragen greift Vincent Bababoutilabo auf. In seinem Vortrag präsentiert er eine Einführung in rassismuskritische Perspektiven, historischen Überblick sowie eine Diskussion von Jazz als antirassistische Praxis.

— bio: —

Vincent Bababoutilabo ist ein in Berlin lebender Musiker, Autor und Aktivist an der Schnittstelle zwischen Kunst und Politik. In den letzten Jahren fokussierten seine künstlerischen, wissenschaftlichen sowie aktivistischen Projekte insbesondere die Bereiche Migration, Flucht, Dekolonisierung, Ausbeutung und Widerständigkeit sowie die Suche nach positiven Visionen für eine gerechte Gesellschaft, in der wir alle ohne Angst verschieden sein können. Er ist freier Referent für rassismuskritische Musikpädagogik und Mitglied in zahlreichen zivilgesellschaftlichen Initiativen wie dem NSU-Tribunal oder der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD-Bund e.V.). (bababoutilabo.jimdofree.com)


SAMSTAG – Nachmittag
2. Oktober 2021

Thema:
Wie wir die Welt sehen

14:00:
Jo Wespel & Sanni Lötzsch

FESTIVAL BOOST NOW! – Selbstermächtigung der Musiker:innen, Communities und zugängliche Strukturen

— abstract: —

Gemeinsam mit einem Kollektiv weiterer Musiker:innen riefen Jo Wespel und Sanni Lötzsch im Juni 2021 zu einer zukunftsorientierten und emanzipatorischen Meta Community auf. Sie streben 52 – deutschlandweit vernetzte – Communitys an, die jeweils 52 einwöchige Musikfestivals im interdisziplinären Austausch und in einem „antirassistischen, queerfeministischen und gemeinwohlorientierten“ Rahmen veranstalten. In ihrer Realutopie „Festival Boost Now!“wollen sie die strukturell bedingte Chancenungleichheit sowie den Konkurrenzkampf in der Non-Mainstream-Music ausmanövrieren, ein größeres und diverseres Publikum ansprechen, die Demokratie stärken sowie frische Musik und Kunst fördern. Das Ziel: Jährlich und institutionell 365 Tage innovative MUSIK, Gemeinwohl, Interdisziplinarität, Multiperspektivität, Intersektionalität, Antirassismus, Queerfeminismus, Diversität, Plurale Ökonomik, Aktivismus, Nachhaltigkeit, Kooperation, Bildung, Demokratie, Vorträge, Flashmobs, Workshops, Unterricht für Benachteiligte, Transparenz, Inklusion, Offenheit, Respekt, Potenzialentfaltung, Gemeinschaft → FUN!

Schlagzeuger Jim Black nennt das Konzept „ein Leuchtfeuer der Inspiration“. „They not only dream of what‘s possible, they actually turn these ideas and inspirations into tangible realities, that we can all take part in, … a completely immersive experience.“

–bios:–

Sanni Lötzsch ist Musikerin, Komponistin und Produzentin, Subkultur-Festival-Organisatorin und Queerfeministin. Sie ist musikalisch vor allem mit ihrem Solo-Projekt KID BE KID international unterwegs und auf renommierten Festivals wie dem Festival International de Jazz de Montréal (CAN), Elbjazz, Fusion Festival, X-Jazz  u.v.m. zu sehen gewesen. Ihr einzigartiges Skillset aus Beatboxing, Gesang, Klavier und Synthesizer trifft auf poetische Lyrics und rhythmische Virtuosität. Als Mitglied des Subwater-Beats-Kollektivs aus Berlin und Dresden hat sie zahlreiche Festivals und Konzerte mitorganisiert. Durch ihr künstlerisches Schaffen sowie in Workshops für Beatboxing, Arrangement, Komposition und Gesang empowered sie Menschen als wichtiges Vorbild auf dem Weg in eine Gesellschaft, die keine Rollenklischees mehr braucht. (springstoff.com)

Der Gitarrist Jo Wespel ist auch Komponist, Producer, Forscher, Tutor, Denker, (Festival-) Organisator, Postzeitgenosse, Subkulturschaffender, Xenofeminist,  Motivator, Antirassist, Reisender, leidenschaftlicher Lacher und privilegierter  Bewohner des Planeten Erde. Seine prozess- und nachhaltigkeitsorientierten Bands und Projekte sind: Zur Schönen Aussicht, Sinularia, Beatdenker, Recursive Rhythm Get-Together, Festival Boost Now! und das Subwater Beats Kollektiv. Egal was er macht, es geht immer um Austausch, Energie, Innovation, Synergie, Spekulation,  Multidimensionalität, Offenheit, Community, Pluralismus, Vorstellungskraft,  Rhythmus, Frische, Komplexität, Menschen und endless FUN! (subwaterbeats.de)

15:00:
Luise Volkmann
Ritualität im Jazz

Luise Volkmann & Ella O’Brien-Coker
Ritualität, unsere vielen Identitäten und das performative Sprechen

— abstract: —

Kommt! Singt, nein schreit unsere Hymne „Kill your darlings, live the kitsch, we dance down our creed. There’s to many walls ‚round here, dreams to come“. In der Arbeit mit ihrem Ensemble LEONEsauvage beschäftigt sich Luise Volkmann seit einigen Jahren damit einen musikalisch-rituellen Moment zu schaffen, der Musiker:innen und Publikum gemeinsam in Ekstase bringt: „vowing we bear creative notion“. In Bezugnahme auf verschiedene afrikanische Musikauffassungen und afroamerikanischen Free Jazz reflektiert sie in ihrer Arbeit ihr Selbstbild als deutsche Musikerin sowie neue und alte Formen von Musik, Konzert, Grenze und Ritual.

Anders als in Diskursen um kulturelle Aneignung, möchte Volkmann mit dem Konzept des Rituals die verbindenden Seins-Ebenen in den Vordergrund stellen: „let’s uphold the seldom glance of recognition“. Im Ritual vermutet Volkmann verbindende Elemente der Alltäglichkeit, der Gemeinschaft und der kraftvollen Praxis von Musik. In einer rituellen lecture performance sucht Volkmann nach Wegen des Mehr-Mensch-Sein.

Mit dem Mensch-Sein und mit unseren vielen Identitäten beschäftigt sich im Anschluss das inszenierte Gespräch von Ella O’Brien-Coker und Luise Volkmann. Sie arbeiten sich an verschiedenen Ängsten, Hemmungen und Rollen* ab, die Debatten um unterschiedliche Diskriminierungsformen immer wieder begleiten und verändern. (*LUISE: Auch unsere Diskurse sind ritualisiert).

Im Zwiegespräch wird das Spannungsfeld zwischen Identität, Positionierung und somit der Frage von (Un)Eindeutigkeit erschlossen. Was bedeutet eine tiefere Verhandlung der inneren Verhältnisse nach Außen? Und inwiefern kann dies zum aktuellen Diskurs beitragen?

In einem performativen Prozess dekonstruieren sie ihre Identitäten als weiße* und Schwarze Frauen* in einen Raum voller Gefühle, Sensibilität und Vertrauen (*ELLA: de-koloniale und queer-feministische Schreibpraxis, z.B. dass wir bei weiß und Schwarz nicht von visuellen Beschreibungen, sondern von der gesellschaftlichen Erfahrung sprechen).

#Ritual, Safer Space, Begegnung, Gemeinschaft, Gefühl, Liebe, Empowerment, Performativ, Intersektionalität, Identität

— bios: —

Luise Volkmann ist eine junge Composer-Performerin aus Bielefeld. Sie hat Saxophon, Komposition und Musikwissenschaft in Leipzig, Paris und Köln studiert. Ihr Reisen und Leben in Deutschland, Frankreich, Dänemark, Palästina und Brasilien hat sie für verschiedene künstlerische und sozio-kulturelle Projekte inspiriert. Sie interessieren die Arbeit im Kollektiv, politische, soziale und ästhetische Betrachtung von Musik und das Wissen aus unterschiedlichen Kunst-, Praxis- und Lebensbereichen. (luisevolkmann.jimdofree.com/)

Für Ella O’Brien-Coker sind die verschiedenen Rollen, die ihre Identität ausmachen immer eine Frage des Kontexts. Als Sängerin/Lyrikerin/Rapperin mit verschiedenen Bands und Projekten auf der Bühne und im Proberaum. Als Musikwissenschaftlerin und Autorin auf der Spur dessen, was zwischen den Zeilen steht. Als intersektionale Aktivistin einstehend für marginalisierte Positionen und engagiert in Community-Arbeit. Als Tochter und Schwester Teil eines komplexen Familienzusammenhangs, der die Grundlage für alle vorangegangenen Interessen darstellt. Und nicht zuletzt als Ella einfach all diese Dinge gleichzeitig und noch ein wenig mehr. (facebook.com/ellaobc/)

16:30:
Panel 3
Exportieren wir eigentlich nur Musik oder auch unsere Weltsicht?

  • Constanze Schliebs
  • Therese Hueber (Goethe-Institut)
  • Sylvia Freydank (IMD)
  • Moderation: Sophie Emilie Beha

— abstract: —

Im abschließenden Panel fragen wir danach, welchen Einfluss unsere Eigen- und Fremdsicht auf den Dialog mit “der Welt” hat. Wir haben dazu Constanze Schliebs eingeladen, die über viele Jahre Agenturerfahrung im In- und Ausland verfügt, außerdem als Kuratorin und Festivalgründerin in China aktiv war und ist, Sophie-Therese Hueber vom Musikbereich des Goethe-Instituts, sowie Sylvia Freydank vom Internationalen Musikinstitut Darmstadt (Ferienkurse für Neue Musik), Institutionen, bei denen ähnliche Diskussion ebenfalls seit längerem geführt werden (Moderation: Sophie Emilie Beha). Und wir fragen etwas provokant: “Exportieren wir eigentlich nur Musik oder auch unsere Weltsicht?”

— bios: —

Constanze Schliebs, Sinologin mit Schwerpunkt Peking Oper, seit 24 Jahren als Konzertagentin und Kuratorin selbständig. Neben Booking und  Tournee Organisation in Europa und Asien auch Künstlermanagement. Künstlerische Leitung Tränenpalast und blueNites Festival 1999-2001, Festivalgründerin Jazz Improvise Meeting China, Kuratorin Jazzoffensive Potsdam. (asianetwork.de)

Therese Hueber hat Musikwissenschaft, Musikpädagogik und Ethnologie studiert. Nach Tätigkeiten am Institut für Musikwissenschaft der LMU und in einer PR-Agentur in München betreut sie seit 2011 in der Zentrale des Goethe-Instituts die Förderprogramme im Bereich Musik. (goethe.de)

Sylvia Freydank, in Dresden geboren, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte und Sprachwissenschaft in Dresden, Genf und Berlin. Nach verschiedenen Stationen bei Festivals, beim Musikverlag Schott und als freie Autorin ist sie seit 2014 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Team des Internationalen Musikinstituts Darmstadt (IMD) mit Schwerpunkt Projektentwicklung, künstlerische Planung und Kommunikation, u. a. für die Darmstädter Ferienkurse. (https://internationales-musikinstitut.de/de/imd/ueber/team/sylvia-freydank/)

Sophie Emilie Beha ist Musikjournalistin. Sie moderiert Radiosendungen, Konzerteinführungen, Podiumsdiskussionen und Livestreams. Daneben schreibt sie Texte für verschiedene Fachmagazine und Zeitungen und managt Social-Media-Kanäle. (https://twitter.com/sophiemiliebeha?lang=de)


Das 17. Darmstädter Jazzforum wird gefördert von 

Roots | Heimat: Wie offen ist der Jazz? (blog)

[:de]

Gedanken zum Thema des 17. Darmstädter Jazzforums

12. August 2020:

Als ob er unseren Call for Papers gelesen hätte, hat Ethan Iverson den jüngsten Eintrag seines Blogs eurozentrischen Perspektiven auf die Musik gewidmet und dabei auf Aussagen aus früheren seiner Posts verlinkt, die für das Thema von Belang sind (Do the Math). Iverson gibt damit einen Aspekt vor, der uns während der Konferenz im Herbst 2021 interessieren könnte. Norman Lebrecht beleuchtet einen anderen Aspekt, wenn er die aktuelle Debatte um den Musiktheoretiker Heinrich Schenker und die „historischen Wurzeln der white supremacy“ darstellt (Slipped Disc). Jacqueline Warwick diskutiert, wie die Musikpädagogik in den USA durch den Fokus auf westeuropäische Kunstmusik dominiert ist, fasst die Schenker-Debatte zusammen, und fordert Musikprogramme, die aktiven Musiker:innen, die eine höhere Ausbildung anstreben, tatsächlich etwas bringen (The Conversation). Schließlich lesen wir Howard Reichs Hommage an Charlie Parkers bevorstehende Hundertjahrfeier, in der der Autor eine Reihe von Klischees verwendet, indem er zunächst Birds Einfluss mit dem Mozarts, Chopins und Gershwins vergleicht und ihn (sowie die anderen genannten) dann auch noch als „Revolutionär“ feiert (Chicago Tribune).

Man mag sich fragen, ob solche Klischees, die durch eine Genieästhetik geprägt sind, deren Wurzeln im Europa des 19. Jahrhunderts liegen, der Musik gerecht werden. Dies jedenfalls könnte ebenfalls eines der Themen sein, die wir nächstes Jahr beim Darmstädter Jazzforum diskutieren möchten, und in den nächsten JazzNews werden wir weitere Beispiele dafür vorstellen, wie und wo eurozentrische Perspektiven unsere Sicht auf den Jazz prägen. Wir wollen dabei die Geschichte nicht verteufeln, sondern sind an einer bewussten Auseinandersetzung mit den Folgen eurozentristischer Sichtweisen interessiert. Wir wollen also diskutieren, wie Machtstrukturen, sowohl innerhalb der Musikindustrie als auch im ästhetischen Diskurs, eine bestimmte Weltsicht begünstigt haben, und wie Künstler:innen, Wissenschaftler:innen, Kritiker:innen und Fans unterschiedlich mit dieser Tatsache umgehen. Wir hoffen also auf vielfältige Vorschläge, Ansätze und Perspektiven auf unseren Call for Papers, dessen Deadline der 30. November 2020 ist.


26. August 2020:

„Eurozentrismus im Jazz“? … einige weitere Gedanken

Das Thema unseres nächsten Darmstädter Jazzforums im Herbst 2021 beschäftigt uns zurzeit täglich, während zeitgleich bereits die ersten Vorschläge für Vorträge, Panels und künstlerische Interventionen eintreffen. So diskutieren wir in Bezug auf das Thema „Eurozentrismus und Jazz“ beispielsweise darüber, was es bedeutet, dass das Goethe-Institut den Jazz seit den frühen 1960er Jahren als ein Beispiel für den aktuellen Diskurs im deutschen Musikleben nutzt, und wie dieses offizielle Gütesiegel das Selbstverständnis vieler Musiker:innen, die im Laufe der Jahre an Goethe-Tourneen teilgenommen haben, verändert hat. Wir sprechen schon mal vom Jazz als dem größten Geschenk (Afro-)Amerikas an die Welt, gerade weil er so inklusiv ist und Musiker:innen aus der ganzen Welt dazu auffordert, ihre persönlichen Einflüsse mit einzubringen. Was aber, wenn das Annehmen dieser Einladung dazu führt, dass die afroamerikanischen Ursprünge der Musik fast vergessen scheinen? Brauchen wir also eine ständige Erinnerung an die Wurzeln des Jazz? Reicht es nicht, dass der Jazz als musikalische Sprache bis heute so viele junge Musiker:innen in ihrer Kreativität inspiriert? Gibt es einen Widersprich zwischen dem notwendigen Respekt und der Freiheit der Künste, also auch der, sich von Traditionen loszusagen? Oder, um auf das Goethe-Beispiel zurückzukommen: Wenn es eine Form des Jazz gibt, die als deutsche Kunstform wahrgenommen wird, wo und wie zeigen wir dann unser Bewusstsein für den afroamerikanischen Ursprung dieser Kunstform? Sind wir uns des Aneignungsprozesses überhaupt bewusst, der mit der globalen Ausbreitung des Jazz einhergeht?

Beim Jazzforum im Herbst 2021 laden wir also zu Vorträgen ein, die sich mit der Frage befassen, wie der Jazz seinen heutigen Stellenwert erlangt hat, hoffen daneben aber auch auf Podiumsdiskussionen und auf musikalische Interventionen, die die Sicht der Künstler auf das Thema eröffnen. Lassen Sie uns wissen, was Ihnen dazu einfällt. Wir freuen uns auch über ungewöhnliche Ideen, auch über solche, die über den reinen Jazzbezug hinausgehen. Die Deadline für alle Vorschläge ist der 30. November 2020.


9. September 2020:

„Eurozentrismus im Jazz?“(!)

Es ist ja ein wenig, wie wenn man sich ein neues Auto kauft und plötzlich überall genau dasselbe Modell oder dieselbe Farbe sieht, auch wenn man diese zuvor nie bemerkt hatte. Seit wir das Thema des nächsten Darmstädter Jazzforums bekannt gemacht haben, nämlich „Eurozentrismus im Jazz“, wird uns fast täglich bewusst, wie viele verschiedene Perspektiven dieses beinhaltet. Die jüngste Erinnerung ist eine Ausstellung im Frankfurter Museum für Angewandte Kunst mit dem Titel „Deutsches Museum für Schwarze Unterhaltung und Black Music“. Kurt Cordsen spricht mit Anta Helena Recke, einer der Kurator:innen, über die Idee hinter der Ausstellung, in der Stereotype hinterfragt werden, mit denen schwarze Menschen in der deutschen Unterhaltungsindustrie oft identifiziert wurden, sowie das Narrativ, das sich daraus bildete (BR, DMfSUuBM).

Kurz darauf lasen wir Giovanni Russonellos Artikel in der New York Times über Jazz als Protestmusik, ein Beispiel dafür, wie politisch der Jazz (die Musik? die Künste?) im gegenwärtigen politischen Klima in den Vereinigten Staaten wieder geworden sein mögen. Michael Rüsenberg unterstreicht allerdings, dass man auch ganz anders sehen kann, wofür der Jazz steht. Wir haben diese Diskussion in unserem Eintrag über „Protest Music“ zusammengefasst (siehe oben, 6. September).

Wie das (kurzlebige, jedenfalls bisher) Deutsche Museum für Schwarze Unterhaltung und Black Music zeigt auch der Fokus auf den Jazz als politisches Werkzeug Aspekte in der Geschichte dieser Musik auf, die sowohl in ihrem Ursprung als afroamerikanische Kunstform wie auch in einem durch eine europäische Sichtweise geprägten Verständnis von Kunst verankert sind, dass nämlich in der Regel hinter jeder Art von Kunst ein Verweis auf Außermusikalisches, Außerliterarisches, Außerkünstlerisches stecke, sie weiterführende Zwecke, Motive oder Ziele verfolge. Die Unterschiede solcher Lesarten sind groß und sie sind nicht nur kulturell bedingt. „Community Building“ beispielsweise hat eine ganz andere Bedeutung in einem Land, dessen Sozialsystem vom Markt und von Eigenverantwortung geprägt ist als in einem Wohlfahrtsstaat. Kunst bildet dann doch irgendwie immer auch die Wirklichkeit ab, lassen Sie uns also analysieren und nicht urteilen (!), welchen Einfluss die verschiedenen eurozentrischen Perspektiven auf die Rezeption und Entwicklung des Jazz hatten, sowohl was sein Verständnis als afroamerikanische Musik wie auch als kreative Weltmusik anbelangt.

Wenn Sie die kurzen Einführungen gelesen haben, die wir bereits darüber gegeben haben, worum es 17. Darmstädter Jazzforum im Herbst 2021 gehen könnte, dann wissen Sie bereits über die Vielfalt der möglichen Themen. Jetzt sind aber auch Sie gefragt:

— Call for Papers —

Wir laden Sie ein uns Vorschläge für Referate, Panels oder künstlerische Interventionen über eines dieser Teilgebiete (oder ein ganz anderes) zuzusenden, das Ihrer/Eurer Perspektive angemessen ist. Und wir würden uns freuen, wenn Sie unseren Call for Papers mit anderen potentiell Interessierten teilen, mit Kolleg:innen, Künstler:innen, Journalist:innen, Aktivist:innen. Wir sind sind (innerhalb gewisser Grenzen) dazu in der Lage Reisespesen zu ersetzen. Die aktuelle Deadline für Vorschläge ist der 30. November 2020.


23. September 2020

„Aus der Neuen Welt“?

Haben Sie jemals von George Bridgetower gehört? Wahrscheinlich eher nicht. Nun, er war der Geigenvirtuose, dem Ludwig van Beethoven ursprünglich seiner später als Kreutzer Sonate bekannt gewordene Komposition gewidmet hat. Patricia Morrisroe erzählt die Geschichte des in Polen geborenen Musikers, Sohn eines Vater afrikanischer Herkunft und einer deutsch-polnischen Mutter, der mit seinen Eltern eine Weile in Mainz lebte und dann, unter dem Management seines Vaters und oft genug als „junger Neger aus den Kolonien“ vermarktet, 1789 ein Violinkonzert in Paris gab. 1803 traf er Beethoven in Wien, der ihm seine „Mulatten-Sonate komponiert für den Mulatten Bridgetower, den großen Verrückten und Mulatten-Komponisten“ widmete, eine Widmung, die er aber wieder zurücknahm, nachdem Bridgetower abfällige Bemerkungen über eine von Beethoven bewunderte Frau gemacht hatte. Kurz darauf widmete der Komponist das Stück dem französischen Geiger Rudolphe Kreutzer, der es allerdings nie spielte. Sie können die faszinierende Geschichte aus Morrisroes Feder hier weiterlesen (New York Times).

Was aber hat all das mit Jazz zu tun? Nun, es ist ein frühes Beispiel für eine Perspektive des Eurozentrismus, mit dem wir uns während des 17. Darmstädter Jazzforums im Oktober 2021 befassen wollen. Wenn Eurozentrismus oft und auch oft zu recht als eine hegemoniale und dabei auch rassistische Weltsicht gelesen wird, kann man diesen auch als eine Sicht verstehen, die die Welt einfach nur aus dem recht kleinen Blickfeld der eigenen Erfahrung erklärt. Beethovens Entscheidung, die Sonate umzuwidmen, hatte wahrscheinlich nichts mit irgendeiner Art eurozentrischem oder gar rassistischem Denken zu tun. Aber die Tatsache, dass George Bridgetower fast vollständig vergessen ist, obwohl er damals Bewunderer in den höchsten Kreisen der europäischen Kulturszene besaß, hat etwas damit zu tun, dass Geschichtsschreibung oft nur die Geschichte der männlichen Helden erzählt, nicht die seiner weiblichen, schwarzen, schwulen, lesbischen oder sonstwie „anderen“ Kolleg:innen.

Oh, und wo wir gerade über klassische Musik sprechen: Zachary Woolfe und Joshua Barone befragten Dirigent:innen, Musiker:innen und Musikmanager:innen über Vor- und Nachteile von Blind Auditions und sprechen mit ihnen darüber, wie schwer es ist, in amerikanischen Orchestern Diversität zu garantieren (New York Times). Das alles ist zugleich eine Diskussion über kulturellen Zugang, über außermusikalische Bedeutung von Musik, über die Notwendigkeit von Quotenregelungen, aber auch über die Diversifizierung des Repertoires. Wie wäre es zudem mit einer Diversifizierung der künstlerischen Ansätze, könnte man ergänzen. Der Klang, die hierarchische Struktur, das ganze Konzept des klassischen Orchesters ist ja ein zutiefst in europäischen Traditionen verwurzeltes Konzept. Mittlerweile gibt es Ensembles, die versuchen, diese Strukturen zu ändern, Streichquartette, die ohne Noten vor sich spielen, Bläserensembles, deren Mitglieder alle stehen statt zu sitzen, Ensembles, die die Verantwortung des Dirigenten, der Dirigentin mal einer/m tatsächlichen überlassen (der/die vor dem Orchester steht), mal aber auch anderen Ensemblemitgliedern, und vieles mehr. Wir sprechen übrigens nach wie vor über klassische Musik. Wir sprechen allerdings auch über Performance-Praktiken, die weit stärker mit Jazz und improvisierter Musik assoziiert sind. Performance-Ansätze zu verändern könnte ein Weg sein, sich aus den Zwängen der eurozentrischen Konventionen zu befreien. Ob das Ergebnis dann große Musik ist… hängt von den Musiker:innen ab. Warum aber sollte man nicht ab und zu selbst die großartigsten Traditionen herausfordern, insbesondere wenn es um dem Weg in eine diversere Zukunft geht?

— Call for Papers —
Wir laden Sie ein uns Vorschläge für Referate, Panels oder künstlerische Interventionen über eines dieser Teilgebiete (oder ein ganz anderes) zuzusenden, das Ihrer/Eurer Perspektive angemessen ist. Und wir würden uns freuen, wenn Sie unseren Call for Papers mit anderen potentiell Interessierten teilen, mit Kolleg:innen, Künstler:innen, Journalist:innen, Aktivist:innen. Wir sind sind (innerhalb gewisser Grenzen) dazu in der Lage Reisespesen zu ersetzen. Die aktuelle Deadline für Vorschläge ist der 30. November 2020.

7. Oktober 2020
„Eurozentrismus“: ein problematischer Begriff…
Wenn der Jazz ein Geschenk Afro-Amerikas an die Welt war, wie oft zu lesen ist, und wenn die Musik jeden, der sie spielt, dazu auffordert “sich selbst zu spielen”, also den eigenen kulturellen Background mit ins Idiom einfließen zu lassen, wie beeinflusst ein solcher Mix an Information, Haltungen und Ansätzen wohl den Diskurs über die Musik? Wenn der Jazz immer noch als Identifikationsmittel innerhalb der afro-amerikanischen Community gilt, wie gehen wir dann mit der Tatsache um, dass er mittlerweile Teil der globalen Musikindustrie geworden ist, die weniger von Community- als von kommerziellen Interessen gelenkt ist, oder mit der Tatsache, dass der Jazz von vielen nationalen oder regionalen Szenen überall auf der Welt als ein probates Idiom angenommen wurde, in dem lokale Künstler:innen ihre Emotionen ausdrücken können? “Eurozentrismus” ist ein problematischer Begriff, der oft kultureller Dominanz und dem kolonialen Erbe Europas assoziiert wird. Ist es möglich, über dieses Thema neutraler zu sprechen, als eine Art Darstellung geschichtlicher Entwicklungen, eines künstlerischen Diskurses, an dem der Jazz seit dem frühen 20sten Jahrhundert beteiligt war, nicht also in moralischen, sondern vor allem in beschreibenden Termini?
— Call for Papers —

Dies sind einige der Fragen, die wir beim 17. Darmstädter Jazzforum ansprechen wolle, das wir vom 30. September bis 2. Oktober 2021 planen. Wir laden Sie ein uns Vorschläge für Referate, Panels oder künstlerische Interventionen über eines dieser Teilgebiete (oder ein ganz anderes) zuzusenden, das Ihrer/Eurer Perspektive angemessen ist. Und wir würden uns freuen, wenn Sie unseren Call for Papers mit anderen potentiell Interessierten teilen, mit Kolleg:innen, Künstler:innen, Journalist:innen, Aktivist:innen. Wir sind (innerhalb gewisser Grenzen) dazu in der Lage Reisespesen zu ersetzen. Die aktuelle Deadline für Vorschläge ist der 30. November 2020.


21. Oktober 2020:

Musikalische Gentrifizierung?

Kai Bartol schreibt über „musikalische Gentrifizierung“ im The Michigan Daily, fragt etwa, wieso der Jazz in den USA gerade bei einem weißen Publikum so populär wurde, obwohl zur gleichen Zeit der Gruppe, aus der die musikalischen Erfinder dieser Musik stammten, kein angemessener Platz in der Gesellschaft zugestanden wurde. Er spricht mit dem Kulturhistoriker Ed Sarath über Unterschiede in der Rezeption schwarzer Musik, die darauf basieren, ob man selbst Teil der afro-amerikanischen Community ist oder nicht. „Der eurozentrische Rahmen „, erklärt Sarath, „in dem Musik an den Schulen gelehrt wird, wäscht schwarze Musik geradezu weiß und trennt sie von ihren schwarzen Wurzeln.“

Noch ein Denkanstop also und ein weiteres Thema, um das es beim 17. Darmstädter Jazzforum gehen könnte, das wir vom 30. September bis 2. Oktober 2021 planen. (Andere Aspekte und andere Perspektiven wurden bereits in den letzten Newslettern genannt; Sie können diese alle aber auch auf der Seite zum Jazzforum nachlesen, die unten verlinkt ist.) Wir laden Sie ein uns Vorschläge für Referate, Panels oder künstlerische Interventionen über eines dieser Teilgebiete (oder ein ganz anderes) zuzusenden, das Ihrer/Eurer Perspektive angemessen ist. Und wir würden uns freuen, wenn Sie unseren Call for Papers mit anderen potentiell Interessierten teilen, mit Kolleg:innen, Künstler:innen, Journalist:innen, Aktivist:innen. Wir sind (innerhalb gewisser Grenzen) dazu in der Lage Reisespesen zu ersetzen. Die aktuelle Deadline für Vorschläge ist der 30. November 2020.


4. November 2020:

„Decolonization“

Wegen Covid-19 wurden im vergangenen Sommer die Darmstädter Ferienkurse für Neue Musik abgesagt (bzw. ins nächste Jahr verschoben), aber die Kolleg:innen unseres Schwesterinstituts sind beispielsweise mit einer Podcast-Reihe präsent, in der Künstler:innen über eine Vielzahl unterschiedlicher aktueller Themen sprechen. Der jüngste dieser Podcasts ist ein Gespräch der in China geborenen Komponistin, Multiinstrumentalistin, Sängerin und Performerin Du Yun mit dem Komponisten Raven Chacon über ihre gemeinsame Opernproduktion „Sweet Land“, aber auch über aktuelle Diskussionen zur „Entkolonialisierung“ zeitgenössischer Musik, ein Thema, das Chacon in Konferenzen und Konzertreihen etwas überbemüht sieht, das, wie er erklärt, weit komplexer sei als es oft dargestellt wird. Sein Argument ist, dass „indigene Künstler:innen oder Minderheiten-Künstler:innen nicht als Lehrbuch für andere über ihr eigenes Volk verstanden werden möchten. Was uns viel mehr interessiert, oder was viel interessanter sein könnte, ist, wenn man gefragt wird: Naja, was denkst du denn über Zeit, was denkst du über die Räumlichkeit von Sound, oder was denkst du über hörbare Klänge, oder, was denkst du über … was auch immer: Frequenz, Licht, das Universum “ [ab 49:08], worauf Du Yun erwidert, dass so viele dieser Aspekte immer noch aus einer vor allem eurozentrischen Sichtweise interpretiert werden, sie, Chacon und andere, die aus nicht-europäischen Traditionen kommen, aber einen ganz anderen Blick haben könnten (Ferienkurse Darmstadt). Alles in allem also ein Ruf nach Respekt für andere Weltsichten, Respekt, der sich in den Worten wiederfinden sollte, die wir benutzen, oder zumindest in einem Bewusstsein dafür, wie wir Worte benutzen und wie sie verstanden werden oder verstanden werden können.

Noch ein Denkanstoß also und ein weiteres Thema, um das es beim 17. Darmstädter Jazzforum gehen könnte, das wir vom 30. September bis 2. Oktober 2021 planen. (Andere Aspekte und andere Perspektiven wurden bereits in den letzten Newslettern genannt; Sie können diese alle aber auch auf der Seite zum Jazzforum nachlesen, die unten verlinkt ist.) Wir laden Sie ein uns Vorschläge für Referate, Panels oder künstlerische Interventionen über eines dieser Teilgebiete (oder ein ganz anderes) zuzusenden, das Ihrer/Eurer Perspektive angemessen ist. Und wir würden uns freuen, wenn Sie unseren Call for Papers mit anderen potentiell Interessierten teilen, mit Kolleg:innen, Künstler:innen, Journalist:innen, Aktivist:innen. Wir sind (innerhalb gewisser Grenzen) dazu in der Lage Reisespesen zu ersetzen. Die aktuelle Deadline für Vorschläge ist der 30. November 2020.


18. November 2020:

„Afro Modernism in Contemporary Music“

Das in Frankfurt beheimatete Ensemble Modern hat ein Symposium über „Afro-Modernism in Contemporary Music“ organisiert. Dabei ging es vor allem um das Gebiet der sogenannten Neuen Musik, aber da diese sich zurzeit genauso neu erfindet wie andere Genres (einschließlich der Jazz), kamen eine Reihe an Dingen zur Sprache, die auch für das nächste Darmstädter Jazzforum interessant sein könnten, das wir für den Oktober 2021 planen.

Die Teilnehmer, unter ihnen der Initiator des Symposiums George E. Lewis im Gespräch mit Harald Kisiedu, sprachen etwa darüber, dass, nur weil bestimmte Beispiele der aktuellen Musik nicht gehört, nicht programmiert und kuratiert werden, das nicht bedeute, dass es sie nicht gäbe. Auch das Labeln von Musik wurde thematisiert, das in der Regel ausgrenzt, oder wie eine Teilnehmerin im Live-Chat schrieb: „Die Obsession Dinge definieren zu wollen, hat immer mit dem Versuch der Kontrolle und Ausgrenzung zu tun.“ Und doch spricht George Lewis selbst, wie er erklärt, nach wie vor von „contemporary classical music“, akzeptiert aber nicht, wenn solch ein Begriff einzig für eine pan-europäische Idee von Musik verwandt wird. Klar gäbe es in der Vergangenheit problematische Programmierungen; man solle die Diskussion über sie aber als Chance sehen, andere Musik, andere Komponist:innen, andere Perspektiven kennenzulernen. Das Frankfurter Symposium ist auch im Nachhinein online zu sehen (Ensemble Modern).

Bereits zuvor hatte George E. Lewis im Sommer an einem Panel teilgenommen, bei dem es um „Decolonizing the Curating Discourse in Europe“ ging, und in seinem Eröffnungsstatement fasst er mögliche Schritte zusammen, das Konzert- und Festivalrepertoire zu öffnen, und betont dafür eine geistige Haltung der „creolozation“, die es „der zeitgenössischen Musik erlaubt, über ihr eurozentrisches Konzept musikalischer Identität hinauszugehen und dabei eine wirkliche Weltmusik zu werden. Und mit eurozentrisch meine ich nicht ‚eurologisch‘ [Teil eines von Lewis selbst geprägten Begriffspaars ‚eurologisch‘ / ‚afrologisch‘] (…) Die Idee des Eurologischen könnte tatsächlich Teil des Versuchs einer Dekolonialisierung werden; Eurozentrismus dagegen niemals. Der ist einfach zu simplizistisch, zu hegemonial, zu geschlossen, zu sehr ethnisch essentialistisch “ (21:05-20:40). (Academy of Arts, das gesamte Statement dauert von 5:30 bis 23:30).

Einige solcher Aspekte mögen auch beim 17. Darmstädter Jazzforum diskutiert werden, das wir vom 30. September bis 2. Oktober 2021 planen. (Andere Aspekte und andere Perspektiven wurden bereits in den letzten Newslettern genannt; Sie können diese alle aber auch auf der Seite zum Jazzforum nachlesen, die unten verlinkt ist.) Wir laden Sie ein uns Vorschläge für Referate, Panels oder künstlerische Interventionen über eines dieser Teilgebiete (oder ein ganz anderes) zuzusenden, das Ihrer/Eurer Perspektive angemessen ist. Und wir würden uns freuen, wenn Sie unseren Call for Papers mit anderen potentiell Interessierten teilen, mit Kolleg:innen, Künstler:innen, Journalist:innen, Aktivist:innen. Wir sind (innerhalb gewisser Grenzen) dazu in der Lage Reisespesen zu ersetzen. Die aktuelle Deadline für Vorschläge ist der 30. November 2020; eine Verlängerung des Calls for Papers bis Ende des Jahres ist wahrscheinlich; mehr dazu im nächsten Newsletter.


2. Dezember 2020:
Und wie ist es mit der kulturellen Aneignung?

Einen kürzlich erschienenen Artikel überschreibt der Journalist Georg Spindler: „Musik gehört keinem, sie ist frei “ (Mannheimer Morgen). Kulturelle Aneignung, findet er, ließe sich auch als kreativer Fortschritt verstehen, wofür er Beispiele aus klassischer Musik und Jazz anführt. Dann fokussiert er auf eine Debatte insbesondere in den USA, „die Weißen hätten von der schwarzen Community alles übernommen und kommerzialisiert – außer der Last“, „everything but the burden“ also (einen Buchtitel des Autors Greg Tate zitierend). Musik anderer Kulturen als Ausgangspunkt des kreativen Prozesses zu nutzen sei allerdings keineswegs Plagiat, sondern gängige Kulturpraxis. Ein Aspekt, den Spindler in seinem Artikel außen vor lässt, ist, dass jedwedes Material, das man sich für seine kreative Arbeit aus anderen Kulturen „borgt“, mit Respekt vor seinem Ursprung behandelt werden sollte, sowie die Tatsache, dass, wann immer wir Material anderer Kulturen für unseren künstlerischen Diskurs nutzen, dieses automatisch mit unserer ästhetischen Haltung verknüpft wird, was wiederum die Gefahr in sich birgt, dass wir, je vertrauter uns dieses Material wird, unsere eigenen ästhetischen Werte zurück auf die Quellen des Materials und seine ursprüngliche kulturelle Umgebung übertragen.

[:en]

Some further thoughts on the topic of the 17th Darmstadt Jazzforum

12 August 2020:

As if he read our call for papers, Ethan Iverson has devoted one of his latest blog entries to a discussion of Eurocentric perspectives in music and has linked to some of his own earlier posts relevant to the subject (Do the Math). Iverson gives one aspect of what we are interested in to discuss at our conference in the fall of 2021. Norman Lebrecht highlights another aspect, explaining details of a current debate regarding the music theorist Heinrich Schenker and music theory „historically rooted in white supremacy“ (Slipped Disc). Jacqueline Warwick discusses how music education in the USA is dominated by a focus on Western European art music, summarizes the Schenker discussion, and asks for music programs that are relevant to actual musicians wanting a higher education (The Conversation). Finally, we read Howard Reich’s tribute to Charlie Parker’s upcoming centennial in which the author uses a number of cliches, first comparing Bird’s impact on music to Mozart, Chopin and Gershwin, then referring to him (and the others named) as „revolutionaries“ (Chicago Tribune).

At our conference, we might ask whether such cliches informed by a „genius“ aesthetic the roots of which can be found in 19th century Europe do the music any justice. These, though, are just some of the topics we might talk about at the Darmstadt Jazzforum next year, and in the next editions of JazzNews we will provide further examples of where Eurocentric perspectives shape our view of jazz. In all of this, we are interested in a leveled discussion about the subject, not in a demonization of the European perspective. We are looking to discuss the reality, then, in which power structures, both within the industry and the aesthetic discourse, have favored a specific worldview, and how artists, scholars, critics and fans have developed different levels of awareness for this reality. We have issued a Call for Papers (deadline: 31 December 2020) and are looking forward to diverse approaches, perspectives and proposals.


26 August 2020:

„Eurocentrism in Jazz“? … some more thoughts

At the Jazzinstitut, we continue to discuss the topic of our next Darmstadt Jazzforum conference, while the first proposals for papers, panels and artistic interventions are already arriving. One of the subjects about „Eurocentism“ we discuss, for instance, is how the Goethe-Institut has been using jazz as an example of German musical discourse since the early 1960s, and how that official seal of approval has changed the self-image of many musicians who partook in Goethe tours over the years. We like to speak of jazz as (Afro-)America’s biggest gift to the world, precisely because it is so inclusive, asking musicians from everywhere to add their own personal influences to the mix. Yet, what if the acception of this invitation is overdone to the extent that the African American origins of the music are being neglected? Do we, then, need a constant reminder of the roots of jazz? Isn’t it enough that jazz as a musical language to this day inspires so many young musicians in their creativity? Might this be a question of respect vs freedom of the arts, freedom from the need to refer to traditions, that is. Or, to get back to the Goethe example: If there is a form of jazz that is being sold as a German art form, do we meet our responsibility of respecting the musical idiom as an originally African American art form? Are we at all aware of the appropriation process that happened during the global spread of jazz?

While we invite historical papers for our Jazzforum conference that look at how jazz has earned the status it holds today, we also hope for panel discussions and musical interventions offering artists‘ perspectives on the subject. Let us know what you think. We are happy for any suggestions! The deadline for all proposals is: 30 November 2020.


9 September 2020

„Eurocentrism in Jazz?“(!)

It’s a bit like when you buy a new car and suddenly see the same model or color everywhere even though you never noticed it before. Since we started announcing the subject of next year’s Darmstadt Jazzforum conference, „Eurocentrism in Jazz“, we realize the many different perspectives this topic involves. One recent reminder was an exhibition shown at Frankfurt’s Museum for Applied Arts, called „German Museum for Black Entertainment and Black Music“. Kurt Cordsen talks to Anta Helena Recke, one of the curators, about the idea behind the exhibition which focuses on stereotypes about black people in the German entertainment industry and the narrative they informed (BR, DMfSUuBM).

Giovanni Russonello’s New York Times essay about jazz as protest music, on the other hand, is an example of how political jazz (music? the arts?) may have become once more in the current political climate in the United States. However, after reading Russonello’s piece, Michael Rüsenberg points out that there are other perspectives on what jazz stands for. We summarized all of this in our entry on „protest music“ above (6 September).

Like the (short-lived, so far) German Museum for Black Entertainment and Black Music, the focus on jazz as a political tool has implications that are both based in the music’s history as an African American art form and a European understanding of art pointing to something beyond what can be seen, heard, read, an ulterior purpose, motive, or goal. The differences are deep, and they are far from just being cultural. „Community building“, for instance, has far more importance in a country that depends on market and self-responsibility when it comes to the wellbeing of its citizens than is the case in a social welfare system. Art reflects reality: thus, let us analyze, not judge (!) what influence the manifold Eurocentric perspectives have had on the reception and the development of jazz both in its understanding as an African-American and a creative world music.

If you’ve followed our short introductions to what the Darmstadt Jazzforum might be about, you already recognize the diversity of possible topics. But it’s up to you, as well:

— Call for papers —

We invite you to send us proposals for papers, panels, artistic interventions that look at any of these (or other) topics from your perspective. We also ask you to share our Call for Papers with others interested, colleagues, artists, journalists, activists. We will (within limits) be able to help with travel expenses. The deadline for all proposals is: 30 November 2020.


23 September 2020

„From the New World“?

Ever heard of George Bridgetower? Chances are you haven’t. Well, he was a virtuoso violinist whom Ludwig van Beethoven originally dedicated one of his most famous pieces to which later became known as the Kreutzer Sonate. Patricia Morrisroe tells the story of Bridgetower, born in Poland to a father of African descent and a German-Polish mother, who lived in Mainz with his parents for a while, and soon, managed by his father and billed as a „young Negro of the Colonies“ performed a violin concerto in Paris in 1789. In 1803 he met Beethoven in Vienna who then dedicated his „Mulatto sonata composed for the mulatto Bridgetower, great lunatic and mulatto composer“, a decication he took back after Bridgetower purportedly made a rude commend about a woman the composer admired. Beethoven later dedicated the piece to the French violinist Rudolphe Kreutzer who, though, never played it. You can read Morrisroe’s fascinating story here (New York Times).

So what does this have to do with jazz? Well, it is an early example of a different kind of Eurocentrism which we will be discussing at the 17th Darmstadt Jazzforum conference in October 2021. While Eurocentrism can easily be seen as a term describing a racist worldview, one might more easily understand it as a worldview of „I explain the world by what I see and know“. Beethoven’s decision to change the dedication of his sonata probably had nothing to do with Eurocentrism or racism. But the fact that George Bridgetower was completely forgotten, even though he had admirers in the highest circles of the classical world,has to do with a view on history that tends to write the story of the male hero, bot not his female, Black, gay, lesbian or in whatever other way „different“ colleague.

Oh, and while we’re at classical music, Zachary Woolfe and Joshua Barone asked conductors, musicians and arts managers about the problems of blind auditions and talk about how difficult it is to guarantee diversity in American orchestras (New York Times). It’s a discussion also about cultural access, about extramusical meanings of music, about the need to claim quotas, but also for a diversification of the repertoire. How about a diversification of approaches, though, one might ask. The sound, the hierarchic structure, the whole concept of the classical orchestra is one deeply connected to a European concept. There are ensembles meanwhile that have tried to change those structures, string quartets playing without music in front of them, wind ensembles performing standing instead of sitting, ensembles which shift the responsibility for a conductor from a real one (in front of the orchestra) to ensemble members and much more. We are, remember, still talking about classical music. We are, though, also talking about performance practices much more connected to jazz and improvised music. Changing performance approaches might support efforts to get away from those Eurocentric conventions. Whether the result is great music… depends on the musicians. However, why not challenge traditions for a more diverse future?

— Call for papers —
We invite you to send us proposals for papers, panels, artistic interventions that look at any of these (or other) topics from your perspective. We also ask you to share our Call for Papers with others interested, colleagues, artists, journalists, activists. We will (within limits) be able to help with travel expenses. The deadline for all proposals is: 30 November 2020.

7 October 2020

„Eurocentrism“: a problematic term…

If jazz was a gift to the world, as is often said, and if the music literally demands of anybody playing it to “play themselves”, i.e. to add their own cultural influences to the idiom, how does such a mix of information, attitudes and approaches influence the discourse about the music? If jazz still functions as a tool for identification within the African American (arts) community, how do we deal with the fact that the music has become part of a global music industry, less controlled by community than commercial ideals, or with the fact that jazz has been adopted by many national or regional scenes around the world as a valid idiom for the local artists’ expressive needs? “Eurocentrism” is a loaded term, often linked to cultural dominance and a colonialist past. Is it possible to talk about it more neutrally, as an account of reality, of an artistic discourse that jazz has been part of since the early 20th century, not as a moral but a descriptive instance?

— Call for papers —

Those are questions we will ask at the 17th Darmstadt Jazzforum conference, to be held 30 September – 2 October 2021. We invite you to send us proposals for papers, panels, artistic interventions that look at any of these (or other) topics from your perspective. We also ask you to share our Call for Papers with others interested, colleagues, artists, journalists, activists. We will (within limits) be able to help with travel expenses. The deadline for all proposals is: 30 November 2020


21 October 2020:

Musical Gentrification

Kai Bartol writes about „musical gentrification“ in The Michigan Daily, asking how jazz became popular with a white audience in the US while at the same time the musical innovators were never granted a proper place in their society. He talks to cultural historian Ed Sarath about differences in the reception of Black music depending on whether one is part of the African American community or not. „The Eurocentric framework“, says Sarath, „that governs how music is taught in schools works to whitewash Black music and separates it from its Black roots.“

Food for thought, and another aspect of the topic of the 17th Darmstadt Jazzforum conference, to be held 30 September – 2 October 2021. (More aspects from quite different perspectives were mentioned in our last newsletters, and you can find them all on the Jazzforum’s webpage linked to below.) We invite you to send us proposals for papers, panels, artistic interventions that look at any of these (or other) topics from your perspective. We also ask you to share our Call for Papers with others interested, colleagues, artists, journalists, activists. We will (within limits) be able to help with travel expenses. The deadline for all proposals is: 30 November 2020.


4 November 2020:

„Decolonization“

Due to Covid-19 the 2020 Summer Courses for Contemporary Music (Ferienkurse für Neue Musik) in Darmstadt had to be canceled (postponed until next year), but our colleagues have started a podcast series of dialogues between artists about a variety of subjects. The latest of them has the Chinese-born composer, multi-instrumentalist, vocalist and performer Du Yun converse with the composer Raven Chacon about their joined opera production „Sweet Land“, but also about current discussions on „decolonizing“ contemporary music a term Chacon calls „overused“ in conferences or concert series because the topic is much more complex. He argues that „an indigenous artist or a minoritized artist does not want to be the text book to a group of people about their own history. What would be interesting or what could be appealing is, if one gets asked: Well, tell us your thoughts on time, tell us your thoughts on spacialization of  sound, or tell us your thoughts on audible sounds, or tell us your thoughts on … whatever: frequency, light, universe“ [from 49:08], to which Du Yun replies that many of these factors are still being looked upon from a Eurocentric perspective, but they who come from other traditions might not see it that way (Ferienkurse Darmstadt). All of which is a call for respect to other views of the world, a respect that should be reflected in the words we use as well, or at least in an awareness for how we use words and how they are or could be understood.

Food for thought, and another aspect of the topic of the 17th Darmstadt Jazzforum conference, to be held 30 September – 2 October 2021. (More aspects from quite different perspectives were mentioned in our last newsletters, and you can find them all on the Jazzforum’s webpage linked to below.) We invite you to send us proposals for papers, panels, artistic interventions that look at any of these (or other) topics from your perspective. We also ask you to share our Call for Papers with others interested, colleagues, artists, journalists, activists. We will (within limits) be able to help with travel expenses. The deadline for all proposals is: 30 November 2020.


18. November 2020:

„Afro Modernism in Contemporary Music“

The Frankfurt-based Ensemble Modern organized a symposium about „Afro-Modernism in Contemporary Music“ which focused on contemporary composition. However, as that field is currently being redefined itself (as are other genres, including jazz), the conference made a lot of points that might be relevant for the Darmstadt Jazzforum as well, planned for October 2021.

The participants, among them the symposium’s initiator George E. Lewis in conversation with Harald Kisiedu, talked about the fact that just because a certain repertoire of music is not being heard, programmed, or curated doesn’t mean it doesn’t exist. Another aspect discussed was the labeling of music which usually tends to be exclusive, or as one of the commentators in the live-chat summarized:  „The obsession with definition is an attempt to control and erase.“ And yet, George Lewis explains that he continues to use a label such as „contemporary classical music“, however he will not accept that this term is only applied to a pan-European music idea. Realizing faults at programming, he suggests, can be a chance, an opportunity to get to know other music, composers or musicians, other perspectives. The Frankfurt symposium can be re-viewed online (Ensemble Modern).

During the summer, George E. Lewis also took part in a panel about „Decolonizing the Curating Discourse in Europe“, and in his opening statement he summarizes possible steps for opening up the concert and festival repertoire, emphasizing that the mental envelop of what he calls creolization might „allow contemporary music to move beyond its Eurocentric conception of musical identities towards becoming a true world music, and by Eurocentric I don’t mean ‚Eurological‘ [a term coined by Lewis himself and juxtaposed to ‚afrological‘] (…) The Eurocological could become a part of decolonization; Eurocentric: never. Simplistic, hegemonic, closed, and ethnically essentialist“ (21:05-20:40). (Academy of Arts, complete statement from 5:30 to 23:30).

Again, watching these panels, we realize how many of such aspects might be discussed at the 17th Darmstadt Jazzforum conference as well, to be held 30 September – 2 October 2021. (Other aspects from quite different perspectives were mentioned in our last newsletters, and you can find them all on the Jazzforum’s webpage linked to below.) We invite you to send us proposals for papers, panels, artistic interventions that look at any of these (or other) topics from your perspective. We also ask you to share our Call for Papers with others interested, colleagues, artists, journalists, activists. We will (within limits) be able to help with travel expenses. The current deadline for all proposals is: 30 November 2020; there may be an extension to the deadline until the end of the year; we will report about that in our next newsletter.


2. December 2020
What about cultural appropriation?

In a recent article the German journalist Georg Spindler argues that „music does not belong to anybody, it is free“ (Mannheimer Morgen). Cultural appropriation, he writes, can also be understood as progress, for which argument he cites examples from classical music to jazz. He then focuses on debates in the USA about „whites“ having taken „everything but the burden“ from the Black community (quoting a book title by writer Greg Tate). Using music from other cultures as a starting point for the creative process is not plagiarism, though, says Spindler, but a usual cultural practice. One aspect Spindler neglects in his argument is that any material „borrowed“ from other cultures should always be used with respect to their origin, and that once we use material from other cultures, it will automatically mix with our own aesthetic approach, thus, we should be aware that our growing familiarity with such material might make us transfer our own aesthetic values back to the source material and its culture.

[:]

LEONEsauvage

[:de]

1. Oktober 2021, 20:00 Uhr

Kathrin-Preis 2021

Preisverleihung und Preisträgerinnenkonzert in der Bessunger Knabenschule
Ludwigshöhstraße 142, 64285 Darmstadt

Eine Veranstaltung im Rahmen des 17. Darmstädter Jazzforums

Roots | Heimat: Wie offen ist der Jazz?

LEONEsauvage

Aufmunternde Worte, Träumen vom Kollektiv, lebensbejahende, kämpferische Hymnen und eine schillernde Mixtur aus Spektakel, Ritual und ausuferndem Getöse posaunt Luise Volkmann mit ihrer Free Jazz Big Band LEONEsauvage heraus.

Das zehnköpfige Ensemble LEONEsauvage ist tatsächlich wild. Träumen von einer Welt, in der Musik ihren Zuhörer:innen das gibt, was ihnen im Leben fehlt: einen Moment der Freiheit, ein Ritual des Loslassens und Ausrastens, ein Zelebrieren von Kreativität und Erfindungsgeist, als Mittel gegen die harte Realität. Und natürlich auch die Gemeinschaft, gegen die Einsamkeit des Einzelnen. Zusammen sind wir stark!

Luise Volkmann | Altsaxofon, Jan Frisch | Stimme, Gitarre, Matthew Halpin | Tenorsaxofon, Connie Trieder | Querflöte, Florian Walter | Baritonsaxofon, Matthias Muche | Posaune, Heidi Bayer | Trompete, Keisuke Matsuno | Gitarre, Florian Herzog | Kontrabass, Dominik Mahnig | Schlagzeug

Luise Volkmann erhält den Kathrin-Preis 2021. Die Kölner Saxofonistin und Komponistin, präsentiert nun mit LEONEsauvage ein zweites Large Ensemble, das in der Tradition des Free Jazz steht. Ganz anders als ihr dreizehnköpfiges Ensemble Été Large, basiert die Musik von LEONEssauvage zu großen Teilen auf kollektiver Improvisation. Ihre Kompositionen tragen Titel wie „Preacher“ oder „The Cool“ und weisen hiermit auf die unterschiedlichen Charaktere in der Band hin, die Volkmann bewusst theatral inszeniert. Es geht um die Persönlichkeit des einzelnen Spielers und darum, wie sich diese einzelnen Farben zu einem gemeinsamen Klang zusammenfügen. Einem Klang, der von Hymnen gespickt ist, die proklamieren: Dreams To Come.

Die Idee zu dem Projekt LEONEsauvage kam Volkmann 2016 in Paris. „Paris ist ein hartes Pflaster: Es gibt viel Obdachlosigkeit auf er Straße. 2016 waren auch immer wieder große Boulevards von Flüchtlingen überschwemmt, die mitten in der Stadt kampierten. Die Stadt ist teuer, Raum ist knapp, die Möglichkeiten zu gestalten sind knapp, die Leute arbeiten hart und vereinsamen. Deswegen wollte ich einen Moment etablieren, der die Pariser für eine kurze Zeit von ihrem Alltag befreit. Kurz ausrasten, frei sein und Kraft in der Gemeinschaft tanken, sich der Härte des Alltags entgegen zu setzen.“ Darauf gründete sie die erste Version von LEONEsauvage mit jungen Musiker:nnen aus Paris. Inspiriert von Sun Ra’s Arkestra, arbeitete das Ensemble an einer mitreißenden Bühnenperformance: Die Musiker:nnen arbeiteten mit Bewegungs-Cues, auffallender Schminke und ließen sich mehrere Male von Schauspieler:innen coachen. Auf der Bühne standen sie immer mit unterschiedlichen Tänzer:innen aus dem Bereich des Zeitgenössischen Tanzes oder des Street Dance.

„Ich habe meine Bachelor-Arbeit über Sun Ra geschrieben und war beeindruckt, wie ganzheitlich er gearbeitet hat. Er hat es meiner Meinung nach geschafft, ein ganzes Konstrukt einer alternativen Welt zu bauen. Mit dieser Errungenschaft wollte ich mich solidarisieren mit LEONEsauvage und ein Ensemble bilden, dass auch politische und soziale Aussagen treffen kann.“

Haltung hat das Ensemble: In dem Stück Hymne pour LEONEsauvage schreien die jungen Musiker dem Hörer entgegen: „Kill your darlings, live the kitsch. We dance down our creed. There’s too many walls ‚round here. Dreams to come, dreams to come. Wild and untamed blowers, yarning, fragile heads. All to make, all to give. Free the music we give.“ Es ermutigt also zum zerbrechlich sein, zum authentisch sein, dazu äußere Zwänge in uns selbst aufzulösen und mit Hilfe der Musik freier zu werden. Hymne pour LEONEsauvage war sozusagen das Gründungsstück der Band.

In dem Stück Preacher singt der Sänger „Let us live an innocent thought of companionship“ oder „Revolt against the negation of love“ und spricht damit ein Thema an, dass Volkmann sehr am Herzen liegt: Die Gemeinschaft. „Wie gesagt hat mich die starke Vereinsamung in Paris immer traurig gemacht. Ich hab immer gelernt, dass man zusammen stärker ist. Das Ensemble LEONEsauvage haben wir auch versucht, als Kollektiv zu organisieren. Das hat manchmal besser, manchmal weniger gut geklappt. Aber auf jeden Fall haben die Konzerte immer eine unheimliche Kraft entfaltet. Ich hatte immer das Gefühl, die ganze Band hat sich wochenlang danach gesehnt, sich fix und fertig zu spielen. Da konnte man die Kraft der Gemeinschaft immer spüren und das Publikum war mitgerissen. Ich hab immer gescherzt und gesagt- meine Free-Jazz-Tanzband“.

Bis ins Jahr 2018 spielte das Ensemble in Paris fast monatlich. Als Volkmann im selben Jahr nach Kopenhagen zog, gründete sie dort die zweite Besetzung von LEONEsauvage, mit der auch die Aufnahmen zu dem Album entstanden. In Kopenhagen traf sie am Rhythmischen Musikkonservatorium auf eine buntes und internationales Konglomerat aus Musiker:innen. Die beiden Sänger der CD sind der portugiesische Jazz- und Popsänger João Neves und der isländische Rocker Hrafnkell Flóki Kaktus Einarsson. Zusammen bilden sie ein stimmungsvolles Duo, das genug Kante und Unschärfe zulässt, die diese Musik braucht. Die vier Saxophonist:innen des Ensembles kommen aus Polen, Deutschland und Argentinien und bilden zusammen einen gewaltigen Klangkörper. Die Rhythmusgruppe besteht aus Jazz- und Improvisationsmusikern aus Frankreich, Italien, Polen und Norwegen. Eine international besetzte Truppe, die zum Tanzen und Ausrasten einlädt.

Tatsächlich wird es dieses Jahr passend zur Veröffentlichung des Albums auch die deutsche Version des Ensembles geben. „Ich denke mit dem Projekt extra megaloman. Die Idee von LEONEsauvage soll die Welt infiltrieren.“ Luise Volkmann gewann 2020 den Kathrin-Lemke-Preis des Jazzinstitut Darmstadt und konnte mithilfe des Preises eine dritte Besetzung aus vorwiegend in NRW lebenden Musiker:innen gründen. Und nicht nur das: Sie konnte in der Residenz in Darmstadt auch weiter zu dem Thema forschen, dass sie im Bezug auf den Free Jazz und Sun Ra interessiert. „Wie gehe ich als deutsche Jazzmusikerin mit dem Erbe der afro-amerikanischen Kultur um? Ich glaube es gibt viel zu wenig Diskurse über diese Frage. Ich bin von der Form der Musik von Sun Ra oder auch dem Art Ensemble of Chicago sehr berührt und möchte mich solidarisieren, möchte davon lernen und möchte vielleicht sogar einen Teil dieser Tradition fortführen. Es ist gar nicht so einfach, dafür den richtigen Ton zu treffen.“ Das Jazzinstitut forscht bei seinem diesjährigen Symposium zu Eurozentrismus und bietet hier Luise Volkmann die Möglichkeit die langjährige Arbeit mit dem Ensemble und ihre Nachforschung zum Free Jazz und afro-amerikanischer Musik zu präsentieren.

Das Album „Dreams To Come” kommt gerade zur richtigen Zeit und setzt der schwierigen und komplexen Zeit, die hinter uns liegt, Optimismus und Aktivismus entgegen. „Ich sehe die Musik im Herzen der Gesellschaft. Ich glaube daran, dass Kreativität das Mittel ist, mit dem man Umbrüche meistern kann und mit der das Leben noch lebenswerter und bunter wird.“

 


Konferenz:
Von Donnerstag, 30. September, bis Samstag, 2. Oktober 2021, diskutieren wir über „Roots | Heimat: Wie offen ist der Jazz?“ (mehr…)


Ausstellung:
Ab 4. Oktober 2021 zeigen wir in der Galerie im Jazzinstitut (und während der Konferenz auch im Konferenzraum) die Ausstellung „Jazzgeschichten in Rot und Blau“ mit Plakaten des Schweizer Künstlers Niklaus Troxler. (mehr…)

Weitere Fragen bitte an jazz@jazzinstitut.de


Das 17. Darmstädter Jazzforum wird gefördert von 

[:en]1 October 2021, 8:00pm
Concert at Bessunger Knabenschule (Ludwigshöhstraße 142, 64285 Darmstadt)
This concert is part of the 17th Darmstadt Jazzforum about „Roots | Heimat: Wie offen ist der Jazz?“

LEONEsauvage

Uplifting words, dreams of the collective, life-affirming, combative hymns and a dazzling mixture of spectacle, ritual and sprawling bluster trumpeted out by Luise Volkmann and her free jazz big band LEONEsauvage.

The ten-piece ensemble LEONEsauvage is indeed a wild one. Dreaming of a world where music gives its listeners what they lack in life: a moment of freedom, a ritual of letting go and letting loose, a celebration of creativity and inventiveness, all of this a remedy against the harsh reality. And of course, community, which helps against the loneliness of the individual. Together we are strong!

Line-up: Luise Volkmann | altosax, leader, Jan Frisch | voice, guitar, Sebastian Gille | tenorsax, Connie Trieder | flute, Florian Walter | baritonsax, Matthias Muche | trombone, Heidi Bayer | trumpet, Keisuke Matsuno | guitar, Florian Herzog | bass, Dominik Mahnig | drums

Luise Volkmann is a Cologne-based saxophonist and composer who now presents LEONEsauvage, her second large ensemble in the free jazz tradition. Quite different from her thirteen-piece ensemble Été Large, LEONEssauvage’s music is largely based on collective improvisation. Their compositions bear titles such as „Preacher“ or „The Cool“, thus pointing to the different characters in the band, which Volkmann deliberately stages theatrically. It is about the personality of the individual player and how these individual colors come together to form a common sound. A sound peppered with hymns that proclaim: Dreams To Come.

Volkmann got the idea for the LEONEsauvage project in Paris in 2016. „Paris is a tough place: There is a lot of homelessness on the streets. In 2016, large boulevards were also repeatedly flooded with refugees camping out in the middle of the city. The city is expensive, space is scarce, opportunities to create are scarce, people work hard and become lonely. That’s why I wanted to establish a moment that would free Parisians from their daily lives, and if only for a short time. To briefly escape, to be free, and to gather strength in community, to confront the harshness of everyday life.“ These ideas, then made her found the first version of LEONEsauvage with young musicians from Paris. Inspired by Sun Ra’s Arkestra, the ensemble worked out a rousing stage performance: the musicians worked with movement cues, eye-catching make-up and had actors coach them several times. On stage they were always accompanied by different dancers from the field of contemporary dance or street dance.

„I wrote my bachelor’s thesis on Sun Ra and was impressed by how holistically he worked. He managed, in my opinion, to build a whole construct of an alternative world. It is an achievement I wanted to show solidarity with by forming LEONEsauvage as an ensemble that could also make political and social statements.“

The ensemble certainly has a wider attitude: In the piece „Hymne pour LEONEsauvage“, the young musicians scream at the listener: „Kill your darlings, live the kitsch. We dance down our creed. There’s too many walls ‚round here. Dreams to come, dreams to come. Wild and untamed blowers, yarning, fragile heads. All to make, all to give. Free the music we give.“ The song encourages being fragile, being authentic, dissolving external constraints in ourselves and becoming freer with the help of music“. Hymne pour LEONEsauvage“ was, so to speak, the founding piece of the band.

In the track „Preacher“, the singer sings „Let us live an innocent thought of companionship“ or „Revolt against the negation of love“ and thus addresses a topic that is very close to Volkmann’s heart: Community. „As I said, the intense loneliness in Paris has always made me sad. I’ve always learned that you’re stronger together. We also tried to organize the ensemble LEONEsauvage as a collective. Sometimes it worked better, sometimes not so well. But in any case, the concerts have always unfolded an incredible power. I always had the feeling that the whole band had been longing to play for weeks. You could always feel the power of community and the audience was carried away. I always joked and called it ‚my free jazz dance band'“.

Until 2018, the ensemble played in Paris almost on a monthly basis. When Volkmann moved to Copenhagen that same year, she formed the second lineup of LEONEsauvage there, with whom she also recorded the album. In Copenhagen, she met a colorful and international conglomeration of musicians at the Rhythmic Music Conservatory. The two singers on the CD are Portuguese jazz and pop singer João Neves and Icelandic rocker Hrafnkell Flóki Kaktus Einarsson. Together they form an atmospheric duo that allows enough edge and fuzziness that this music needs. The ensemble’s four saxophonists come from Poland, Germany and Argentina, and together they form a formidable body of sound. The rhythm section consists of jazz and improvisational musicians from France, Italy, Poland and Norway. An international troupe that invites you to dance and go wild.

In fact, this year, to coincide with the release of the album, there will also be the German version of the ensemble. „I think with the project extra megalomaniac. The idea of LEONEsauvage is to infiltrate the world.“ Luise Volkmann won the Jazzinstitut Darmstadt’s Kathrin-Preis in 2020 and, with the help of the award, could form a third lineup of musicians mainly living in Northrhine-Westfalia. But not only that: she could also continue her research on the topic, on free jazz and on Sun Ra during a residency in Darmstadt. „As a German jazz musician, how do I deal with the heritage of African-American culture? I think there is far too little discourse on this question. I am very touched by the form of the music of Sun Ra or also the Art Ensemble of Chicago and want to show solidarity, want to learn from it and maybe even want to continue a part of this tradition. It’s not so easy to strike the right note for that.“ The Jazzinstitut’s fall conference in 2021 focuses on „Roots | Heimat“, and at the conference Luise Volkmann will have the opportunity to present her many years of work with the ensemble as well as her research on free jazz and African-American music.

The album „Dreams To Come“ comes just at the right time, countering the difficult and complex times that lie behind us with optimism and activism. „I see music at the heart of society. I believe that creativity is the means by which you can master upheavals and with which life becomes even more livable and colorful.“

 

 


Conference:
From, Thursday, 30 September, through Saturday, 2 October 2021, we will be discussing about „Roots | Heimat: Wie offen ist der Jazz? (more…)


Exhibition:
From 4 October 2021 the gallery of the Jazzinstitut shows the exhibition „Jazz Stories in Red and Blue“ with posters created by Swiss artist and jazz promoter Niklaus Troxler. Some posters will be shown at the conference venue during the Jazzforum. (more…)


If you have any further questions, fee free to write us at jazz@jazzinstitut.de


Das 17. Darmstädter Jazzforum wird gefördert von

[:]

[:de]Jazzgeschichten in Rot und Blau[:en]Jazz Stories in Red and Blue[:]

[:de]Niklaus Troxler / Grafische Kunst

Willisau ist ein kleines Schweizer Städtchen im Zentrum von Europa. Hier trifft sich seit Mitte der 1960er Jahre die wegweisende Internationale Jazz Avantgarde.

Der Schweizer Grafiker Niklaus Troxler ist der Name hinter den Konzerten und dem  legendären Willisau Jazz Festival. Über die Programmgestaltung hinaus hat er insbesondere mit seinen weltbekannten Plakatentwürfen dem Jazz in Willisau sein einzigartiges  künstlerisches Gesicht gegeben. Es ist ein weltumspannendes /kulturübergreifendes  geprägtes Gesamtkunstwerk aus Musik, Kunst und Performing, das Niklaus Troxler seit Mitte der 1960er Jahre in Willisau entwickelt hat.

Die Ausstellung „Jazzgeschichten in Rot und Blau“ nähert sich anhand von grafischen Werken dem ästhetischen Verständnis von Niklaus Troxlers, der den Jazz als Anregung für innovative grafische Ansätze nutzt. Für diese Ausstellung hat er dem Jazzinstitut  viele noch wenig gezeigte Plakate auch in kleinerem Format zur Verfügung gestellt.

Niklaus Troxlers Plakate stehen für Gebrauchskunst mit Kultcharakter. Er übersetzt den Jazz und die Begegnungen mit den Musiker:innen  in seine eigene Bildwelt, die durch Farben, Formen und Typografie geprägt ist. In unzähligen Variationen seiner sehr variantenreichen Bildsprache versucht er das für ihn Typische in der Musik einzufangen. So werden Instrumente zu Symbolen, Buchstaben zu Umrissen, Formen und Farben zu Bewegungsmustern. Denn alles was Niklaus Troxler am Jazz spannend findet, fasziniert ihn auch am Bild: die Mischung aus Komposition und Offenheit und damit auch die Improvisation und der Zufall.

Gerade sein enger persönlicher Kontakt zu den Musiker:innen und der Musik inspirieren ihn immer wieder zu den unterschiedlichsten Stilistiken.  Es gibt nicht den typischen „Troxler-Stil“. Genau das macht seine Kunst zeitlos und besonders.

Und so bilden in seinem Œuvre auch das kleine Heimatdorf „Willisau“ ganz natürlich mit der New Yorker Free Music Szene eine künstlerische Einheit.


Ausstellung
4. Oktober bis 31. Dezember 2021 in der Galerie des Jazzinstituts Darmstadt
geöffnet Mo, Di, Do 10 -17 Uhr, Fr 10 -14 Uhr (bitte melden Sie sich an!)



Das 17. Darmstädter Jazzforum wird gefördert von

[:en]Niklaus Troxler / Graphic art

Willisau is a small Swiss town in the center of Europe. It is also the place where the pioneering international jazz avant-garde has been meeting since the mid-1960s.

Swiss graphic designer Niklaus Troxler is the name behind the concerts and the legendary Willisau Jazz Festival. Beyond the program design, he has given jazz in Willisau its unique artistic face, especially with his world-famous poster designs. It is a global/cross-cultural shaped synthesis of music, art and performing that Niklaus Troxler has developed in Willisau since the mid-1960s.

The exhibition „Jazz Stories in Red and Blue“ uses graphic works to focus on Niklaus Troxler’s aesthetic understanding of jazz as a stimulus for innovative graphic approaches. For this exhibition, he has provided the Jazzinstitut with many rarely shown posters, in bigger as well as in smaller formats.

Niklaus Troxler’s posters stand for commercial art with cult character. He translates jazz and the encounters with the musicians into his own visual world, which is characterized by colors, shapes and typography. In countless variations of his varied visual language, he tries to capture what is typical for him in the music. Thus instruments become symbols, letters become outlines, shapes and colors become patterns of movement. The reason behind this: everything that Niklaus Troxler finds exciting about jazz also fascinates him about the picture: the mixture of composition and openness and thus also improvisation and chance.

It is precisely his close personal contact with the musicians and the music that inspires him time and again to create in differerent styles. Thus, there is no typical „Troxler style“. Perhaps it is this fact that makes his art timeless and special.

And so, in his œuvre, his small hometown of „Willisau“ naturally forms an artistic unity with the New York free music scene.


Exhibition

30 September through 2 October 2021 during the conference at the conference venue

4 October through 31 December 2021 at the Jazzinstitut Darmstadt’s gallery
open: Monday, Tuesday, Thursday 10am-5pm, Friday 10am-2pm


Conference:
From, Thursday, 30 September, through Saturday, 2 October 2021, we will be discussing about „Roots | Heimat: Wie offen ist der Jazz? (more…)


Concert:
On Friday evening, 1 October 2021, Luise Volkmann and LEONE sauvage at Bessunger Knabenschule. (more…)


If you have any further questions, fee free to write us at jazz@jazzinstitut.de[:]

[:de]Dozentinnen und Dozenten 2021[:en]Teachers[:]

[:de]

Peter Back …

… in diesem Jahr das Jugendensembles leiten zu lassen, war für alle Beteiligten eine naheliegende Entscheidung. Der neue künstlerische Leiter Uli Partheil kennt und schätzt den in Linsengericht lebenden Saxophonisten seit vielen Jahren. Schließlich war der Tenorist immer wieder die bereichernde Saxophonstimme in Partheils Jazz & Literatur-Projekten.

Foto: Peter Back (privat)©

Insbesondere auch für sein pädagogisches Engagement wurde Back 2016 mit dem Kulturpreis des Main-Kinzig-Kreises ausgezeichnet.

Peter Back ist Saxophonist, Arrangeur und Komponist in sehr unterschiedlichen Formationen … und er ist leidenschaftlicher Fotograf mit einem ausgezeichneten Blick für die originellen Details im Großen-Ganzen. Und genauso wie der Fotograf Back in seinen Bildern, findet auch der Saxophonist Back eben genau jene originellen Details in einem an sich vertrauten Musikstück oder einer geläufigen Melodie, die es schließlich zu etwas Außergewöhnlichem machen. Peter Back besticht durch unaufgeregte Eleganz und Leichtigkeit; ganz gleich ob er die Sängerin Melanie Hövel begleitet, im Duo mit hr-Bigband Saxophonist Heinz-Dieter Sauerborn agiert oder oder sich für den Pianisten Uli Partheil auf literarische Weltreisen begibt. Ein anderes Mal kann er die Musik mit modaler Rasanz vorantreiben, etwa im so bedeutenden Jazzensemble des Hessischen Rundfunks, mit dem er 2009 den Hessischen Jazzpreis erhielt, groovt geschmackvoll-sphärisch mit dem Popjazz-Projekt DePhazz  oder klingt erdig und Blues-getränkt, etwa mit den Soul Jazz Dynamiters um den Frankfurter Gitarristen Martin Lejeune.

Über seine Vorstellungen zum diesjährigen Ensemble, das er leiten wird, schreibt Peter Back folgendes:

„In dem Ensemble möchte die Hauptformen des Jazz (Blues, AABA, 16 Takter) anhand von oft gespielten und nicht zu schweren Standards vorstellen. Davon ausgehend werde ich versuchen die Teilnehmer zu eigenen Kompositionen und Arrangements zu ermutigen. Auch ist mir wichtig, das Aufeinanderhören und  das Hineinversetzen in die verschiedenen Rollen (Rhythmusgruppe-Solist-in) einer Jazzcombo bewusst zu machen.“

Maike Hilbig …

… hat zwar Kontrabass studiert, aber man hört es nicht“, heißt es ganz kokett auf Ihrer Webseite. Und in der Tat hat Hilbig mit ihrem individuellen Zugang zu Spiel und Komposition die mancherorts grauen Säle der Akademien weit hinter sich gelassen und ist ihrem sehr eigenständigen Weg gefolgt. Was dabei herauskommt, bewegt sich musikalisch meist zwischen zeitgenössischem Jazz Berliner Prägung und traditioneller freier Improvisation. Als Komponistin verspürt sie dabei nach eigenem Bekunden den Einfluss von den frühen Anfängen Lil Hardins in den Roaring Twenties bis zur Chicagoer Freejazz-Bewegung des AACM der späten 1960er Jahre.

Foto: Manuel Miethe©

Eine ausgesprochen enge musikalische Beziehung pflegt Maike Hilbig in unterschiedlichen Projekten mit den vormaligen Darmstadt-Dozent:innen Silke Eberhard („Matsch & Schnee“), Gerhard Gschlössl und Johannes Fink („Vorwärts/Rückwärts“) und der Schlagzeugerin Lucia Martinez (u.a. im Bob Spice Quartet).

Videomitschnitt bei ARTE-TV vom Konzert mit Satchie am 19. Dezember 2020 im Palais de la Musique et de la Danse in Strasburg

Stephan Meinberg …

ist ein Trompeter mit vielfältigen Identitäten. Gerne spielt er auch Euphonium, ein vierventiliges Flügelhorn oder Piccolo-Trompete. Stephan Meinberg sieht sich als „Jazz“-Musiker mit grundsätzlich multistilistischer, nach sehr vielen Seiten offener Orientierung und oft interessiert ihn gerade das Sich-Ergänzen oder Verschmelzen verschiedener Positionen. So auch im Verhältnis von Improvisation und Komposition in seinen Stücken für das Quintett „ViTAMiNE“ sowie die kollektiven Bands „Heelium“, „moLd“ und „Arnie Bolden“, mit diesen Gruppen veröffentlichte er insgesamt sieben CDs.

Foto: Stephan Meinberg (privat)©

Als Sideman arbeitete Stephan Meinberg u.a. mit Matthäus Winnitzkis Trio „Cnirbs“, dem Nils-Wogram-Septet, André Nendza „A-Tronic“, Dieter Glawischnig Hamburg Ensemble, Salsa-Gruppen von Javier Plaza und Bazon Quiero, der NDR-BigBand (unter Leitung von Steve Gray, Maria Schneider, Bob Brookmeyer, und vielen anderen). Für das Goethe-Institut spielte Stephan Meinberg in Afrika, Asien, Europa und Nordamerika. Er studierte zunächst europäische Klassik an der Musikhochschule Lübeck, dann Jazz an der Musikhochschule Köln und absolvierte 1999/2000 als DAAD-Stipendiat ein zusätzliches Studienjahr an der New School in New York, wo er von vielen Jazzgrößen wie Saxophonist Billy Harper oder dem John Coltrane-Bassisten Reggie Workman unterrichtet wurde.

Über seine Vorstellungen zum diesjährigen Ensemble, das er leiten wird, schreibt Stephan Meinberg folgendes:

4-X-H-Y-Tet
Wir sind alle einzigartig und gleich und das ist wunderbar. Wir sind Ensemble: wir beziehen uns auf einander, produzieren uns durch und in einander, differenzieren uns von einander oder stimmen überein. 
Miteinander sind wir spielend hörend schwingend klingend lebendige Körper in Zeit(en) und (Wiederhall-)Raum und dort vollzieht sich etwas mit wie durch uns. Es geschieht im Moment, hat zugleich anknüpfbare Vorgeschichten – 8.324.571.906 Weisen, Dialekte, Sprachen – als auch Aufsuchen noch nicht gekannter Wege. Zum Ausdruck bringen, wie es ist und werden möge. Laute-Pausen-Erzählen. Doch was ist mit Bäumen und Fahrrädern?“

Musik von Stephan Meinberg auf SoundCloud

Mitschnitt der „Together Alone“-Session der NDR-Bigband mit dem Posaunisten Ingo Lahme.

Axel Pape …

… studierte Jazz- und Popularmusik an der Hochschule für Musik in Stuttgart und an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Er war Stipendiat der Villa Musica und der Zukunftsinitiative des Landes Rheinland-Pfalz.

Foto: Axel Pape (privat)©

Seither ist Axel Pape in verschiedene Projekte im Bereich Jazz und zeitgenössischer Musik eingebunden, spielt u.a. im Trio des Pianisten Sebastian Sternal und im Emil Mangelsdorff Quartett. Pape absolvierte Konzertauftritte in Clubs und auf Festivals im In- und Ausland und konnte bisher bei Produktionen für den HR, SWR und WDR mitwirken. Axel Pape hat einen Lehrauftrag für Schlagzeug, Rhythmik und Ensemble an der Universität Mainz und am Dr. Hoch’s Konservatorium in Frankfurt.

Über seine Vorstellungen zum diesjährigen Ensemble, das er leiten wird, schreibt Axel Pape folgendes:

„Inhaltlich hatte ich mir vorgestellt, mit meinem Ensemble „Bilder zum klingen zu bringen“, sozusagen deren Stimmungen einzufangen und zu vertonen. Dafür würde ich zum einen verschiedene Bilder vorstellen und zum anderen verschiedene Herangehensweisen vorschlagen, diese musikalisch zu beschreiben. Diese Ansätze sollen ganz unterschiedlich sein – mal frei und spontan oder aber kalkuliert/organisiert bis komponiert, mehr harmonisch/melodischer Natur oder eher rhythmisch. Auch das Erarbeiten (Verarbeiten) eigener Kompositionen findet in diesem Konzept platz.“

Uli Partheil

… ist einer der aktivsten Protagonisten der Darmstädter Szene, beeinflusst von der Musik Duke Ellingtons, Thelonious Monks, kubanischen Rhythmen und dem Blues. Er ist nicht nur ein versierter Pianist in sämtlichen Stilistiken des Jazz, sondern auch als Komponist tätig. In seinen Kompositionen geht er äußerst kreativ mit den verschiedenen Einflüssen um, die ihn als Musiker prägen. Nach 3 Jahren Jugendensemble wird Uli Partheil in diesem Jahr wieder ein „Erwachsenen-Ensemble“ übernehmen.

Foto: Wilfried Heckmann©

Uli Partheil studierte an der Mannheimer Musikhochschule, unter anderem bei Professor Jörg Reiter Jazzpiano, Komposition und Arrangement. Seit Beginn der 1990er Jahre arbeitet er mit Jürgen Wuchner, Matthias Schubert, Janusz Stefanski, Ack van Rooyen, Rudi Mahall, Daniel Guggenheim, Wolfgang Puschnig, Thomas Siffling, dem Wiener Kronenbräu Orchester, dem Palatina Swing Orchestra und vielen anderen zusammen.

Mit seinem Working Trio „Playtime“ ist er in den letzten Jahren mit verschiedenen Literatur- & Jazz-Projekten erfolgreich. Partheil unterrichtet an der Jazz & Pop School Darmstadt. Für seine musikalischen Verdienste und sein Wirken für die Förderung des jazzmusikalischen Nachwuchses erhielt er 2008 den Darmstädter Musikpreis.

Über seine Vorstellungen zum diesjährigen Workshop schreibt er folgendes:

„Ich werde ein paar neue Stücke von mir mitbringen. Ich würde gerne versuchen auswendig zu spielen. Für mindestens ein Stück wird es gar keine Noten geben. Das ist am Anfang etwas mühsam, lohnt sich aber. Außerdem möchte ich daran arbeiten einfache Dinge zu tun, diese aber so gut wie irgend möglich. Wir werden in jedem Fall auch ein Stück von Jürgen Wuchner spielen.“

[:en]Sorry, this page is not available in English.[:]

[:de]Das Jazz Conceptions-Jugendensemble[:en]CANCELLED: Jazz Conceptions youth ensemble[:]

[:de]

unter der Leitung von Peter Back

Auch 2021 wollen wir versuchen ein reines Jugendensemble zu bilden, das vom 19. bis 24. Juli 2021 unter Anleitung eine eigenes, kurzes Konzertprogramm erarbeitet, welches  im Rahmen des Abschlusswochenendes auf großer Bühne in der Bessunger Knabenschule öffentlich präsentiert wird. Geprobt wird immer vormittags in der Akademie für Tonkunst, direkt um die Ecke der Knabenschule, bzw. eine Straßenbahn-Haltestelle weiter.

Foto: Rolf Oeser©

Der Saxophonist und Musikpädagoge Peter Back, der seit vielen Jahren Leiter der Jazzausbildung an der Musikschule des Main-Kinzig-Kreises ist sucht für die Darmstädter Jazz Conceptions junge Musiker/innen zwischen ca. 14 und 22 Jahren, die bereit sind, jeden Tag zwei bis drei Stunden volle Konzentration auf die Musik zu richten und dabei alles zu geben. Im Prinzip ist dieses Ensemble für alle Instrumente offen. Die Teilnehmerzahl ist allerdings begrenzt.

Sollten sich dennoch bis zum 30. Mai 2021 nicht genügend „junge“ Interessenten finden, wird Peter Back eine altersoffene Gruppe mit angepasstem Inhalt leiten.

Die Improvisation und das spontane Reagieren spielen natürlich immer eine wichtige Rolle. Mit den Jugendlichen möchte Back die Hauptformen des Jazz (Blues, AABA, 16 Takter) anhand von oft gespielten und nicht zu schweren Standards vorstellen. Davon ausgehend werden die Teilnehmer:innen zu eigenen Kompositionen und Arrangements ermutigt. Vor allem soll die Bedeutung des Aufeinander-Hörens und das Hineinversetzen in die verschiedenen Rollen (Rhythmusgruppe-Solist:in) einer Jazzcombo bewusst gemacht werden. Der Kurs ist auch für junge Instrumentalist/innen ohne große Banderfahrung offen. Das Wichtigste bleibt immer: Der Spaß am Musikmachen! Sich mit offenen Ohren dem Abenteuer aus Rhythmus, Groove, Spannung, und Auflösung voll hinzugeben.

Anmeldung: Der Kurs kostet 80,- Euro für die ganze Woche. Wir bitten, sich bei Interesse aus Gründen der besseren Koordinierung unbedingt zunächst schriftlich oder telefonisch bei Peter Back zu melden. Nicht jedes Instrument kann mehrfach belegt werden. Auch bei inhaltlichen Fragen steht Peter Back zur Verfügung.

contact@peterback.de oder Tel. 06051 / 67223

Erst nach Absprache mit Peter Back, bitten wir die Teilnehmer/innen sich über das Onlineformular (-> hier gehts zur Anmeldung) anzumelden. Bei Teilnehmer/innen unter 18 Jahren benötigen wir zusätzlich zur Online-Anmeldung eine schriftliche Einverständniserklärung der Erziehungsberechtigten (Bitte am ersten Kurstag mitbringen).[:en]sorry, no English version available[:]

JazzNews 2021

Wir lesen die Morgenzeitung für Sie!

Die Presseberichte, die wir in dieser Rubrik zusammenfassen, finden sich übrigens in unserem Archiv in herkömmlicher (papierner) sowie in digitaler Form. Wenn Sie an den kompletten Artikeln zu den auf dieser Seite notierten Meldungen interessiert sind, wenden Sie sich bitte per e-mail an uns. Darüber hinaus verweisen wir auf unseren Jazz-Index, die weltweit größte computergestützte Bibliographie zum Jazz, in der neben Büchern und Zeitschriften auch aktuelle Presseberichte aus Tages- und Wochenzeitungen gelistet sind. Sie können Auszüge aus dem Jazz-Index zu bestimmten Stichworten (also beispielsweise konkreten Musikernamen) kostenlos per e-mail erhalten. Noch ein Hinweis zu den Links auf dieser Seite: Einige der verlinkten Artikel sind ohne Anmeldung nicht einsehbar; bei vielen Online-Zeitungen ist die Lektüre älterer Artikel kostenpflichtig. Bitte beachten Sie, dass die Zusammenfassungen und die Übersetzungen auf dieser Seite unsere Zusammenfassungen und Übersetzungen sind. Wenn Sie die hier gelisteten Artikel zitieren wollten, sollten Sie zu den Originalquellen greifen.

Autor der JazzNews (deutsch wie englisch): Wolfram Knauer

Sie können unsere Jazznews auf unserer Website abonnieren.
Dazu geben Sie bitte Ihre e-Mail-Adresse unten rechts auf dieser Website (www.jazzinstitut.de) ein und wählen die Newsletter aus, die Sie interessieren könnten. Sie erhalten mit jedem Newsletter einen Link auf Ihr Abonnement, mit dem Sie jederzeit Newsletter an- oder abwählen oder Ihr Abonnement ganz kündigen können. Unsere Newsletter sind grundsätzlich kostenfrei.

Inhaltsverzeichnis (deutsch; English content scroll down please)

Content (English)